von Luca Mainoldi
Kampala (Fides) - Die Gruppe, die für das Massaker in der Schule von Lhubiriha (Bezirk Kasese im Westen Ugandas) in der Nacht vom 17. auf den 18. Juni verantwortlich ist (vgl. Fides 19/6/2023), hat eine komplexe Geschichte und hat mehrmals ihren Namen geändert.
Die ADF (Allied Democratic Forces) entstanden um 1995 aus dem Zusammenschluss zweier Gruppen, die jeweils unterschiedliche ideologische Grundlagen hatten.
Bei den ersten Mitgliedern der ADF-Milizen handelte es sich um ehemalige Mitglieder der Sekte Tablighi Jamaat, die mindestens seit den 70er Jahren in Uganda aktiv war und nach dem Sturz von Idi Amin im Jahr 1979 finanzielle Unterstützung aus dem Sudan erhalten hatte. Die islamische Tabligh entstand Anfang des 20. Jahrhunderts im britisch beherrschten Indien als konservative Bewegung zur Wiederbelebung islamischer Werte und Praktiken, die einen starken Schwerpunkt auf die Missionsarbeit legte. Obwohl die meisten Tabligh-Anhänger den bewaffneten Dschihadismus ablehnen, haben sich einige ihrer Mitglieder radikal-islamischen Gruppierungen angeschlossen.
In Uganda bekannten sich einige Mitglieder der Tablighi Jamaat zum Salafismus und gingen mit Stipendien zum Studium nach Saudi-Arabien. Zu ihnen gehörte auch Jamil Mukulu, der später der Anführer der ADF wurde. Er stammte aus einer christlichen Familie, konvertierte in seiner Jugend zum Islam, ging zum Studium nach Riad und kehrte mit einer militanten Auffassung des Islam nach Uganda zurück.
Nachdem er 1994 von den örtlichen Behörden zunächst inhaftiert worden war, gründete Mukulu nach seiner Freilassung n Hoima im Westen Ugandas die Bewegung „Ugandan Freedom Fighters Movement“ (UFFM), die von der sudanesischen Regierung unterstützt wurde, die sich zu dieser Zeit mit der ugandischen Regierung im Konflikt war.
Als ihre Camps im Jahr 1995 von der ugandischen Armee angegriffen wurden, floh Mukulu nach Kenia, während ein anderer UFFM-Anführer, Yusuf Kabanda, die Gruppe in den Osten des damaligen Zaire, der heutigen Demokratischen Republik Kongo, umsiedelte. Hier schloss Kabanda ein Bündnis mit ugandischen Rebellengruppe „National Army for the Liberation of Uganda“ (NALU). Die NALU übernahm die frühere ugandische Rebellion der Rwenzururu-Milizen, deren Ziel es war, die traditionelle Vormacht der Bakonjo und Baamba-Gemeinschaften im Westen Ugandas wiederherzustellen. Diese ethnischen Gruppen sind mit den ethnischen Gruppen der Nande und Talinga im Osten der Demokratischen Republik Kongo verbunden, mit denen sie Sprache und Kultur teilen.
Aus dem Zusammenschluss der beiden Gruppen ging die ADF-NALU hervor, die sich in die komplexe Dynamik im Osten der DRK einfügte und vom damaligen zairischen Präsidenten Mobutu Sese Seko unterstützt wurde, um einen Stellvertreterkrieg gegen das ugandische Regime von Yoweri Museveni zu führen. Nach dem Sturz von Mobutu musste die ADF-NALU in die Bambuba-Kisika-Gruppierung nördlich der Stadt Beni umziehen, wo sie Beziehungen zur einheimischen Vuba-Bevölkerung aufbaute. Viele Vuba schlossen sich schließlich der ADF-NALU an, während die Rebellenführer Frauen dieser ethnischen Gruppe heirateten und Geschäfte im Land-, Gold- und Holzhandel machten.
Nach einem Auf und Ab gab die säkulare Komponente der ugandischen Rebellion (die NALU-Gruppe) im Jahr 2007 dank einer Vereinbarung mit der ugandischen Regierung über die Anerkennung des Königreichs Rwenzururu den bewaffneten Kampf auf. Die Führung der ADF verstärkte hingegen die radikal-islamistische Ausrichtung und führte in ihren Reihen ein strenges, auf der Scharia basierendes Regime ein. Als Reaktion auf die Operationen des kongolesischen Militärs zur Neutralisierung der ADF, die sich zwischen Nord-Kivu und Ituri (zwei ostkongolesischen Provinzen) etabliert hatte, reagierte diese mit grausamen Repressalien gegen die Zivilbevölkerung. Unter anderem wurden bei den Überfällen auf kongolesische Dörfer mehrere Kinder entführt und anschließend in die Reihen der ADF rekrutiert, so dass die Gruppe, obwohl ihre Führung weiterhin ugandischer Herkunft ist, auch kongolesischen Kämpfer in ihren Reihen zählt, darunter Soldaten, die noch Kinder sind, und andere, die inzwischen erwachsen sind.
Trotz der Betonung des "islamistischen" Charakters ihrer Gruppe ist die ADF weiterhin mit anderen lokalen bewaffneten Gruppen, wie der Vuba-Miliz, verbündet und arbeitet sogar zeitweise mit der kongolesischen Armee zusammen.
Im Jahr 2019 gaben die ADF ihre Zugehörigkeit zum Islamischen Staat bekannt und nannten sich fortan „Madina in Tauheed Wau Mujahedeen“ (MTM). Mit der Veröffentlichung von Propagandavideos in Kisuaheli, Luganda, Arabisch, Französisch und Kinyarwanda versuchte die Bewegung ein größeres Publikum in Ostafrika zu erreichen.
Die Verbindungen zwischen der ADF und dem Islamischen Staat sind nicht nur Propaganda. Bislang ging man davon aus, dass der Islamische Staat lediglich einige der Aktionen der ADF als seine "zentralafrikanische Provinz" (ISCAP) beansprucht.
In einem Mitte Juni 2023 veröffentlichten UN-Bericht heißt es jedoch, dass der Islamische Staat "die ADF seit mindestens 2019 finanziell unterstützt, und zwar durch ein komplexes System der Finanzierung, an dem Personen in mehreren Ländern des Kontinents beteiligt sind, von Somalia über Südafrika, Kenia und Uganda". Darüber hinaus haben die ADF "Kämpfer und/oder Kollaborateure auf Aufklärungsmissionen geschickt, um ihr Operationsgebiet über die Provinzen Nord-Kivu und Ituri hinaus auszuweiten", wobei sie Angriffe bis in die kongolesische Hauptstadt Kinshasa planten.
(Fides 24/6/2023)