VATIKAN - „DIE STEINE, DIE KLÄNGE, DIE FARBEN DES HAUSES GOTTES“ von Exz. Mons. Mauro Piacenza - Die inspirierenden Prinzipien für die Konstruktion der Kirchen und Räume für Zelebrationen und die Anbetung der Eucharistie (I)

Dienstag, 17 Oktober 2006

Vatikanstadt (Fidesdienst) - Das Projekt für ein Kirchengebäude ist komplex und artikuliert. Es gründet sich auf die Konzeption des göttlichen Kultes, den dieser Raum aufnimmt und ausdrückt. Entsprechend der Logik der Menschwerdung, aufgrund derer die geistlichen Wirklichkeiten Ausdruck finden in den sensiblen, ist der heilige Raum die körperliche Hülle der liturgischen Handlung, er ist „ikonenhaftes Symbol“ der Kirche, die sich als „mystischer Leib“ Christi versteht.
Daraus ergibt sich, dass der Entwurf eines Kirchengebäudes von der ekklesialen Auffassung des Kultraumes herrührt. Diese ist sowohl dem rituellen als auch kulturellen Werdegang unterworfen. Der erstere ist bedingt durch eine unterschiedliche Reflexion der Kirche auf theologischer, ekklesiologischer, liturgischer und spiritueller Ebene, unter ständiger Berücksichtigung der bleibenden grundlegenden Linien; der zweite ist abhängig von einem unterschiedlichen psychologischen, sozialen und kulturellen Gefüge. In Bezugnahme auf diese beiden Quellen aktiviert sich der Einsatz für eine korrekte Inkulturation des Glaubens in der rituellen Handlung. Dieser Einsatz ist vorrangig für den Auftrag und muss von den Entwicklern des Projekts angenommen werden.
Die Ekklesialität der auf den Kult bezogenen Planung - Die Konstruktion eines Kirchengebäudes ist ein ekklesiales Ereignis, denn sie stellt das Sich-Erbauen der christlichen Gemeinde selbst dar, welche die „göttlichen Geheimnisse“ feiert und die „himmlischen Wirklichkeiten vorkostet“. Die Konfiguration des dem Kult gewidmeten Raumes verlangt also Treue zur Doktrin, Spiritualität und Kreativität. Diese Erfordernisse sind unabdingbar. Durch die Kreativität ist es in der Tat möglich, architektonische Formen zu erfinden, die dazu geeignet sind, die Inhalte auszudrücken, die die ekklesiale Vision wiederspiegeln. Der Architekt muss durch seine persönliche geistliche Offenheit den religiös - christlichen Sinn begreifen, um ihn in räumliche Lösungen zu übersetzen, die mit den liturgischen Bedürfnissen kongruent sind.
Die evangelischen Paradigmen - In Kohärenz mit dem generellen Prinzip der Religion „in Geist und Wahrheit“ (Joh. 4,23), kann Gott überall angebetet werden, ohne besondere räumliche Begrenzungen, und vor allem wird er mit liebender Wahrheit angebetet in der Tiefe der eigenen Innerlichkeit, im Geist des fleischgewordenen Logos. Aus diesem Grund sind die neutestamentlichen Hinweise auf spezifischen architektonische Modelle spärlich. Das Evangelium zählt als theologisch-kultische „Orte“ in Perspektive der Erlösung auf: den Abendmahlssaal, den Kalvarienberg, das leere Grab. Der Abendmahlssaal ist ein Ort des Gastmahls, der als Raum als „magnum et stratum“ beschrieben wird, das heisst, gut dimensioniert in Bezug auf die Personen die ihn einnehmen und geziert mit Teppichen, darüber hinaus gut ausgestattet und gesammelt (vgl. Mk 14, 14-15). Der Kalvarienberg ist ein entehrter Ort, ausserhalb der Mauern Jerusalems, benützt für die Todesurteile, weshalb er mit jeglicher sakraler Benutzung im Widerspruch steht (vgl. Hebr. 13); er feiert die Eklipse des göttlichen in der Kenosis des menschgewordenen Wortes. Das Grab, hingegen, ist ein würdevoller Ort, in den Fels gehauen und unbenützt, aber doch immer dafür bestimmt, sterbliche Überreste aufzunehmen. Im Abendmahlssaal setzt Jesus die Eucharistie als Denkmal ein, um in allen Zeiten seine Gegenwart zu erneuern; auf dem Kalvarienberg begeht er das Opfer seines Todes für das Heil der Menschheit; im Grab findet das Hinabsteigen in die Unterwelt und die glorreiche Auferstehung statt, um die „Worte und Taten“ zu verwirklichen, die sich in der Schrift befinden. Diese theologisierten „Orte“ kombinieren sich in der Konzeption des christlichen Altars, der das Zeichen des Kultes schlechthin ist, der in Christus Opferaltar wird, Tisch des Gastmahls und Erinnerung des Grabes. Der Altar ist also der architektonische Angelpunkt des liturgischen Gebäudes, das ihn birgt.
Die christliche Gemeinde der Anfänge ist gezwungen den Tempel und die Synagoge zu verlassen, denn sie gerät in Opposition zum Judentum und sie richtet sich an die Heiden. „Ort“ der Evangelisierung wird die Diaspora der Gläubigen, „bis an die Enden der Erde“ (Apostelgeschichte 1,8), weshalb alle Areopage dazu dienen können, den „gekreuzigten und auferstandenen Christus“ zu verkündigen. „Ort“ des Brotbrechens, der „fractio panis“ ist jedes häusliche und werktägliche Ambiente, das von der Unterkunft in Emmaus bis hin zu den Ufern des Sees von Galiläa, zum Abendmahlssaal, zu den Häusern der römischen Patrizier, den „domus ecclesiae“ reicht. Ein grosser Respekt muss für den Ort des Begräbnisses gewahrt werden, vor allem für die Grabstätten der Märtyrer, so dass die primitive römische Kirche die Anlage der Katakomben als privilegierten Raum für die Aufnahme der Verstorbenen „in Erwartung der Auferstehung am letzten Tag“ ansieht. Ganz bestimmt ist auch ein „Kultort“ für die gewachsene Gemeinde die Basilika, ein von der römischen architektonischen Kultur aufgenommener öffentlicher Raum. +Mauro Piacenza, Präsident der päpstlichen Kommission für die Kulturgüter der Kirche, Präsident der päpstlichen Kommission für Archeologia Sacra. (Fidesdienst 17/10/2006 - Zeilen 76, Worte 726)


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