AFRIKA/RUANDA - „Die ruandische Kirche ist eine sehr lebendige Gemeinschaft“. Interview mit dem Vorsitzenden der Ruandischen Bischofskonferenz

Donnerstag, 19 Mai 2005

Rom (Fidesdienst) - „Junge Menschen sind die Zukunft der Kirche und Ruandas. Wir müssen auf sie setzen, wenn wir die Wunden der Vergangenheit heilen möchten“, so der Vorsitzende der Ruandischen Bischofskonferenz, Bischof Alexis Habiyambere SJ von Nyundo, im Gespräch mit dem Fidesdienst zu den Perspektiven der Kirche in Ruanda elf Jahre nach dem Genozid vom 1994. Die ruandischen Bischöfe halten sich zum Ad-limina-Besuch in Rom auf.
„Wir stehen der tragischen Erfahrung des nationalsozialistischen Holocaust und des armenischen Völkermords gemacht, die uns lehren, dass elf Jahre wirklich wenig sind, wenn es darum geht, das Trauma des Genozids in Ruanda zu bewältigen. Diese Jahre sind jedoch nicht umsonst vergangen, denn es wurden Fortschritte bei der nationalen Aussöhnung gemacht“, so der Bischof.
„Wir dürfen natürlich nicht vergessen, was geschehen ist und es muss Gerechtigkeit geschaffen werden“, so Bischof Habiyambere weiter. Zu diesem Zweck hat die ruandische Regierung die traditionellen Gacaca-Gerichte mit den Verfahren im Zusammenhang mit den Verbrechen des Genozids beauftragt. Nach Ansicht des Bischofs „sind die Gacaca-Gerichte das einzige System, dem es gelingen kann, Tausende Personen, denen eine Verwicklung in die Organisation des Völkermords vorgeworfen wird, zur Rechenschaft zu ziehen. Verfahren der ordentlichen Justiz“, so der Bischof weiter, „würden unendlich viel Zeit in Anspruch nehmen und wären de facto nicht durchführbar. Es sollte jedoch darauf hingewiesen werden, dass Tausende Menschen in den Gefängnissen auf ein Verfahren warten. Unter ihnen könnten auch Unschuldige sein, während, andere, die wirklich schuldig sind, sich noch auf freiem Fuß befinden.“
Der Bischof beschreibt das Vorgehen der traditionellen afrikanischen Gerichte: „Die Prozedur dieser Schöffengerichte ist einfach: die Menschen werden von den Mitgliedern der eigenen Gemeinde zur Rechenschaft gezogen. Es gibt die Möglichkeit, dass das Gericht im Falle eines bedingungslosen Schuldgeständnisses Milde walten lässt. Die erste Pflicht des Gerichtes ist das Aufdecken der Wahrheit: es soll in Erfahrung gebracht werden, von wem und wie der Genozid organisiert wurde. Deshalb muss die Verantwortlichkeit der Einzelnen aufgedeckt werden. Viele Angeklagte, die von diesen Gerichten als schuldig befunden werden, werden zu sozial nützlichen Tätigkeiten verurteilt, wie zum Beispiel beim Bau von Straßen, Schulen und Krankenhäusern.“
„Die Kirche engagiert sich sehr im Prozess der nationalen Aussöhnung. Insbesondere die „Justitia et Pax“-Kommission spielt dabei eine wichtige Rolle. Ebenfalls wichtig ist die Arbeit der katholischen Schulen, die die neuen Generationen zum gegenseitigen Respekt und zur Nächstenliebe erziehen. Katholische Jugendgruppen spielen eine wichtige Rolle bei der Förderung des Zusammenlebens von Kindern und Jungendlichen der verschiedenen Ethnien“, so der Vorsitzende der Ruandischen Bischofskonferenz.
Zu den Zukunftsperspektiven der Kirche sagt Bischof Habiyambere: „Die ruandische Kirche ist eine sehr lebendige Gemeinschaft. Die Ereignisse von 1994 haben der Spiritualität der einheimischen Bevölkerung nicht geschadet, wie einige Kommentatoren vorhersagten, sondern sie vielmehr gestärkt. Die meisten Priester und Ordensleute sind Ruander und die Zahl der Berufe nahm zu. Unser Probleme liegt darin, dass die Seminare zu klein sind und ausgebaut werden müssten, nicht umgekehrt!“. „Doch auch in einem solchen Kontext ist die Präsenz der Missionare weiterhin wichtig, vor allem, was deren Tätigkeit im Erziehungs- und Gesundheitswesen anbelangt“, so der Bischof weiter. „Das Verlangen der Ruander nach Spiritualität ist auch die Grundlage der Verbreitung von Sekten, die eine Botschaft vermitteln, die leichter zu verstehen ist, als die christliche und bei denen es in moralischen Fragen oft Kompromisse gibt. Dies ist jedoch ein Problem, das nicht nur Ruanda, sondern ganz Afrika betriff und auch andere Teile der Welt. (LM) (Fidesdienst, 19/05/2005 - 48 Zeilen, 568 Worte)


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