Papst Leo XVI. in der Türkei und im Libanon: Gebet angesichts der Wunden der Kirche und der Welt

Donnerstag, 27 November 2025 papst leo xiv.   apostolische reise   Ökumene   geschwisterlichkeit  

VaticanMedia

Von Gianni Valente

Rom (Fides) – Auf seiner ersten apostolischen Reise als Nachfolger Petri, die heute mit dem Flug von Rom nach Ankara begann, sieht sich Papst Leo XIV. mit einem Gewirr aus Konflikten, unschuldigem Blutvergießen und Wut, die von Generation zu Generation weitergegeben werden, konfrontiert. Ein Strudel, dessen Epizentrum einmal mehr im Heiligen Land, dem Land Jesu, liegt. Erst vor wenigen Tagen traf ein Luftangriff der israelischen Luftwaffe die Stadt Beirut, eine wichtige Station des Papstbesuchs im Libanon.
Es herrscht gespannte Erwartung darüber, was der im Mai gewählte Bischof von Rom auf seiner ersten apostolischen Reise sagen und tun wird. Mit welchen entwaffneten und endwaffnenden Worten, mit welchen Gesten des Friedens und der Heilung er den Wunden dieser Zeit, des Nahen Ostens, der Kirche und der Welt begegnen wird?
Die Merkmale, die das Lehramt von Papst Leo prägen, die neue Art und Weise, wie er sein Amt ausübt, lassen vermuten, dass es in den nächsten Tagen keine unüberlegten Worte, keine geopolitischen Gesten und keine Zauberrezepte geben wird, die vorgeben, die Knoten, die das Leben ganzer Völker verstricken und belasten, auf magische Weise zu lösen. Keine Versprechungen, die sich auf abstrakte Projekte stützen. Man muss „verschwinden, damit Christus bleibt, sich klein machen, damit er erkannt und verherrlicht wird“, sagte Robert Francis Prevost in seiner ersten Predigt als Papst. Und dieses Kriterium kann den Bischof von Rom auch inspirieren, wenn er aufgefordert ist, angesichts der historischen Prozesse und Umwälzungen, die die Welt und das Leben der Völker durchlaufen, Rechenschaft über die christliche Hoffnung abzulegen.
Kurz vor seiner Abreise gab Leo XIV. wertvolle Anhaltspunkte, die dabei helfen können, den Horizont und die Tragweite seiner ersten apostolischen Reise zu erfassen, die in dem Land beginnt, in dem die Freunde Jesu zum ersten Mal Christen genannt wurden. Und zwar mit dem Apostolischen Schreiben „In unitate fidei“ einem lehramtlichen Text, der ausdrücklich – und ungewöhnlicherweise – im Hinblick auf eine Papstreise veröffentlicht wurde.
Mit diesem Dokument, das anlässlich des 1700. Jahrestages des Konzils von Nizäa (einem Höhepunkt seiner Reise in die Türkei) verfasst wurde, erklärte Papst Leo, er wolle „die ganze Kirche zu neuem Schwung beim Bekenntnis des Glaubens ermutigen, dessen Wahrheit seit Jahrhunderten das gemeinsame Erbe der Christen darstellt und es verdient, stets in neuer und aktueller Form bekannt und vertieft zu werden“ (§1).
In seinem Apostolischen Schreiben bekräftigte der Nachfolger Petri, dass die Christen dazu aufgerufen sind, „einmütig unterwegs zu sein und das empfangene Geschenk mit Liebe und Freude zu bewahren und weiterzugeben“ (§ 1).
Er erinnerte daran, dass die gemeinsame Taufe und das auf dem Konzil von Nicäa verkündete Glaubensbekenntnis alle Christen trotz ihrer Spaltungen nach wie vor vereinen und, dass auch „die Zeiten des Konzils von Nizäa waren nicht weniger turbulent“ waren als die Gegenwart. „Als es im Jahr 325 begann, waren die Wunden der Christenverfolgungen noch nicht verheilt“, so der Papst. „Gleichwohl kam es in der Kirche nach dem Ende der äußeren Bedrohungen schon bald zu Auseinandersetzungen und Konflikten“ betont er. „Arius, ein Presbyter in Alexandrien, lehrte, Jesus sei nicht der wahre Sohn Gottes, wenn auch kein bloßes Geschöpf. Er sei ein Zwischenwesen, zwischen dem unerreichbar fernen Gott und uns... Das passte in die zu jener Zeit weit verbreitete Mentalität und erschien daher plausibel“. (§3).
Im Text von „In unitate fidei” erinnerte Papst Leo daran, dass während des arianischen Streits der Glaube der Apostel vor durch die Rechtgläubigkeit der Laien gegenüber dem Arianismus bewahrt wurde und zitiert den heilige Hilarius von Poitiers, der anerkennt, dass »die Ohren des Volkes heiliger sind als die Herzen der Priester«
So hat Papst Leo, unter Bezugnahme auf die „elementaren“ Merkmale der gemeinsamen Taufe und des gemeinsamen Bekenntnisses zu Christus, dem fleischgewordenen Wort Gottes, auch den Horizont seiner Mission und der Mission der Kirche im Nahen Osten und in der ganzen Welt in diesen schwierigen Zeiten aufgezeigt.
Mit seiner Reise in die Türkei und in den Libanon und seinem Besuch an der Stelle, an der das antike Nizäa stand, und auf den Spuren von Papst Franziskus schlägt Leo XIV. allen eine „Rückkehr zu den Quellen” der Einheit der Christen vor. Er wiederholt, dass die Christen nur dann den Weg der Einheit wiederfinden können, wenn sie gemeinsam den in Nizäa definierten gemeinsamen Glauben bekennen und der Welt das Geschenk der Taufe darbringen und um Vergebung für die Spaltungen bitten. Es bedarf keiner Strategien kirchlicher Manipulation, keiner Pläne kultureller Vorherrschaft. Auch in der Gegenwart spaltet die weltliche Logik die Christen, wie die Zerwürfnisse beweisen, die in jüngster Zeit die Brüder der orthodoxen Kirchen getrennt haben, die in Bruderkriege verwickelt waren.
Nur wenn sie sich auf das gemeinsame Bekenntnis des in Nizäa verkündeten Glaubens stützen, können der Bischof von Rom und alle Getauften allen Menschen Wege der Einheit aufzeigen. Alle, Gläubige und Atheisten, können den Weg der Geschwisterlichkeit beschreiten, an die auch Papst Franziskus immer wieder erinnerte, angesichts dessen, was er als „Dritten Weltkrieg in Stücken” bezeichnet hat. Nur wenn sie aus den Quellen der Taufgnade schöpft, kann sich die Kirche der Welt als Zeichen und Sakrament der Einheit für die gesamte Menschheit zeigen, wie es das Zweite Vatikanische Konzil gelehrt hat.
(Fides 27/11/2025)


Teilen: