AFRIKA/SIERRA LEONE - Wahlen: „In der neuen Regierung wird es auf jeden Fall auch Katholiken geben“

Freitag, 23 Juni 2023 politik   geopolitik   wahlen   ortskirchen  

UN News

Freetown (Fides) – In Sierra Leone finden am mogigen 24. Juni Wahlen statt. Das Land, das von einem zehnjährigen Konflikt (1991-2002) zwischen den Rebellen der Revolutionären Vereinigten Front (NPFL) und den Regierungstruppen heimgesucht wurde, der 50.000 Tote forderte, hat in den letzten zwei Jahrzehnten einen schwierigen, aber stetigen Weg in Richtung Demokratisierung und Stabilität eingeschlagen und wird nun zum fünften Mal seit dem Ende des Krieges an die Urnen gehen.
Nachdem das kleine westafrikanische Land einen brutalen Konflikt hinter sich gelassen hat und das Phänomen der Kindersoldaten das Land in das Rampenlicht der Weltöffentlichkeit gerückt hat, genießt es seit langem einen relativen Frieden und kann auf Fortschritte in verschiedenen Bereichen verweisen (so wurde beispielsweise einer seiner Minister, der 36jährige David Moinina Sengeh, auf dem World Governement Summit in Dubai im vergangenen Februar als bester Minister der Welt ausgezeichnet, Anm. d. Red.)
Im Vorfelde von Wahlen kommt es gewöhnlich zu nicht unerheblichen Spannungen. Es ist daher kein Zufall, dass Präsident Julius Maada Bio von der Sierra Leone People's Party (SLPP), einer der 13 Kandidaten für das höchste Amt, in seiner letzten Kundgebung in der Hauptstadt Freetown am Dienstag, den 20. Juni, die Bevölkerung dazu aufrief, die Ruhe zu bewahren und eine entspannte Atmosphäre am Ende eines sehr umstrittenen Wahlkampfes zu schaffen. "Keine Gewalt! Ihr habt eure Wahlscheine, geht an diesem Tag wählen, aber in Frieden", erklärte Maada Bio.
"Wir haben einen schrecklichen Krieg hinter uns", erklärt Pater Peter Konteh, Geschäftsführer der Caritas Freetown, gegenüber der Fides, "der das Land verwüstet hat und die Bevölkerung (8,5 Millionen, Anm. d. Red.) Not leiden ließ. Die Kirche hat immer versucht, Versöhnung und Entspannung zu fördern. Aber jedes Mal, wenn wir uns den Wahlen nähern, werden Stammesprobleme neu entfacht, Gewalt zwischen den verschiedenen Gruppierungen und Hassreden häufen sich in den sozialen Medien und in den Medien. Leider passieren diese Dinge regelmäßig im Wahlkampf und in der Zeit vor der Wahl. Danach beruhigen sich die Dinge normalerweise wieder. Wir hoffen, dass sich auch dieses Mal das Klima nach dem 24. Juni allmählich beruhigt".
In diesem Jahr wurden um Zusammenstöße zu vermeiden wie bei früheren Wahlen Straßendemonstrationen verboten und die Massenkundgebungen waren kleiner als sonst. Dies hielt die Anhänger der wichtigsten Oppositionspartei, des All People's Congress (APC), jedoch nicht davon ab, sich in der Hauptstadt Freetown zu versammeln, um gegen die katastrophale wirtschaftliche Lage des Landes zu protestieren. In den letzten Monaten ist die Inflation in Sierra Leone, das eine der schwächsten Währungen der Welt hat, auf über 43 % gestiegen und die Jugendarbeitslosigkeit ist eine der höchsten in Westafrika.
Im August 2022 gingen die Sicherheitskräfte bei der Niederschlagung der Proteste in Freetown, Makeni und Kamakwie auf direkte Konfrontation mit den Demonstranten: Sechs Polizisten und mehr als 20 Demonstranten und Schaulustige kamen dabei ums Leben. In den letzten Monaten
"Man kann sagen, dass das Klima relativ friedlich ist“, resümiert Pater Peter, „Auf den Straßen ist es eher ruhig und die Polizei ist präsent. Aber es gab mehrere Aufrufe zum Aufstand oder Streik, und die Angst vor Zusammenstößen war immer groß. Es ist kein Zufall, dass die Polizeipräsenz in den Straßen der Städte, insbesondere in Freetown, stets massiv ist. Bei den Zusammenstößen vor einigen Monaten gab es viele Tote. Das Problem ist im Allgemeinen, dass Politiker, die Wahlen gewinnen, dazu neigen, ihre Anhänger zu besänftigen, doch die Angst der Menschen, ihren Arbeitsplatz zu verlieren, oder alte Stammeskonflite machen alles etwas komplizierte“. „Leider", fügt Pater Peter hinzu, "ist die wirtschaftliche und soziale Lage sehr problematisch, und der Konflikt in der Ukraine hat eine Situation verschärft, die bereits viele wunde Punkte aufwies. Dies hat die Spannungen in der sierra-leonischen Gesellschaft unweigerlich erhöht".
Laut dem Gechäftsführer von Caritas Feeetown "gibt es Faktoren außerhalb unseres Landes, die uns einen hohen Preis zahlen lassen. Es mag den Anschein haben, dass die Regierung etwas falsch macht, aber in Wirklichkeit sind es oft externe Faktoren".
Als der Krieg Ende der 1990er Jahre an Schärfe verlor, wurde den Politikern klar, wie notwendig es war, die Versöhnung in einer durch erbitterte Kämpfe gespaltenen und von schweren Verlusten gezeichneten Gemeinschaft zu fördern. Im Jahr 1999 wurde eine Wahrheits- und Versöhnungskommission im Rahmen des am 7. Juli 1999 unterzeichneten Friedensabkommens von Lomé eingesetzt, mit dem die Beendigung des Bürgerkriegs eingeleitet wurde. Das Abkommen wurde vom damaligen Präsidenten Ahmad Tejan Kabbah und dem Anführer der Vereinigten Revolutionären Front (RUF), Foday Sankoh, unterzeichnet.
"Ich denke, es hat viele Fortschritte gegeben, und wir können jetzt sagen, dass unsere Gesellschaft friedlicher geworden ist“, bekräftigt Pater Peter, „Wenn wir an die Zeit des Krieges zurückdenken und sie mit heute vergleichen, haben sich die Dinge gewaltig verändert. Es gab Rehabilitationsprogramme, z.B. für Kindersoldaten, bei denen auch die kirchliche Gemeinschaft an vorderster Front mitgewirkt hat, und trotz vieler Probleme ist das Land heute relativ friedlich. Die katholische Gemeinschaft (Katholiken machen 25 Prozent, Christen zusammen 40 Prozent der Bevölkerung aus, Anm. d. Red.) ist ein anerkannter und geschätzter Bestandteil der Gesellschaft. Schulen und Gesundheitseinrichtungen sind Bereiche, in denen die Kirche sehr präsent ist, und die Muslime respektieren uns sehr. Der Präsident ist katholisch, ebenso wie der Außenminister, der Polizeichef und der Armeechef. 75 % der Mitglieder der derzeitigen Regierung sind katholisch, ebenso wie die meisten Oppositionsführer. Wie auch immer die Wahlen ausgehen, es wird also auch in der nächsten Regierung Katholiken geben".
(LA) (Fides 23/6/2023)


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