Santiago (Fides) – Mit der Wahl der Verfassungsräte am kommenden Sonntag, dem 7. Mai, „haben wir die Gelegenheit, einen neuen Schritt in dem Verfassungsprozess zu tun, den wir als Land erleben“ und „wir glauben, dass es eine große Verantwortung ist, daran teilzunehmen, um unsere Stimme in Kenntnis der Sachlage abzugeben und an einem Prozess teilzunehmen, der so wichtig für unser Land ist", so die Bischöfe Chiles am Ende ihrer jüngsten Vollversammlung im April (vgl. Fides 24/4/2023).
Am 7. Mai werden 15 Millionen Chilenen insgesamt 50 Abgeordnete (25 Frauen und 25 Männer) wählen, die mit der Ausarbeitung einer neuen Verfassung betraut sind und die vom Parlament ernannte Kommission, die sich aus 24 Experten zusammensetzt, beraten werden. Der Rat wird fünf Monate Zeit haben, um den von den Experten ausgearbeiteten Entwurf zu bearbeiten. Der endgültige Text wird am 17. Dezember einem Referendum unterzogen. Bei einer vorherigen Volksabstimmung am 4. September 2022 hatten die Bürger des Landes gegen den vorherigen Entwurf gestimmt.
Eine neue Verfassung soll die Charta von 1980 ersetzen, die während des Pinochet-Regimes verabschiedet wurde. Der langwierige Prozess hat seinen Ursprung in den Kundgebungen vom Oktober 2019, die mit Protesten gegen die Erhöhung der Preise für öffentliche Verkehrsmittel begannen und die schwerste politische und soziale Krise seit Jahrzehnten in der Geschichte des Andenlandes auslöste.
Bei den Protestkundgebungen kam es Gewalt mit Angriffen auf Menschen, Zerstörung von Eigentum, Plünderung von Geschäftsräumen und Zusammenstößen mit Polizeikräften forderte in mehreren Städten Tote und Verletzte. Die Regierung verhängte den Ausnahmezustand. Auch die Kirche war Opfer von Gewalt und Übergriffen auf Gotteshäuser, wobei Heiligenbilder zerstört und Kirchen verwüstet wurden. Die Proteste waren Ausdruck der Unzufrieden der chilenischen Gesellschaft mit den Missständen in den Bereichen Arbeit, Gesundheit, Sicherheit der Bürger, öffentliches Bildungswesen, Wohnungswesen, Renten, Armut und Einwanderung.
Die Volksabstimmung vom 25. Oktober 2020 brachte die Forderung nach einer neuen, zeitgemäßen und den Bedürfnissen der Chilenen entsprechenden Verfassung zum Ausdruck. ein am 15. und 16. Mai 2021 gewählter "Verfassungsgebender Konvent" wurde daraufhin mit deren Ausarbeitung betraut. Am 11. März 2022 trat der 36-jährige Gabriel Boric, der Anführer der Studentenproteste vom Oktober 2019, sein Amt als Präsident Chiles an, der beabsichtigt die soziale und politische Struktur des Landes radikal und in Richtung Fortschritt zu reformieren. Im Referendum vom 4. September 2022 sprachen sich die Chilenen mit überwältigender Mehrheit (über 60 %) gegen den Entwurf der neuen Verfassung aus, der zuvor von den verschiedenen Teilen der Gesellschaft, der katholischen Kirche und den Vertretern der Religionen ausführlich diskutiert und analysiert worden war.
Die Wahlen der Verfassungsräte am Sonntag, den 7. Mai, eröffnen somit einen neuen Weg, der entscheidend sein soll, wenn es darum geht die zahlreichen Probleme zu lösen, mit denen sich das Land konfrontiert sieht, mit denen sich auch die Bischöfen in ihrer üblichen Analyse zur Lage des Landes befassten: die ernste Sicherheitskrise, das bisher unbekannte Ausmaß an Gewalt, die Zunahme des organisierten Verbrechens, das oft mit dem Drogenhandel verbunden ist, die Korruption und vieles mehr.
(SL) (Fides 5/5/2023)
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