ASIEN/SRI LANKA - Kardinal Ranjith: “Die Lage im Land ist schwierig, die Kirche setzt sich für das Gemeinwohl ein”

Freitag, 10 November 2023 politik   menschenrechte   zivilgesellschaft   terrorismus   social network  

Colombo (Fides) - "Angesichts der schwerwiegenden politischen, sozialen und wirtschaftlichen Probleme, mit denen Sri Lanka in den letzten Jahren zu kämpfen hatte, hat sich die Situation nicht verbessert. Um die Unzufriedenheit der Bevölkerung in den Griff zu bekommen, wollen die Politiker strengere Maßnahmen zur gesellschaftlichen Kontrolle im Lande einführen. Kritik und Proteste sollen verboten werden. Führende Politiker von gestern und heute und das Parlament schützen sich dabei gegenseitig, um den Status quo aufrechtzuerhalten und die eigene Macht zu erhalten. Wir stehen vor ernsthaften Schwierigkeiten, wenn es um die normale Ausübung der Demokratie geht", so der Erzbischof von Colombo, Kardinal Malcolm Ranjith, der sich anlässlich des Ad-limina-Besuchs der Bischöfe von Sri Lanka im Vatikan aufhält gegenüber Fides.
"Zusammen mit anderen zivilgesellschaftlichen Gruppen haben wir einen Gesetzesentwurf zur Online-Sicherheit, der im Parlament eingebracht wurde, mit einer Beschwerde beim Obersten Gerichtshof angefochten“, berichtet der Kardinal, „Dieser Gesetzesentwurf ist zensorisch und schränkt die Meinungsfreiheit und die von der Verfassung garantierten Grundrechte der freien Meinungsäußerung stark ein, indem er insbesondere in die sozialen Medien eingreift" und Verstöße mit Haftstrafen oder Bußgeldzahlungen ahndet. Menschenrechtsgruppen zufolge ist dies ein Versuch, „Kritik an der Regierung zu unterdrücken“.
Ein weiterer besorgniserregender Aspekt, über den der Erzbischof von Colombo berichtet, ist ein "Anti-Terror-Gesetz", das "weitreichende Befugnisse zur Anklage von Personen einräumt, die staatsfeindlicher Aktivitäten verdächtigt werden. Doch die vage Definition der Vergehen ermöglicht es, das Gesetz völlig willkürlich anzuwenden und sich so auch politischer Gegner oder unbequemer Bürger zu entledigen. Dies ist eine echte Gefahr für die Justiz und die Demokratie".
Außerdem erinnert er daran, dass "das Kapitel der Opfer der Osterattentate von 2019 noch offen ist“. "Die katholische Kirche wird weiterhin nach der Wahrheit über die Anschläge vom Ostersonntag suchen und Gerechtigkeit für die Opfer fordern. Wir können die von der Regierung präsentierte Version der Ereignisse nicht akzeptieren und ohne Sorgen und Probleme leben", sagte er.
Er fügte hinzu: "Unsere Gedanken sind jedoch nicht nur bei den Katholiken, sondern bei der ganzen Nation. Die Menschen leiden, die soziale und wirtschaftliche Krise hat die Familien noch immer im Griff. Ein Drittel der Bevölkerung hat nur einmal am Tag etwas zu essen und leidet an Unterernährung. Die katholischen Gemeinden tun auf allen Ebenen viel, um die ärmsten Familien zu unterstützen. Papst Franziskus hat uns bereits zweimal mit finanziellen Zuwendungen geholfen, Caritas Internationalis tut dasselbe. Aber das sind wohltätige Maßnahmen, um die Not zu lindern, keine strukturellen Maßnahmen. Im Vorfeld gibt es das Problem der Politik, die an das Gemeinwohl denken muss und nicht nur ihre eigenen Interessen schützen darf", stellt der Kardinal fest.
Der Kardinal erinnert auch an die Absicht der Regierung, die in Betracht zieht, "die Armee einzusetzen, um mögliche Proteste und soziale Unruhen zu kontrollieren“. „Die für 2024 anberaumten Parlamentswahlen werden von entscheidender Bedeutung sein, das Volk hat ein großes Bedürfnis, sich zu äußern. Einigen Beobachtern zufolge könnte das Parlament die Wahl jedoch unter irgendeinem Vorwand verschieben. Aber dann würden wir eine neue große Protestwelle des Volkes riskieren, wie die im Frühjahr 2022", betont er.
Im Hinblick auf die Forderung, einen Weg der Transparenz und der Demokratie einzuschlagen, so Kardinal Malcolm Ranjith abschließend, seien sich "alle Teile der srilankischen Gesellschaft einig". "Selbst die buddhistischen, hinduistischen und anderen religiösen Führer, mit denen wir einen fruchtbaren Dialog geführt haben und gute Beziehungen unterhalten, sind sich einig und wollen mit uns und der gesamten Zivilgesellschaft die verfassungsmäßigen Werte, Garantien und Bürgerrechte bewahren. In dieser Phase ist der Weg beschwerlich, aber wir werden weiterhin unseren Teil dazu beitragen und den Menschen vertrauensvoll zur Seite stehen, indem wir uns für das Gemeinwohl einsetzen und die Wahrheit des Evangeliums bezeugen", betont er.
(PA) (Fides 10/11/2023)


Teilen: