AFRIKA/NIGER - Welttag der Migranten: ‘Nie wieder‘ in der Sahara

Mittwoch, 20 September 2023

von Mauro Armanino
Niamey (Fides) – Am kommenden Sonntag, den 24. September 2023, wird 109. Welttag des Migranten und Flüchtlings begangen. Der Welttag des Migranten und Flüchtlings wurde 1914 von der katholischen Kirche eingeführt und findet jedes Jahr am letzten Sonntag im September statt. In diesem Jahr hat Papst Franziskus seine Botschaft unter das Motto gestellt: "Frei in der Entscheidung, auszuwandern oder zu bleiben“, die er der Freiheit widmet, „die die Entscheidung, das eigene Land zu verlassen, immer kennzeichnen sollte".
Aus diesem Anlass teilt Pater Mauro Armanino, ein in Niamey tätiger Priester der Gesellschaft für Afrikamissionen, seine persönlichen Überlegungen zu diesem Thema:
„‘Nie wieder‘. So lautete der Titel des Berichts über die "desaparecidos" des "schmutzigen" Krieges in Argentinien in den 1970er Jahren. In diesem Bericht wurden die Namen der Opfer, das organisierte System der Inhaftierung und die Art der Folterung von "Dissidenten" des Militärregimes, das die Macht im Lande übernommen hatte, dokumentiert. Tausende von Menschen, die von zu Hause, von der Arbeit, von der Straße, von der Schule oder von der Universität "verschwunden" waren, fanden in dem genannten Bericht Widerhall. Mit dem Titel ‚Nie wieder (Nunca màs)‘ wollte man feierlich erklären, dass das, was geschehen war, sich in Zukunft nicht wiederholen würde. Leider füllen die Verschwundenen weiterhin die Listen an den Grenzen, wo die Mobilität der Menschen mit der fortschreitenden Globalisierung unvereinbar zu sein scheint. Geld, Waren, Fußballspieler, Diplomaten, Touristen und Händler können reisen und sich frei und glücklich fortbewegen. Diejenigen, die "auf der falschen Seite" geboren sind, wie es in einem alten Lied von Jean Jacques Goldman heißt, sind von Amts wegen dazu bestimmt, zu verschwinden, und zwar möglichst spurlos.
Seit Jahren sind wir Zeugen des täglichen Verschwindens von Migranten in der Sandwüste und in der Weite des Meeres. Dazwischen gibt es keine Lösung, denn die eigentliche Wüste liegt im Herzen des Systems selbst, das geschaffen wurde, um diejenigen auszuschließen, die nicht "auf der richtigen Seite" der Welt geboren wurden. Es ist eine Art Komplizenschaft zwischen den Prozessen an den europäischen Grenzen und der Politik der Maghreb-Länder entstanden. Grenzkontrollen, Ausweisungen und Abschiebungen mitten in der Wüste in Richtung Nachbarland haben in den letzten Jahren auch dank der gemeinsamen Politik der "Zusammenarbeit" bei der Migrationssteuerung zugenommen. Die Verschwundenen kehren manchmal zurück und erzählen, was im Graben zwischen Algerien und Marokko in Oujda und in den Drahtnetzen in Ceuta und Melilla, den spanischen "Enklaven" in Marokko, geschah, und vor allem von den täglichen Formen des sozialen Todes, dem die Migranten aus den Ländern südlich der Sahara ausgesetzt sind. Ihre Namen und Geschichten erfahren wir aus erster Hand, nur wenn sie bei uns einen Blick und ein offenes Ohr finden, die das, was auf der Reise systematisch verraten wurde, "vermenschlichen".
‚Nie wieder‘ schreiben diejenigen in den Sand, die wegen dem, was sie sind und suchen, gelitten haben und leiden. Das System scheint unfähig zu sein, das, was die menschliche Mobilität mit sich bringt, als radikale Neuheit des Lebens und des Denkens zu verstehen. Die Migranten kommen mit bloßen Händen aus der Wüste, ihre Herzen voller Erwartungen und Hoffnungen auf eine andere Welt. Sie tun alles, um nicht inmitten der finanziellen Hilfen zu verschwinden, die den großen Nichtregierungsorganisationen anvertraut werden, um Entwicklungsprojekte zu finanzieren, die die Ursachen der Migration an der Wurzel packen sollten, oder angesichts der zivilen Aufbaumission EUCAP Sahel Niger (einer Einrichtung der Europäischen Union), die dazu beitragen soll, Grenzen, Dokumente und Grenzhandel besser zu kontrollieren. Hinzu kommt die Politik der Behörden von Marokko, Algerien, Tunesien und nicht zu vergessen die libysche Hölle, die Migranten als Geiseln nehmen, um Verträge, Geopolitik und vor allem finanzielle Unterstützung auszuhandeln. ‚Nie wieder‘ werden die "Auswanderer" und Abenteurer dieser anderen Welt, die um die Geburt des Neuen kämpft, in den Sand schreiben.
Sadamata kommt mit ihrem einjährigen Baby Fatima an. Sie wurde in Sierra Leone geboren und mit den beiden nach Algerien gebracht. Sie lebten dort sechs Monate lang und arbeiteten, bis der Vater des Kindes getötet und die Mutter an die Grenze abgeschoben wurde. Einige Tage lang war sie beim örtlichen Transportunternehmens „Rimbo“ in Niamey untergekommen, dann schlief sie mit einem Koffer und einer Tasche, in der sie die Erinnerung an die Flucht aus ihrem Heimatland aufbewahrte, draußen auf der Straße. Mit sanftem Blick wartet sie darauf, dass sich eine Tür öffnet, damit sie endlich die Zukunft betreten kann, in der ihre Tochter, die so schön ist wie sie, die Umrisse einer Menschheit erkennen kann, die diesen Namen verdient. ‚Nie wieder‘, lautete der Titel der Bericht über die Vermissten in Argentinien. ‚Nie wieder‘, flüsterte die kleine Fatima in den Armen ihrer Mutter.“
(Fides, 20/09/2023)


Teilen: