ASIEN/PAKISTAN - Bischöfe: „Die Intoleranz nimmt zu“

Samstag, 20 November 2010

Faisalabad (Fidesdienst) – Christen in Pakistan, aber auch andere religiöse Minderheiten und gemäßigte Sektoren der muslimischen Zivilgesellschaft sind besorgt im Hinblick auf eine „weit verbreitetes Klima der Intoleranz, das sich in den vergangenen 10 Jahren ausgedehnt hat“: dies betont der stellvertretende Vorsitzende der Pakistanischen Bischofskonferenz, Bischof Joseph Coutts von Faisalabad. „Asia Bibi“, so der Bischof, „ist das Symbol aller Opfer des religiösen Hasses und des Blasphemie-Paragraphen, der als Waffe gegen Minderheiten benutzt wird“. Es folgt das Interview mit Bischof Coutts, der im Rahmen einer Kampagne des kirchlichen Hilfswerks „Kirche in Not“ für die Abschaffung des Blasphemie-Paragraphen und den „Kampf für die Zivilisierung des Landes“ eintritt:

Welche Position vertreten Sie zum Fall Asia Bibi?

Asia muss zu Unrecht großes Leid ertragen. Sie ist ein Symbol für das Leid aller Opfer des religiösen Hasses und des Blasphemie-Paragraphen, der als Waffe gegen Minderheiten auch bei persönlichen Streitigkeiten benutzt wird. Der Paragraph betrifft sowohl religiöse Minderheiten als auch Muslime selbst: die Kampagne für die Abschaffung ist deshalb ein Kampf für die Zivilisierung des Landes, es geht dabei nicht nur um eine Frage der Minderheiten.

Gibt es diesbezüglich positive Entwicklungen?

Gott sei Dank unterstützen heute auch viele Muslime in der Politik und in der Gesellschaft diese Kampagne: wir hoffen deshalb, dass diesbezüglich auch eine Debatte im Parlament stattfinden wird und dass man konkrete Schritte zur Veränderung der Situation unternehmen wird. Das persönliche Engagement bekannter Persönlichkeiten, wie des Anwalts Asma Jahngir und anderer freut uns und macht uns Hoffnung.

Weshalb ist eine Änderung des Gesetzes so schwierig?

Weil man, wenn man sich mit der Frage befasst, viele Emotionen weckt. Die Debatte wird auf der Ebene der Gefühle geführt und verwandelt sich oft in einen „Kreuzzug“ für und wider den Propheten Mohammed. Ich möchte in diesem Zusammenhang betonten, dass wir, wenn wir die Kampagne für die Abschaffung unterstützen, damit gewiss nicht Beleidigungen des Islam befürworten. Die fundamentalistischen Parteien behaupten, dass das Gesetz dazu dient, die eigene Religion zu schützen: wenn Christen den Koran nicht beleidigen, dann werden sie auch keine Probleme bekommen. Doch dies ist nicht wahr und der Fall Asia und viele andere sind dafür ein Beispiel, denn das Gesetz wird oft missbraucht oder instrumentalisiert. Es ist keine Beweispflicht für den Kläger vorgesehen und man kann somit auch mit einer falschen Aussage dafür sorgen, dass Menschen ins Gefängnis kommen. Politiker, die in Vergangenheit versucht haben, den Paragraphen zu ändern, mussten dieses Vorhaben aufgeben, nachdem religiöse Parteien und islamische Bewegungen erklärt hatten, sie seien Bereit ‚Milizen zum Schutz des Propheten’ auszusenden.

Was kann man Ihrer Meinung nach tun?

Es ist wichtig, dass wir die Öffentlichkeit und die Gesesllschaft auf das Problem aufmerksam machen und so eine Bewegung schaffen, die ihre Forderungen auch im Parlament vortragen kann. Die Christen fordern seit langem die Abschaffung des Paragraphen. Heute ziehen Juristen zumindest schon einmal eine Änderung bei den Prozessmodalitäten in Betracht und es sollen Mechanismen eingeführt werden, die Missbrauch verhindern, wie zum Beispiel die Pflicht einer konkreten Beweisführung im Falle einer Blasphemie-Klage.

Wie leben Christen heute in Pakistan?

Christen ertragen großes Leid, weil die religiöse Intoleranz im Land im Laufe der vergangenen zehn Jahre zugenommen hat. Die Daten der Kommission für Gerechtigkeit und Frieden und die Berichten der wichtigsten Nichtregierungsorganisationen stimmen darin überein. Die Intoleranz trifft christliche Gemeinden und andere religiöse Minderheiten aber auch gemäßigte muslimische Gläubige, die zum Beispiel bei einem Besuch eines Heiligtums der sufistischen Gemeinde Opfer von Anschlägen werden. Mit dieser Frage muss sich die Regierung dringend ernsthaft befassen und es müssen angemessene Maßnahmen ergriffen werden. Der Kampf gegen radikale Gruppen, die die Einführung der islamischen Gesetze der Sharia fordern muss eine Priorität des Landes sein. Wir sind insbesondere auch von der Terrorgefahr auf regionaler und internationaler Ebene betroffen.

Wie verhalten sich die Christen in einer derart schwierigen Lage?

Als Christen sind wir eine kleine Minderheit und versuchen uns weiterhin vor allem für Frieden, Gerechtigkeit, Dialog und Harmonie einsetzen. Doch wir versuchen auch Werte wie Demokratie, Rechtsstaat, Gewissensfreiheit und die unveräußerlichen Rechte der Personen zu schützen. Wir engagieren uns damit für das Wohl Pakistans, unseres Vaterlandes. (PA) (Fidesdienst, 20/11/2010)


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