AFRIKA - "Neokolonialismus in der Fischerei": Fischfang in den westafrikanischen Ländern steckt in der Krise

Donnerstag, 10 Juli 2025 kolonialismus   wirtschaft   migranten   ausbeutung  

photo nigrizia.it

Von Cosimo Graziani

Banjul (Fides) - In den westafrikanischen Ländern steckt die lokale Fischereiindustrie in der Krise. Daran sind auch die europäischen Länder schuld. Das hat der gambische Aktivist Mustapha Manneh auch auf der Weltozeankonferenz der Vereinten Nationen beklagt, die dieses Jahr vom 9. bis 13. Juni in Nizza stattfand.
Kern des Problems ist der Fang einheimischer Arten zur Herstellung von Fischfutter für Aquakulturfarmen in Griechenland und der Türkei. Das Phänomen betrifft die gesamte Region und weist dieselben Merkmale auf: Lokale Arten wie Sardinen oder Bonga-Hering werden in großen Mengen gefangen und vor Ort zu Fischfutter für die Aquakultur verarbeitet; das produzierte Material wird in die Türkei, nach Griechenland und China verschifft (dies sind die derzeit bekannten Bestimmungsorte), wo es in Fischfarmen verwendet wird; die gezüchteten Fische, sind im Falle der türkischen Farmen vor allem Seebrassen und Barsche. Diese Zuchtfische gelangen in die Läden der Zielländer und auf die Tische der Verbraucher, ohne dass diese wissen, dass die verzehrten Filets soziale und wirtschaftliche Probleme für ganze Bevölkerungsgruppen auf dem afrikanischen Kontinent verursachen, wo in der Zwischenzeit Hunderte von Familien die einzige Einkommensquelle verloren, die sie hatten.
Wie Manneh betont, können die Fischer nicht mehr genug Fisch nach Hause bringen, um ihre Familien zu ernähren, und müssen immer höhere Treibstoffkosten aufbringen: Konnten sie früher in kürzerer Zeit große Mengen Fisch fangen und dabei nur zwanzig Liter Diesel verbrauchen, so müssen sie jetzt, um sicher zu sein, dass der Fang genügend Ertrag bringt, länger wegbleiben, und die benötigte Treibstoffmenge hat sich mindestens verdreifacht.
Die Fischer sind nicht die Einzigen, die es hart getroffen hat: Ein ganzes soziales Gefüge ist durch dieses Problem in Mitleidenschaft gezogen worden.
Im Senegal und in Gambia wurde der Fisch von den Männern gefangen und von den Frauen verkauft, ein System, das auf seine Weise auch für relative soziale und wirtschaftliche Gleichheit sorgte. Nun, da der Fang knapp ist, sind in vielen Fällen die Märkte verschwunden und damit auch die von Frauen betriebenen Verkaufsstände, die nun andere Einkommensquelle finden müssen.
Ein weiteres Problem, mit dem sich die Fischer in Westafrika in den letzten Jahren konfrontiert sahen, ist die Präsenz von Fischerbooten aus anderen Ländern - beispielsweise aus China - die die Verfügbarkeit von Fisch zum Fangen erheblich reduzieren. In Guinea-Bissau verwenden die aus anderen Ländern kommenden Fischerboote häufig die Grundschleppnetzfischerei, die aufgrund der Schäden, die sie an den Ökosystemen anrichten kann, verboten ist.
Die Anwesenheit ausländischer Fischereiboote in den Gewässern afrikanischer Länder wird häufig durch Abkommen geregelt, wie sie die Europäische Union mit diesen Ländern geschlossen hat. Laut Manneh wird ihre Anwesenheit in Gambia von der lokalen Bevölkerung, insbesondere von jungen Menschen, mit wachsender Abneigung wahrgenommen. Die EU hat das letzte einer langen Reihe von Fischereiprotokollen mit Gambia im Jahr 2019 unterzeichnet, die am 30. Juli auslaufen. In diesem Protokoll wurde festgelegt, dass Schiffe aus Spanien, Griechenland und Frankreich gegen eine jährliche Gebühr von 550.000 Euro in den gambischen Hoheitsgewässern fischen dürfen, eine Gebühr, mit der unter anderem Maßnahmen zum Schutz des Meeresökosystems finanziert werden sollten.
Ähnliche Abkommen wurden auch mit anderen Ländern der Region geschlossen: Im Fall von Guinea-Bissau wurde das Abkommen im April letzten Jahres vom Europäischen Parlament gebilligt und sieht eine Entschädigung von bis zu hundert Millionen pro Jahr vor. Parallel zu diesem Abkommen hat das Parlament eine Empfehlung angenommen, in der die Europäische Kommission und Guinea-Bissau aufgefordert werden, die Fischereikontrollen in den Hoheitsgewässern des afrikanischen Landes zu verbessern.
Die Fischereikrise in westafrikanischen Ländern trägt auch dazu bei, die illegale Auswanderung nach Europa anzuheizen. Von den Küsten Senegals aus ist es möglich, die Kanarischen Inseln zu erreichen, die zu Spanien gehören. Während das Erreichen der Kanarischen Inseln für viele eine Alternative zur Armut darstellt, werden andere aus demselben Grund zu Schleusern und verdienen ihr Geld mit dem Transport von Migranten. In Gambia kann der Verdienst für eine einzige Fahrt mit einem Boot voller Migranten bis zu 200.000 Euro einbringen, eine unvorstellbare Summe für einen gambischen Fischer.
(Fides 10/7/2025)


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