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Rom (Agenzia Fides) - Die „Gaza Humanitarian Foundation“ (GHF), die für die Verteilung von Lebensmitteln an die Bevölkerung im Gazastreifen zuständig ist, wird seit dem 3. Juni von dem evangelikalen Prediger Johnnie Moore Jr. geleitet, der vom „Newsmax Magazine“ als „einer der 25 einflussreichsten evangelikalen Führer in Amerika“ bezeichnet wird.
Moore ist in diesem Amt Nachfolger von Jake Wood, einem ehemaligen Marinesoldaten, der als Geschäftsführer der GHF zurückgetreten ist, weil es ihm nach eigener Aussage nicht gelungen ist, „das Hilfsprojekt unter strikter Einhaltung der humanitären Grundsätze der Solidarität, Neutralität, Unparteilichkeit und Unabhängigkeit durchzuführen, auf die ich nicht verzichten will“. Dies war nicht der einzige Fall einer Distanzierung von der im Februar 2025 im US-Bundesstaat Delaware gegründete Stiftung, deren Genfer Büro, das in Wirklichkeit nur eine Scheinniederlassung war, von den Schweizer Behörden Ende Juni aufgelöst wurde. Auch die Unternehmensberatungsfirma „Boston Consulting Group“ distanzierte sich in einer Erklärung öffentlich von der Stiftung und erklärte, dass einige ihrer Mitarbeiter im Oktober 2024 angeboten hätten, ein Team zu leiten, um eine humanitäre Organisation zur Lieferung von Hilfsgütern nach Gaza zu gründen, „ohne jedoch den tatsächlichen Charakter der Arbeit offenzulegen“ und die „in der Folge unerlaubte Aufgaben ausführten“. Diese Personen haben das Unternehmen inzwischen verlassen.
Moores Amtsantritt unterstreicht die Verbindung der GHF mit amerikanischen evangelikalen Gemeinden, die Israel nahe stehen. Als Präsident des „Congress of Christian Leaders“ sitzt Moore im Vorstand der International „Fellowship of Christians and Jews“ (IFCJ), die sich als „die führende Non-Profit-Organisation, die Brücken zwischen Christen und Juden baut“ bezeichnet „und Israel und das jüdische Volk in der ganzen Welt mit humanitärer Betreuung und lebensrettender Hilfe versorgt“. Zu ihren verschiedenen Aktivitäten gehören solche zugunsten israelischer Soldaten in Form von „Gutscheinen für Lebensmittel, Kleidung, Möbel und andere notwendige Dinge; Unterstützungsprogramme für ehemalige Soldaten, alleinstehende Soldaten (Soldaten aus anderen Ländern, die sich in der israelischen Armee kämpfen, aber keine Freunde oder Verwandte in Israel haben) und Soldaten in Not“. Vor allem aber wirbt die IFCJ für die jüdische Einwanderung nach Israel als „Erfüllung der biblischen Prophezeiung“ („Wir haben zur Erfüllung der Prophezeiung beigetragen, indem wir seit 1983 über 760.000 Juden bei der Alija, der Einwanderung nach Israel, geholfen haben“, heißt es auf der Website der Organisation. Moore ist auch Mitglied „Anti-Defamation League’s Task Force for Minorities in the Middle East“, einer Organisation, die 1913 zur Bekämpfung des Antisemitismus in den Vereinigten Staaten gegründet wurde.
Moore, der sich als Vorkämpfer für Religionsfreiheit präsentierte, schlug zur Zeit des Aufstiegs des Islamischen Staates (IS) Alarm wegen der Notlage religiöser Minderheiten, Christen und Jesiden, die von den Dschihadisten bedroht werden. Der GHF-Chef ist seit langem sehr aktiv im Nahen Osten, wo er sich mit mehreren politischen und religiösen Führern getroffen hat, darunter die Kronprinzen von Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten sowie der israelische Premierminister Benjamin Netanjahu. Daher behauptet er, aktiv am Abschluss des „Abraham Abkommens“ beteiligt gewesen zu sein, den strategischen Vereinbarungen zwischen Israel und einer Reihe arabischer Staaten in der Region, die unter der Ägide der ersten Trump-Administration (2017-2021) auf den Weg gebracht wurden. Die Verbindung mit dem derzeitigen US-Präsidenten geht auf die erste Wahlkampagne des Trumps im Jahr 2016 zurück, als Moore Ko-Vorsitzender von Donald Trumps evangelikalem Beratungsgremium war. Im folgenden Jahr traten Moore und andere Evangelikale bei Trump für die Verlegung der US-Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem ein. Später ernannte Trump Moore zum Mitglied der US-Kommission für internationale Religionsfreiheit.
Die bisweilen undurchsichtige Herkunft der GHF-Gelder hat in Israel selbst für Kontroversen gesorgt. Der Oppositionsführer Yair Lapid bezeichnete die Stiftung als „Scheinfirma“, die verdeckt von der israelischen Regierung finanziert werde. Als „Scheinfirma“ bezeichnet Lapid auch eine weitere US-Organisation vor, die neben der Stiftung im Gazastreifen tätig ist. Dabei handelt es sich um „Safe Reach Solutions“ (SRS), die zusammen mit „UG Solutions“ (die von einem ehemaligen so genannten "Green Berets", d. h. einem Mitglied der US-amerikanischen Spezialeinheit „United States Army Special Force“ geleitet wird) von der GHF beauftragt wurde, den Schutz der Nahrungsmittelverteilungsstellen zu gewährleisten. In der Praxis handelt es sich um private Militärunternehmen, die nach Angaben der israelischen Presse seit Januar 2025 im Gazastreifen tätig sind, ohne dass der israelische Inlandsgeheimdienst „Schin Bet“, der auch in den palästinensischen Gebieten tätig ist, dies überwacht. An der Spitze der SRS steht Phil Reilly, ein ehemaliger CIA-Beamter. Das Unternehmen wurde am 20. November 2024 im Bundesstaat Wyoming gegründet und soll mit der amerikanischen Strategieberatungsfirma „Orbis Operations“ in Verbindung stehen, die im Herbst 2024 von der israelischen Regierung beauftragt wurde, einen Plan für die Verteilung humanitärer Hilfe ohne Umweg über die UN-Organisationen zu prüfen. Der von „Orbis Operations“ vorgelegte Plan sah die Einrichtung eines Zentrums für die Verteilung von Nahrungsmitteln durch eine private humanitäre Organisation vor, die ihre Sicherheit privaten Militäruntehmeb in Abstimmung mit dem israelischen Militär anvertrauen sollte. Dieser Plan wurde später mit der Stiftung GHF und den beiden Auftragnehmern SRS und UG Solutions umgesetzt.
Nach Schätzungen der Vereinten Nationen wurden seit Beginn der Operationen im Gazastreifen in den Hilfsverteilungszentren der GHF mehr als 580 Zivilisten getötet und mehr als 4.000 verletzt.
(L.M.) (Fides 7/7/2025)