AFRIKA/NIGER - “Mögliche militärische Intervention ist nicht nur ein Bluff, wäre aber die schlechteste Lösung“

Freitag, 4 August 2023 putsch   soldaten  

Niamey (Agenzia Fides) - "Ich glaube nicht, dass es sich um einen Bluff handelt", sagt Rahmane Idrissa, Niger-Experte der Universität Leida, über eine mögliche Militärintervention der Wirtschaftsgemeinschaft Westafrikanischer Staaten (ECOWAS) in Niger, um Präsident Mohamed Bazoum zu befreien und die Militärjunta zu stürzen, die die durch einen Putsch die Macht übernommen hat.
Zu den größten Befürwortern der ECOWAS/ECOWAS-Militärintervention gehörte zunächst der nigerianische Präsident Bola Tinubu. "Ich glaube keineswegs, dass Tinubu ein Handlager der westlichen Politik ist, wie manche vermuten. Man kann höchstens von einer Konvergenz der Ansichten (und nicht der Interessen) zwischen Nigeria und den westlichen Ländern, insbesondere der Regierungen in Paris und Washington, sprechen", sagt Idrissa.
"Tinubu ist daran interessiert, das Image von ECOWAS/ECOWAS wiederherzustellen, auch aus 'panafrikanischen' Gründen und zweifellos, um das Ansehen Nigerias zu stärken", erklärt der Wissenschaftler. "Er hat seine Drohungen jedoch etwas voreilig ausgesprochen, ohne sich die Zeit genommen zu haben, zu verstehen, was in Niger und den frankophonen Ländern Westafrikas geschieht. Daher weiß er inzwischen, dass eine Einmischung vielleicht doch keine gute Idee ist".
„Denn“, so Idrissa weiter, "der Einfluss von Paris und Washington, die auf einer vollständigen Wiedereinsetzung von Bazoum bestehen, hat viele Nachteile. Eine Wiedereinsetzung ist politisch undenkbar, vor allem, weil dadurch auch die Partei des Präsidenten, die ‚Parti nigérien pour la démocratie et le socialisme‘ (PNDS-Tarayya), wieder an Einfluss gewinnen würde. Die Realität hat sich in der Tat durch Gewalt verändert, aber Gewalt kann sie nicht zurücksetzen. Die ideale Lösung wäre die Rückkehr zu einer nigrischen Tradition: der Putsch als Teil der Neuerfindung und Erneuerung des politischen Prozesses, wie ein Computer, der neu gestartet wird", sagt Idrissa.
"Die PNDS wäre von einem solchen Prozess nicht ausgeschlossen, aber ohne dabei die dominante Position zu behalten, die sie bisher vielfach missbraucht hat", so der Wissenschaftler weiter. "Ich bezweifle, dass die Militärjunta in Niamey ein Abkommen ablehnen würde, das die Aufhebung der Sanktionen als Gegenleistung für die Aktivierung eines solchen politischen Prozesses vorsieht, und mit Garantien für Nigeria, vielleicht durch ECOWAS/ECOWAS-Beobachter (insbesondere Nigerianer), die in Niamey stationiert sind - das wäre das auch für Tinubu eine Möglichkeit, sein Gesicht zu wahren".
Die "Besessenheit der westlichen Mächte von Russland" bleibe bestehen. „Trotz der Nähe zu nationalistischen Ideologen ist Russland kein wichtiger Faktor in der Gleichung für Niger", sagt Idrissa. „Die Besuche von Salifou Modi (einem der Putschisten) in Bamako sollten diesen Eindruck nicht erwecken". "Die Idee dieser Besuche ist es, die Bedingungen für eine kollektive Sicherheit mit Mali (und dann Burkina Faso) zu schaffen, aber keinesfalls Niger der "Wagner-Gruppe" zu überlassen", sagt Idrissa und bezieht sich dabei auf die Aktivitäten der russischen Wagner-Gruppe, die die Putschisten in Mali und Burkina Faso "unterstützt". "Modi arbeitete bereits zur Zeit von Präsident Bazoum an dieser Idee, und seine Besuche in Bamako bedeuten nicht unbedingt, dass er ein Planer des Putsches war", bekräftigt der Forscher.
"Es ist noch zu früh, um genau zu sagen, wie der Putsch begonnen hat, aber Tatsache ist, dass er Möglichkeiten geschaffen hat, die es vorher nicht gab. Das Ideal wäre es, diese Möglichkeiten vernünftig zu nutzen und die Temperatur der politischen Positionen zu senken, nicht nur in Niamey und Abuja, sondern auch in Paris und Washington", so Idrissa, der abschließend feststellt: "Das Ideal tritt selten ein, aber das Gegenteil dieses Ideals (im besten Fall verlängerte Sanktionen, im schlimmsten Fall eine bewaffnete Intervention) ist zu düster, um akzeptabel zu sein“.
(L.M.) (Fides 4/8/2023)


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