AFRIKA/NIGERIA - Nach Massaker an 17 Soldaten: Welche Rolle spielt das Militär im Leben des Landes?

Mittwoch, 10 April 2024 soldaten   gewalt   bischöfe  

Abuja (Fides) - Welche Rolle spielt das Militär im Leben des Landes? Diese Frage stellt man sich in Nigeria nach dem Massaker, das am 14. März an insgesamt 17 Soldaten, darunter vier Offiziere, von der jugendlichen Bevölkerung des Dorfes Okuama im Bundesstaat Delta im Süden des Landes verübt haben.
Offiziell hatten die Soldaten eingegriffen, um einen Streit zwischen der Gemeinde Okuama und der eines Nachbardorfes zu schlichten. Laut Zeugenaussagen eskalierte die Situation irgendwann und Jugendliche aus dem Dorf griffen die Soldaten an. Andere Soldaten griffen später als Reaktion auf das Massaker an ihren Kameraden ein und verübten Repressalien gegen die Zivilbevölkerung. Das Gebiet, in dem das Massaker stattfand, ist bekannt für Öldiebstahl und die Präsenz der Separatisten der „Indigenous People of Biafra“ (IPOB), einer von den nigerianischen Behörden verbotenen Gruppe. Die IPOB gab eine Erklärung ab, in der es heißt, die Einwohner von Okuama hätten die Soldaten zunächst friedlich empfangen, dann aber rebelliert, als die Soldaten versuchten, einige örtliche Anführer zum Verhör mitzunehmen. Eine andere Version besagt, dass eine bewaffnete Gruppe in Tarnanzügen mit Booten kam und das Feuer auf Soldaten und Zivilisten eröffnete.
Dem Militär gelingt es trotz seiner allgegenwärtigen Präsenz nicht, die zahlreichen Entführungen, Morde und andere Verbrechen zu stoppen, die weite Teile Nigerias in Unsicherheit stürzen. Der Bischof von Sokoto, Matthew Kukah, fragte sich in seiner Osterbotschaft: "Wie können wir sagen, dass wir uns in einer zivilisierten Demokratie befinden, wenn das Militär buchstäblich wie eine Besatzungsarmee aussieht, die sich wie eine Krake über alle 36 Bundesstaaten und die Bundeshauptstadt Abuja erstreckt". "Es ist schwer zu verstehen, warum das Militär in unserem Land allgegenwärtig ist", betonte der Bischof von Sokoto und fügte hinzu, dass dies "sehr ernste Folgen für ihre Professionalität, ihre Integrität und ihre wahrgenommene Rolle beim Schutz der Gesellschaft hat."
Nach Ansicht von Bischof Kukah ist es notwendig, dass die Führung des Staates, sich um eine klare Strategie zur Lösung der allgemeinen Unsicherheit im Land zu bemühen. "Die Bekämpfung der Unsicherheit ist heute eine Herausforderung. Ich glaube, dass unsere Männer und Frauen von den Sicherheitsdiensten diese Kriminellen innerhalb weniger Monate besiegen können. Alles, was wir hören und sehen, sind die Finger, die nach oben zeigen", sagt der Bischof und verweist auf die höchsten Behörden des Staates.
Die von der Erzdiözese Lagos herausgegebene katholische Wochenzeitung „Catholic Herald Weekly“ veröffentlicht eine ausführliche Analyse über den Zustand der Beziehungen zwischen der Zivilgesellschaft und dem Militär. Dem Autor Olu Fasan zufolge sind die Beziehungen zwischen Zivilgesellschaft und Militär in Nigeria insbesondere von drei Faktoren geprägt. Erstens sei Nigeria zwar ein Staat, aber keine Nation, verstanden als eine zusammenhängende Gemeinschaft, die "ein Zugehörigkeitsgefühl und ein starkes Gefühl einer gemeinsamen und ungeteilten nationalen Identität hat". Zweitens sei Nigeria ein fragiler Staat, dem "die Fähigkeit fehlt, mit Sicherheitsbedrohungen durch organisierte und nichtstaatliche Gewalt umzugehen". Und drittens hätten Militär und Polizei durch Korruption und Massaker in der jüngsten Vergangenheit das Vertrauen und den Respekt der Bevölkerung verspielt.
(L.M.) (Fides 10/4/2024)


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