AFRIKA/NIGERIA - Bischof von Sokoto: “Das Zusammenleben von Muslimen und Christen ist möglich”

Donnerstag, 23 Oktober 2025 dschihadisten   gewalt   ortskirchen   bischöfe   dialog  

Abuja (Fides) – „In Sokoto haben wir kein Problem mit Verfolgung, aber wir stellen Einschränkungen unserer Freiheit fest“, sagt Bischof Matthew Hassan Kukah von Sokoto im Norden Nigerias im Interview mit Fides.
Sokoto, Hauptstadt des gleichnamigen Bundesstaates, ist ein überwiegend muslimisches Gebiet, in dem das Zusammenleben mit der christlichen Minderheit durch die Gewalt radikalislamischer Gruppen gefährdet ist. Dennoch lehnt es Bischof Kukah vom „Kampf der Religionen“ zu sprechen.

Exzellenz, wie ist die Lage in Ihrer Diözese?

In Sokoto haben wir kein Problem mit Verfolgung. Da wir in einem überwiegend muslimischen Umfeld leben, haben wir eher Probleme mit Einschränkungen der Freiheit. Diese betreffen jedoch nicht die Religionsfreiheit. Wir haben beispielsweise keine Probleme damit, auf den Straßen von Sokoto eine Prozession mit dem Allerheiligsten Sakrament abzuhalten. Die einzigen Bereiche, in denen es Einschränkungen gibt, betreffen den katholischen Religionsunterricht an öffentlichen Schulen und die Genehmigungen für den Bau neuer Kultstätten. Das sind Hindernisse, die vor allem auf bürokratischer Ebene auftreten. Ich bin der Meinung, dass wir diese Fragen durch Dialog und Verhandlungen lösen können.
Generell können wir also sagen, dass wir keine ernsthaften Probleme haben. Wir haben freundschaftliche Beziehungen zu den Muslimen. Ich selbst habe gute Freunde, die dem islamischen Glauben angehören. Wir arbeiten gut mit dem Gouverneur des Bundesstaates zusammen, der Muslim ist.

Was sind Ihrer Meinung nach die Wurzeln der dschihadistischen Gewalt im Norden Nigerias?

Meiner Meinung nach gibt es zwei Ursachen. Vor der Entstehung des modernen Nigeria im 19. Jahrhundert gab es im heutigen Nordnigeria ein muslimisches Kalifat, das sich über weite Teile der heutigen Länder Mali, Tschad, Niger und Burkina Faso erstreckte. Der britische Kolonialismus zerstörte dieses islamische Reich und hinterließ einen Groll, der bis heute in der lokalen islamischen Bevölkerung fortbesteht. Mit den Briten kam auch der christliche Glaube. Heute führt die Unkenntnis der Geschichte unseres Landes dazu, dass viele Muslime das Christentum mit dem Kolonialismus in Verbindung bringen. Doch dieMissionare kamen nicht, um zu erobern, sondern um der lokalen Bevölkerung zu helfen, während die Kolonialisten mit der Absicht kamen, Ressourcen aus unserem Land zu gewinnen.
Der zweite Faktor, der mit dem ersten zusammenhängt, ist die Entschlossenheit der Muslime im Norden Nigerias, eine westlich geprägte Bildung zu erhalten. Diese Haltung wird von der Bundesregierung gefördert, die seit den 1960er Jahren darauf besteht, Maßnahmen zu ergreifen, damit jedes nigerianische Kind Zugang zur Bildung erhält. Trotzdem gibt es derzeit etwa 20 bis 25 Millionen Kinder und Jugendliche in Nigeria, die keinen Zugang zu einer Schule haben. Davon leben 90 Prozent im Norden Nigerias, wo viele arme Familien befürchten, dass ihre Kinder durch den Schulbesuch zum Christentum konvertieren könnten. Dies geschieht, während die Kinder der muslimischen Elite im Norden eine hervorragende Ausbildung erhalten; diese Elite berücksichtigt jedoch nicht das allgemeine Problem, der gesamten Bevölkerung der Region eine angemessene Bildung zu bieten.
Das Problem entstand also hier bei uns, wo den Menschen viele Unwahrheiten über den christlichen Glauben eingeimpft wurden. Das führt dazu, dass Teile der muslimischen Bevölkerung bei aufwühlenden Ereignissen ihre Wut und Frustration an der christlichen Minderheit auslassen, indem sie beispielsweise eine Kirche anzünden.
Diese Situation wurde von „Boko Haram“ (was „westliche Bildung ist verboten” bedeutet) ausgenutzt, um Kämpfer unter der Bevölkerung im Norden zu rekrutieren. Ich möchte jedoch betonen, dass die Gewalt der Dschihadisten mehr Todesopfer unter Muslimen als unter Christen gefordert hat. Das belegen die Statistiken.

In den Vereinigten Staaten gibt es Bestrebungen, ein Bundesgesetz einzuführen, um Sanktionen gegen die nigerianische Regierung zu verhängen, der vorgeworfen wird, Christen nicht zu schützen. Was halten Sie davon?

Was ich sagen kann, ist, dass sie ein Narrativ aufgreifen, wonach Christen verfolgt werden. Das können wir nicht leugnen, aber es muss betont werden, dass die schlimmste Situation zwischen 2014 und 2023 während der Präsidentschaft von Muhammadu Buhari herrschte, der das traditionelle Gleichgewicht zwischen Muslimen und Christen in den hohen Ämtern des Staates nicht respektierte und vor allem hochrangige muslimische Offiziere an die Spitze der verschiedenen Sicherheitsapparate stellte. Dies führte dazu, dass die Dschihadisten das Gefühl hatten, der Islam sei die vorherrschende Religion des Landes. Sie fühlten sich dadurch ermutigt, ihren gewaltsamen Kampf zu intensivieren. Seit 2023 hat sich mit dem neuen Präsidenten Bola Tinubu, einem Muslim, der mit einer Pastorin einer Pfingstkirche verheiratet ist, eine spürbare Veränderung vollzogen, da er viel entschlossener erscheint, die Demokratie und die Menschenrechte aller Nigerianer zu schützen. Ich bin zuversichtlich, dass wir in Nigeria wieder ein friedliches Zusammenleben aller Bevölkerungsgruppen des Landes erreichen können.
(L.M.) (Fides 23/10/2025)


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