ASIEN/LIBANON - Papst Leo XIV. an die Libanesen: “Sie sind ein Volk, das nicht untergeht“

Sonntag, 30 November 2025 papst leo xiv.   mittlerer osten   geopolitik   krisengebiete  

VaticanMedia

Von Pascale Rizk

Beirut (Fidesdienst) – „Selig, die Frieden stiften! Es ist mir eine große Freude, Sie zu treffen und dieses Land zu besuchen, in dem „Frieden“ weit mehr als nur ein Wort ist.“ Mit diesen Worten wandte sich Papst Leo an die politischen und religiösen Führer, die sich im Präsidentenpalast versammelt hatten, der ersten wichtigen Station seiner Apostolischen Reise in den Libanon, am Sonntag, 30. November. „Hier ist der Friede eine Sehnsucht und eine Berufung, ein Geschenk und eine stets offene Baustelle“, fuhr der Papst fort, der am Eingang des Palastes von einer Licht- und Soundchoreografie empfangen wurde, in der sich libanesische Symbole mit denen des Friedens vermischten, und Tänzer unter strömendem Regen den Dabke, einen libanesischen Volkstanz, aufführte.
Der Tag begann regnerisch, doch kurz vor der Landung des päpstlichen Fluges aus Istanbul auf libanesischem Boden um 15:34 Uhr klarte der Himmel über Beirut auf.
Es waren zwei Kinder, Celine und Tony – ehemalige Patienten des Childern Cancer Center –, die den erwarteten Gast als Erste begrüßten: Celine mit einem Blumenstrauß in der Hand und Tony mit Brot in den Händen. Etwas weiter, entlang des Boulevards, der nach Imad Mughnieh benannt ist, einer Schlüsselfigur der Hisbollah-Partei, der 2008 in Syrien getötet wurde, empfingen Tausende von Pfadfindern der muslimischen Vereinigung „Imam Mahdi” Papst Leo. Sie hatten anlässlch der Einladung der katholischen Kirche zur Begrüßung des Papstes Reinigungsaktionen entlang der Allee organisiert und Willkommensplakate vorbereitet.
Entlang der Straßen vom internationalen Flughafen „Rafik Hariri“ bis zum Präsidentenpalast in Baabda versammelten sich die Libanesen, um denjenigen zu begrüßen, den sie „den Botschafter des Friedens” nennen. Ein viel ersehnter Frieden in einem Klima, das von Vorzeichen geprägt ist, die nach der Abreise des Bischofs von Rom einen neuen Krieg ankündigen und androhen. So wie es nach dem kurzen Besuch von Papst Paul VI. im Libanon und dem apostolischen Besuch von Papst Johannes Paul II. geschehen war.


Im Land der Kanaaiterin

Als das Papamobil den Präsidentenpalast erreichte, setzte erneut starker Regen ein, was in der libanesischen Kultur als glückliches Zeichen und Vorbote des Überflusses gilt.
Der libanesische Präsident Joseph Aoun stellte in seiner Ansprache an den Papst vor einem Publikum aus zivilen und religiösen Würdenträgern, Vertretern der Zivilgesellschaft und Mitgliedern des diplomatischen Corps den Libanon als das Land der Kanaaniterin dar, deren Tochter Jesus aufgrund ihres großen Glaubens geheilt hatte. „Wenn die Christen aus dem Libanon verschwinden würden“, sagte der Staatschef unter anderem, „würde das Gleichgewicht zusammenbrechen, ebenso wie die Gerechtigkeit. Wenn die Muslime verschwinden würden, würde das Gleichgewicht zusammenbrechen, ebenso wie die Mäßigung“. Aoun bat den Papst auch, zu bezeugen, dass der Libanon „der einzige Ort der Begegnung in unserer Region – und ich wage zu sagen, in der ganzen Welt – bleiben wird, an dem eine Versammlung wie diese um den Nachfolger des heiligen Petrus zusammenkommen kann, um gemeinsam alle Kinder Abrahams in der Vielfalt ihres Glaubens und ihrer Zugehörigkeit zu vertreten“.


