AFRIKA/MADAGASKAR - Bischof von Moramanga: Korruption und Eigeninteressen untergraben das Gemeinwohl

Donnerstag, 6 November 2025

Rom (Fidesdienst) – „Die Kirche ist die einzige Zuflucht, das einzige sichere Bollwerk, zu dem die Menschen kommen. Wenn sie medizinische Versorgung brauchen, wenn sie sich kein Studium leisten können oder nichts zu essen haben, wenn eine Hungersnot herrscht, ist es immer die Kirche, die sich um sie kümmert. Sie war nie an eine Regierung oder einen Präsidenten gebunden. Sie hat immer Respekt gezeigt, aber auch Kritik an den sich abwechselnden Regierungen geäußert“, so der Bischof von Moramanga, Rosario Vella (SDB), im Gespräch mit Fides, in dem er auch große Besorgnis über die Lage, in der sich das Land befindet, zum Ausdruck brachte und gleichzeitig Zuversicht, dass sich alles wieder zum Besseren wenden wird.
„Insbesondere in den letzten Monaten haben zwei Tropfen das Fass einer Situation zum Überlaufen gebracht, die das Volk nicht mehr ertragen kann“, betont der Salesianerbischof, „die jungen Pazifisten der Generation Z sind auf die Straße gegangen, um gegen die anhaltenden Wasser- und Stromausfälle sowohl in der Hauptstadt Antananarivo als auch in vielen anderen Städten zu protestieren. Es gab Tage, an denen es nur zwei, drei Stunden lang Strom gab, immer nur in bestimmten Stadtvierteln, und die Menschen waren gezwungen, mit Kanistern auf die Suche nach einer Wasserquelle zu gehen. Die Proteste verwandelten sich in Demonstrationen gegen mangelhafte Grundversorgung, zusammenbrechende Infrastruktur, grassierende Korruption in den höchsten Kreisen des Staates und den Wunsch nach Demokratie“.
„In diesem Zusammenhang reagierte die Regierung zunächst damit, dass sie alle Minister zum Rücktritt zwang, um zu zeigen, dass sie ihre Fehler eingestand, aber dennoch hart durchgriff und Polizei, Militär und Gendarmerie anwies, mit Bomben, Tränengas und Schlagstöcken gegen die Menschen vorzugehen“, so der Bischof von Mormanga.
„Leider gab es in der Hauptstadt und in den wichtigsten Städten Tote und eine unbestimmte Anzahl von Verletzten“, beklagt er. „Die Jugendlichen wiederum baten darum, mit den Gendarmen sprechen zu dürfen und sich auf der Place du 13 Mai, dem Symbol der Unabhängigkeit der Insel, zu versammeln, um friedlich zu demonstrieren und Erklärungen für die gewalttätigen Übergriffe zu verlangen. Diese Forderungen gaben zu denken“, erklärt Bischof Vella. „Insbesondere Oberst Michaël Randrianirina von der militärischen Elite-Einheit CAPSAT, von der in den vergangenen Jahrzehnten zwei Revolutionen ausgegangen waren, erklärte, er stehe offen auf der Seite des Volkes und werde den Befehlen zu Angriffen nicht mehr Folge leisten, da diese unrechtmäßig seien. Er erkannte die Gründe des Volkes an und fügte hinzu, dass sie die Menschen selbst zum Platz begleiten würden, wobei er alle Gendarmen und Soldaten aufforderte, sich ihnen anzuschließen und dasselbe zu tun. Die Intervention dieses Obersts war von entscheidender Bedeutung und führte zur Versöhnung zwischen dem Volk und der Armee“.
„In der Zwischenzeit“, fährt der Prälat fort, „hatten alle Minister, einschließlich Präsident Andry Rajoelina, der sich im Fernsehen an die Nation gewandt hatte, die Insel bereits verlassen, ebenso wie alle Reichen. Das Parlament und das Verfassungsgericht haben dem Präsidenten das Misstrauen ausgesprochen und Oberst Michaël Randrianirina mit der interimistischen Amtsführung beauftragt, der bei seiner Vereidigung in Zivilkleidung erschien, fast als wolle er ein Zeichen des Friedens setzen. In seiner Ansprache an die Menschen auf dem Platz versprach er, dass in 18 bis 24 Monaten Wahlen stattfinden werden und dass in der Zwischenzeit alle zusammenarbeiten müssen, um das Land bestmöglich voranzubringen. Die Lage scheint sich wieder beruhigt zu haben, aber alles ist noch möglich“.
„Wir, die Kirche von Madagaskar, haben uns von Anfang an für einen Dialog eingesetzt, da wir uns bewusst sind, dass Gewalt weitere Gewalt hervorruft“, bekräftigt der Bischof, „Man kann sagen, dass es keine aktive Intervention gab, aber die Bischöfe haben das Volk stets unterstützt. Die vier wichtigsten Kirchen des Landes waren anwesend, als Oberst Michaël, der übrigens ein praktizierender Protestant war, die Macht übernahm“.
„Derzeit gilt die Kirche als stabile Struktur, wenn es darum geht, das normale Leben aufrechtzuerhalten“, fährt er fort. „So haben beispielsweise die Krankenstationen und Schulen meiner Diözese Moramanga weitergearbeitet, und wir haben auch eine Universität. Wir haben nicht an Demonstrationen teilgenommen, weil es keine gab, aber wir haben Treffen mit jungen Menschen organisiert, um mit ihnen über die aktuellen Ereignisse zu sprechen und ihnen zu helfen, sich dessen bewusst zu werden und dafür zu sensibilisieren.“
„Madagaskar ist eine Insel, die hinsichtlich ihrer Bodenschätze und ihrer Fauna und Flora über einen großen Reichtum verfügt. Die Menschen sind einfach, arbeiten hart und sind gastfreundlich“, betont Bischof Vella. „Landschaftlich gesehen ist es ein Paradies, aber wir wissen auch, dass es laut Weltbank leider eines der sechs ärmsten Länder der Welt ist. Im Jahr 2022 lebten 75 % der Bevölkerung, bestehend aus 32 Millionen Menschen, unterhalb der Armutsgrenze“.
„Seit 1960, dem Jahr der Unabhängigkeit“, fährt er fort, „gab es einen Wechsel von Präsidenten und Regierungen, die viele Versprechungen gemacht haben, aber die Wirtschaft und die Lebensweise der Menschen haben sich überhaupt nicht verändert. In vielerlei Hinsicht hat sich die Lage sogar verschlechtert. Zu den Gründen für die große Armut, unter der die Bevölkerung leidet, gehört in erster Linie die Korruption, die leider zu einer Art und Weise geworden ist, zu handeln, zu regieren und zu leben“.
„Verschärft wird die Situation durch die Regierenden, die bis heute nur an ihre persönlichen Interessen gedacht haben und nie an das Gemeinwohl, ohne große Investitionen zu tätigen oder Fortschritte im Leben der Menschen zu erzielen“, erklärt er, „Es gab nie eine Agrarreform. Das Gleiche gilt für die Viehzucht und auch für die gesamte Infrastruktur. Die Straßen sind alle in einem schlechten Zustand und die Gebäude verfallen zunehmend“.
„Man kann nicht eindeutig sagen, worauf diese prekäre Lage zurückzuführen ist“, so der Bischof, „doch es gibt viele Länder auf der Welt, die aus Eigeninteresse nach Madagaskar kommen: Frankreich, Amerika, Russland, China, aber auch Thailand, Südafrika und die Vereinigten Arabischen Emirate. Die einen wegen der Vanille, die anderen wegen des Goldes oder anderer wertvoller Rohstoffe – jeder hat seine eigenen Interessen.“ Abschließend hebt Bischof Vella die Sorgen der Kirche um die nähere Zukunft hervor: „Es wird befürchtet, dass zu Racheakten, persönliche Vergeltungsmaßnahmen und Verleumdungen kommen könnte“.
In den vergangenen Tagen wurde in Madagaskar die neue Übergangsregierung gebildet, die von Oberst Michaël Randrianirina, dem Interimspräsidenten des Landes, nach der Absetzung des ehemaligen madagassischen Präsidenten Andry Rajoelina infolge der Straßenproteste Ende September angekündigt worden war. Die aus 29 Ministern bestehende Regierung will, „das Land aus der Krise führen“, und vereint bekannte Persönlichkeiten der madagassischen Politik mit neuen Gesichtern aus der Welt der Wissenschaft und Wirtschaft.
(AP) (Fides 6/11/2025)


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