VATIKAN - Papst Franziskus: Verkündigung kann nur in der Welt, wie sie heute ist, stattfinden

Mittwoch, 29 November 2023

Rom (Fides) – Die Verkündigung des Evangeliums bedeute nicht „auf einem Balkon zu stehen und den Namen Jesu auszurufen, sondern auf die Straße zu gehen, zu den Orten zu gehen, an denen man lebt, die Orte aufzusuchen, an denen man leidet, arbeiten, studiert und reflektiert, den Platz der Kreuzung zu bewohnen, an dem Menschen das mit einander teilen, was für ihr Leben Sinn macht“. Das Heil, das Christus gebracht hat, kann nur bezeugt werden, wenn man "an den Kreuzungen von bleibt", denn "sie zu verlassen würde bedeuten, das Evangelium zu verarmen und die Kirche auf eine Sekte zu reduzieren“. So hat Papst Franziskus mit den Worten des Apostels Paulus wiederholt, dass heute der "günstige Augenblick" ist, um Zeugnis für Christus zu geben. Und dass ein solches Zeugnis nur in der realen Welt, wie sie heute ist, stattfinden kann, ohne sich in fremden Welten zu verschließen oder der Erinnerung an das Vergangene zu leben. Er tat dies bei der Generalaudienz am heutigen Mittwoch, 29. November, und setzte damit den Zyklus der Katechese fort, der der Leidenschaft der Verkündigung des Evangeliums und dem apostolischen Eifer gewidmet ist. Zu Beginn der Audienz teilte Papst Franziskus den in der Audienzhalle „Paolo VI“ versammelten Pilgern und Gläubigen mit, dass der Text der Katechese aufgrund seines Genesungszustandes nach den gesundheitlichen Problemen der letzten Tage von Prälat Filippo Ciampanelli, einem Mitarbeiter des Staatssekretariats, an seiner Stelle verlesen werde.
Der erste Teil der Katechese umschrieb das Szenario der heutigen Zeit und der vorherrschenden Kultur, die das Leben der Menschen bestimmt. Eine Zeit, in der "wir fast immer nur schlechte über die heutige Zeit hören", geprägt von "Kriegen, Klimawandel, Ungerechtigkeit und Migration auf der Erde, Familien- und Hoffnungskrise", beherrscht "von einer Kultur, die den Menschen über alles stellt und die Technologie in den Mittelpunkt stellt". Unsere - so betonte der Papst in seiner Analyse - scheint die "erste Zivilisation in der Geschichte zu sein, die weltweit versucht, eine menschliche Gesellschaft ohne die Gegenwart Gottes zu organisieren, und sich dabei auf riesige Städte konzentriert, die horizontal bleiben, auch wenn sie schwindelerregende Wolkenkratzer haben". Die heutige Welt, so die Katechese von Papst Franziskus weiter, weise viele Züge auf, „die die Geschichte von der Stadt Babel und ihrem Turm, die im Buch Genesis erzählt wird, in den Sinn rufen“. Auch in dieser biblischen Erzählung schien man "ein soziales Projekt zu verkünden, bei dem jede Individualität der Effizienz der Gemeinschaft geopfert wird". Ein Gesellschaftsentwurf, in dem "die Menschheit eine einzige Sprache spricht - man könnte sagen, sie hat einen ‚einzigen Gedanken‘", und "wie in eine Art allgemeinem Bann gehüllt ist, die Einzigartigkeit eines jeden Menschen in einer Blase der Einheitlichkeit aufnimmt. Dann verwirrt Gott die Sprachen. Das heißt, er stellt die Unterschiede wieder her, er schafft die Bedingungen für die Entwicklung der Einzigartigkeit neu, belebt die Vielfalt dort wieder, wo die Ideologie das Einzige durchsetzen möchte. Der Herr führt die Menschheit auch aus ihrem Allmachtswahn".
Auch heute noch, so der Papst in seiner heutigen Katechese, "beruht der Zusammenhalt oft nicht auf Geschwisterlichkeit und Frieden, sondern eher auf Ehrgeiz, Nationalismus, Standardisierung und techno-wirtschaftlichen Strukturen, die die Überzeugung einprägen, dass Gott unbedeutend und nutzlos ist: Nicht so sehr, weil wir nach mehr Wissen streben, sondern vor allem nach mehr Macht". In all dem - so Papst Franziskus weiter, wobei er sich auf sein Apostolisches Schreiben „Evangelii gaudium“ beruft "kann man Jesus nur verkünden, indem man in der Kultur seiner jeweiligen Zeit lebt und immer im Herzen die Worte des Apostels Paulus über den heutigen Tag trägt: 'Jetzt ist der günstige Augenblick, jetzt ist der Tag des Heils'". Angesichts der Herausforderungen und auch der Übel der heutigen Zeit sei es nicht sinnvoll, "der Gegenwart alternative Visionen aus der Vergangenheit gegenüberzustellen. Es reicht auch nicht aus, einfach nur erworbene religiöse Überzeugungen zu wiederholen, die, so wahr sie auch sein mögen, mit der Zeit abstrakt werden“. „Eine Wahrheit", so die päpstliche Katechese weiter, "wird nicht dadurch glaubwürdiger, dass man die Stimme erhebt, wenn man sie sagt, sondern weil man sie mit dem eigenen Leben bezeugt“.
Und "apostolischer Eifer ist niemals einfache Wiederholung eines erworbenen Stils, sondern ein Zeugnis dafür, dass das Evangelium für uns heute lebendig ist". Deshalb lohne es sich, "unsere Zeit und unsere Kultur als Geschenk zu betrachten". Und in der heutigen Zeit zu leben, helfe auch "uns Christen, die Gründe unserer Hoffnung neu zu verstehen, aus dem Schatz des Glaubens "Neues und Altes" hervorzuholen und zu teilen". Kurz gesagt, anstatt die heutige Welt umzuwandeln, so Papst Franziskus in seiner Katechese, wobei er erneut „Evangelii gaudium“ zitierte, "müssen wir die Seelsorge so umgestalten, dass sie das Evangelium für heute besser verkörpert. Machen wir uns den Wunsch Jesu zu eigen: wir wollen unseren Weggefährten helfen, die Sehnsucht nach Gott nicht zu verlieren, unsere Herzen für ihn zu öffnen und den Einzigen zu finden, der heute und immer den Menschen Frieden und Freude schenkt".
(GV) (Fides 29/11/2023)


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