Die “stets offene Baustelle” des Friedens

Papst Leo bezeichnete in seiner auf Englisch gehaltenen Ansprache den Frieden im Libanon als „stets offene Baustelle” und gab Denkanstöße dazu, „was es bedeutet, Friedensstifter” im Land der Zedern zu sein, „unter sehr komplexen, konfliktgeladenen und unsicheren Umständen“.

Der Papst lud alle ein, den Blick auf eine Eigenschaft zu richten, die die das libanesische Volk auszeichnet: „Sie sind ein Volk, das nicht untergeht, sondern angesichts von Prüfungen stets den Mut findet, sich neu zu erheben. Ihre Widerstandsfähigkeit ist ein unverzichtbares Merkmal echter Friedensstifter: Friedensarbeit ist nämlich ein ständiges Neuanfangen“, betonte er. Und „das Engagement und die Liebe zum Frieden kennen keine Angst vor scheinbaren Niederlagen und lassen sich nicht von Enttäuschungen beugen, sondern behalten Weitblick und vermögen alle Gegebenheiten hoffnungsvoll auf sich zu nehmen und anzunehmen“.


Kollektive Wunden und der Wert des Bleibens

Papst Leo XIV. forderte die Libanesen auf, in ihrer Geschichte nach Wegen zu befragen, um aus den neuen Krisen herauszukommen, die das Land der Zedern heimsuchen: „Fragen Sie sich, woher die beeindruckende Energie stammt, die Ihr Volk nie am Boden und ohne Hoffnung gelassen hat“. Eine Energie, fügte der Papst hinzu, die in die Suche nach Wegen der Versöhnung gelenkt werden müsse, denn es gäbe „persönliche und kollektive Wunden, deren Heilung viele Jahre, manchmal ganze Generationen erfordert“, damit man nicht stehen bleibe, „ein jeder in seinem Schmerz und seinen eigenen Beweggründen gefangen“.
Darüber hinaus hob der Bischof von Rom ein „drittes Merkmal der Friedensstifter hervor: Sie wagen es, zu bleiben, auch wenn dies Opfer erfordert“. Es gebe Momente – so Papst Leo mit ausdrücklichem Bezug auf die Abwanderung junger Libanesen aus ihrer Heimat – „in denen es einfacher ist, zu fliehen, oder es einfach bequemer erscheint, woanders hinzugehen. Es erfordert wirklich Mut und Weitsicht, im eigenen Land zu bleiben oder dorthin zurückzukehren und auch schwierige Bedingungen als der Liebe und Hingabe würdig anzusehen“. „Wir dürfen dennoch nicht vergessen“, betonte er in diesem Zusammenhang, „dass das Bleiben in der Heimat und das tägliche Mitwirken an der Entwicklung einer Zivilisation der Liebe und des Friedens etwas sehr Wertvolles bleibt“.
Am Ende seiner Ansprache erinnerte der Papst an ein „weiteres wertvolles Merkmal“ der jahrtausendealten Tradition des Libanon: „Sie sind ein Volk, das die Musik liebt, die an Festtagen zum Tanz wird, der Sprache der Freude und der Gemeinschaft. Dieser Aspekt Ihrer Kultur hilft uns zu verstehen, dass Friede nicht nur das Ergebnis menschlichen Bemühens ist, so notwendig dies auch sein mag: Der Friede ist ein Geschenk, das von Gott kommt und vor allem in unseren Herzen wohnt. Er ist wie eine innere Bewegung, die nach außen strömt und uns befähigt, uns von einer Melodie leiten zu lassen, die größer ist als wir selbst, nämlich der Melodie der göttlichen Liebe. Wer tanzt, schreitet leichtfüßig, ohne auf dem Boden zu trampeln, und bringt seine Schritte mit denen der anderen in Einklang. So ist der Friede: ein geistbewegtes Unterwegssein, das das Herz hörend und es den anderen gegenüber aufmerksamer und respektvoller werden lässt“.
(Fides 30/11/2025)


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