ASIEN/AFGHANISTAN - “Keine Religion ruft zum Töten auf”

Mittwoch, 16 Juni 2021 kriege   frieden   islam   religion  

Kabul (Fides) - "Frieden ist unsere religiöse Pflicht, ein Bedürfnis der Politik, eine Forderung der ganzen Nation“, so die Vertreter der Kampagne „StopAfghanWar“. Vor zwei Tagen wurde die Initiative in den sozialen Medien von einigen afghanischen Nichtregierungsorganisationen gestartet. Die Kampagne „ruft zunächst zu einem Waffenstillstand auf. Das ist unsere Forderung seit vielen Monaten und wird es auch bleiben, bis die Gewalt aufhört“, betont Roshan Siran, Direktorin der „Training Human Rights Association for Afghan Women“ (THRA), gegenüber der Fides. Die Kampagne hat laut Siran auch eine politische Botschaft: „Wir wollen nicht, dass Entscheidungen über unsere Zukunft von anderen Ländern getroffen werden, von Akteuren außerhalb der afghanischen Gesellschaft. Wir sind da, als Frauen wollen wir gehört werden, wir lassen uns von anderen keine Entscheidungen aufzwingen“, sagt sie.
Die Kontaktgruppe der afghanischen Regierung trifft sich unterdessen erneut mit der Taliban-Delegation in Doha, Katar, wo am 12. September 2020 der innerafghanische Dialog begann. Bisher wurde jedoch nur eine Vereinbarung über die zu befolgenden Verfahren erzielt. "Aber die Gewalt im Land nimmt von Tag zu Tag zu und die Regierungsdelegation hat keine klare Strategie", so Siran. Der THRA-Direktorin zufolge „kann man den Taliban nicht trauen. Sie sagen, sie kämpfen für den Islam, aber von welchem Islam sprechen wir? Unsere Gesellschaft ist zutiefst islamisch, religiös. Es gibt keine wahre Religion, die zum Töten aufruft".
Auch für Mary Akrami, Direktorin des „Afghan Women Network“, ist ein Waffenstillstand unverzichtbar. „Ohne die echte, sinnvolle Beteiligung von Frauen und Gesellschaft am Verhandlungsprozess kann es keinen dauerhaften Frieden geben ", erklärt sie gegenüber Fides. Für Akrami ist die Art und Weise, wie der Friedensprozess stattfindet, für afghanische Frauen nicht akzeptabel: Es liegt alles in den Händen der üblichen Anführer, die bereits Protagonisten der vergangenen Kriege waren". Es sollten Vertreter der Zivilgesellschaft beteiligt werden, denn „sie vertreten nicht uns, noch weniger die Taliban." Aus diesem Grund bittet die Direktorin des „Afghan Women Network“ um die Aufmerksamkeit der internationalen Gemeinschaft. Der bis zum 11. September erwartete Abzug ausländischer Truppen dürfe nicht mit einem diplomatischen Rückzug einhergehen. „Sie müssen uns helfen, den Friedensprozess im Fokus zu behalten, damit die Opfer der Gesellschaft nicht verloren gehen, nicht nutzlos werden“, betont sie, „Wir sind für Frieden, natürlich, aber wir akzeptieren nicht, dass uns ein Scheinfrieden aufgezwungen wird, der von Militärkommandanten, Warlords und Taliban geschlossen wird. Frieden ist erst Frieden, wenn er von der Bevölkerung als legitim angesehen wird, sonst ist er falsch“. Die Botschaft der Bevölkerung ist laut Akrami einstimmig und lautet: "Kein Krieg mehr!".
(GB-PA) (Fides 16/6/2021)


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