AFRIKA/ÄTHIOPIEN - Bischof von Adigrat befürchtet Nachlassen der Aufmerksamkeit für Tigray: „Unsere Weltordnung scheint einer ernsthaften Veränderung zu bedürfen”

Montag, 23 Oktober 2023

Adigrat (Fides) - "Unsere Weltordnung scheint einer ernsthaften Veränderung zu bedürfen, sonst werden die Folgen immer mehr die schwächsten Menschen treffen, die die ersten Verlierer sein werden", schreibt der Bischof der katholischen Eparchie von Adigrat, Tesfaselassie Medhin, an Fides. "Es ist wirklich traurig, Zeuge der Kriegsszenarien zu werden, die überall auf der Welt immer schlimmer werden", fährt er fort. „Jetzt, wo das Rampenlicht vor allem auf die Krise im Nahen Osten gerichtet ist, wollen wir nicht, dass Tigray in Vergessenheit gerät, während in der nördlichen Region Äthiopiens seit fast drei Jahren Menschen in einem Krieg sterben (vgl. Fides 3/12/2020)."
Trotz des Friedensabkommens, das im November 2022 in Pretoria, Südafrika, unterzeichnet wurde (vgl. Fide 03/11/2022), habe das Zusammenspiel mehrerer Ursachen zu einer schrecklichen humanitären Krisensituation geführt. Anhaltende Blockaden der Zugänge für humanitären Hilfe, die Besetzung von Tigray durch ausländische Kräfte, die alle Arten von Gewalt verursacht sowie Vertreibung, Stagnation der politischen Lösungen und die Auswirkungen der zunehmenden Dürre, die durch den Klimawandel verursacht wird, und nicht zulezt der schlechte Zugang zu Ressourcen wie Wasser und Bewässerungssysteme sind nur einige der prekären Situationen auf die der Bischof hinweist.
"Unsere Bevölkerung führt in Tigray ein äußerst schwieriges Leben. Weit mehr als eine Million Menschen (ältere Menschen, Frauen, Kinder) leben seit Beginn des Krieges im Jahr 2020 unter katastrophalen Bedingungen in Zelten und behelfsmäßigen Schulgebäuden", beklagt Bischof Medhin. „Über eine Million Menschen sind gestorben. Allein in den letzten zwei Wochen trauern alle Familien um den Verlust von Familienmitgliedern, die als Krankenschwestern, Studenten, Lehrer, Ärzte, Ingenieure ihr Zuhause verlassen haben, um zu arbeiten und Leben zu retten".
Der Konflikt habe verheerende Auswirkungen auf die landwirtschaftliche Infrastruktur, einschließlich der Bewässerungssysteme, der landwirtschaftlichen Betriebe und des Viehbestands. "Dies hat die ohnehin prekären landwirtschaftlichen Praktiken gestört, was zu einem Rückgang der landwirtschaftlichen Produktion geführt und die Ernährungsunsicherheit und Unterernährung weiter verschärft hat", betont der Bischof von Adigrat. "Hunderttausende von Menschen waren gezwungen, ihre Häuser zu verlassen und ihre Höfe aufzugeben, so dass das Land aufgrund der Dürre noch unbewirtschaftet blieb. Viele Bauern wurden von ihrem Land vertrieben, so dass sie ihre landwirtschaftliche Tätigkeit nicht fortsetzen können. Wasserinfrastrukturen wie Brunnen, Reservoirs und Bewässerungssysteme wurden während des Konflikts beschädigt oder zerstört, wodurch die Wasserversorgung für die Landwirtschaft und den menschlichen Konsum unterbrochen wurde. Die Zerstörung der Wälder und der Vegetation verschlimmert die Dürresituation, da die Wasserrückhaltung und die Grundwasserneubildung verringert werden. Unser diözesanes Koordinationsbüro versucht zusammen mit seinen internationalen Partnern, die Wassersysteme und -quellen zu reparieren und das Wasser mit Fahrzeugen zu verteilen."
"Es ist schrecklich, dass ausgerechnet die arme Bevölkerung, die vom Krieg erdrückt wird und keine Nahrungsmittelhilfe erhält, darunter leidet", fährt der Bischof fort. „Die Folgen dieses bewaffneten Konflikts haben die ohnehin schon prekären Dürrebedingungen noch verschlimmert und zu erhöhter Ernährungsunsicherheit, Unterernährung, Medikamentenmangel und Wasserknappheit geführt. Die Bewältigung sowohl des Konflikts als auch der Dürre ist entscheidend für die Rettung von Menschenleben, den Wiederaufbau der Region, die Wiederherstellung der Landwirtschaft und das Wohlergehen der betroffenen Bevölkerung“.
Bischof Medhin schließt mit den Worten, dass der Frieden weiterhin in Gefahr ist, wenn nicht sofort bestimmte Maßnahmen ergriffen werden. Der Erzbischof drängt in diesem Zusammenhang auf die vollständige Umsetzung des Friedensabkommens von Pretoria, insbesondere auf den Abzug der Truppen aus Tigray und die Rückkehr der mehr als eine Million Binnenvertriebenen in ihre Häuser und Bezirke sowie die Wiederherstellung der humanitären Nahrungsmittelhilfe.
„Die internationale Gemeinschaft muss ihr Schweigen brechen", schließt er, "Tausende von Menschen sterben weiterhin. Gewalt und Zusammenstöße grassieren auch in anderen Regionen Äthiopiens, und die leidenden Menschen überall brauchen Frieden, Nahrung, Grundversorgung und Gerechtigkeit."
(MT/AP) (Fides 23/10/2023)


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