AMERIKA/PERU - „Es gibt eine Art ‚internationalen Klub zur Förderung sozialer Verirrungen', der ein hedonistisches Sexualleben als Lebensmodell vorstellt und einen neuen Feminismus vorschlägt, der die Mutterschaft als große Geschenk Gottes an die Frau ignoriert und die Homosexualität als zusätzliche sexuelle Option betrachtet“. Der Erzbischof von Lima, Kardinal Juan Luis Cipriani, im Gespräch mit dem Fidesdienst

Montag, 30 Mai 2005

Lima (Fidesdienst) - Über wiederholte Versuche verschiedener Regierungen lateinamerikanischer Länder, Gesetze zu billigen, die das Leben und die Familie gefährden, sprach der Fidesdienst mit Kardinal Juan Luis Cipriani Thorn, Erzbischof von Lima und Primas von Peru. Kardinal Cipriani vertritt die Ansicht, dass der Grund für eine solche Entwicklung im moralischen Relativismus unserer Zeit zu suchen ist. Deshalb hält er die Bewusstseinsbildung angefangen bei der Kindheit bis zum Alter für dringend notwendig, damit alle Getauften, insbesondere diejenigen, die auf die Gesellschaft Einfluss ausüben können, ihrer Pflicht zum Schutz des Lebens nachkommen.

Eminenz, seit einigen Jahren wird in verschiedenen Ländern auf der ganzen Welt immer wieder versucht, Gesetze zu verabschieden, die das Leben und die Familie gefährden, die Grundzelle der Gesellschaft ist. Welche Gründe gibt es Ihrer Meinung nach dafür und welche Ziele werden mit einer solchen Politik verfolgt?
Man muss zu den Ursprüngen zurückkehren. Wir erleben einen tief greifenden und raschen Wandel bei den Konzepten und Gewohnheiten, zu dem es in unserer Gesellschaft fast unbemerkt kommt. Es geht dabei um Ideen und Auffassungen, die das menschliche Wesen nur beschränkt berücksichtigen, die jedoch immer wieder vorgestellt werden und damit sie als innovativ gelten werden sie als gewiss dargestellt. Mit anderen Worten es handelt sich hier um eine Desinformation über den Menschen und dessen Freiheit. Die Freiheit wird nicht als Fähigkeit des Menschen, sich für das Gute zu entscheiden betrachtet, sondern als freie Entscheidung für das Böse, das überall gegenwärtig ist und meist genussvoller oder einfacher ist.
Es gibt ideologische Strömungen, die vom Marxismus bis hin zum Liberalismus, vom Kollektivismus bis hin zum radikalen Individualismus, vom Agnostikertum bis zum Synkretismus reichen… Es wird ein neuer Feminismus vorgestellt, der die Mutterschaft als große Geschenk Gottes an die Frau ignoriert, die Homosexualität wird als zusätzliche sexuelle Option betrachtet, und nicht als das, was es eigentlich ist, d.h. eine ungeregelte Neigung. Auf diese Weise entsteht eine neue Strömung, in der alles relativ ist und nichts als definitiv anerkannt wird, da das letzte Maß das eigene ich und dessen Launen sind. Dies bezeichnete unser neuer Papst Benedikt XVI. auch als „Diktatur des Relativismus“ (vgl. Predigt bei der Messe zur Eröffnung des Konklave), 18. April 2005).
Auf diese Weise ist es mögliche, dass die allgemeine öffentlichen Meinung, die oft von den Medien manipuliert wird, Situationen, deren Verstoß gegen die Moral außer Frage steht, als normal darstellen kann, womit das Empfinden für moralische Werte untergraben wird und die Ethik nur noch anhand statistischer Daten gemessen wird. Werden solche Situationen laut Statistik von der Mehrheit akzeptiert, dann bemühen sich Gesetzgeber, die die Regierung eines Landes anstreben, Gesetze zu verabschieden, die von jenen begrüßt werden, die sie als Mehrheit der Bevölkerung betrachten. Die Ursache dafür ist der moralische Relativismus unserer Zeit, das Ziel, jenen Menschen zu gefallen, deren Billigung notwendig ist, damit man die meisten Stimmen erhält. Doch „die Kirche, die Christus nachfolgt, strebt nach der Wahrheit, die nicht immer der Meinung der Mehrheit entspricht“. (vgl. Familiaris Consortio 5).

Wie engagiert sich die katholische Kirche in Ihrem Land zum Schutz des Lebens und der Familie?
Die Kirche engagiert sich, getreu ihrer Verpflichtung gegenüber dem Evangelium, mit Wahrheit und Entschiedenheit, indem sie Angriffe auf das Leben und die Familie denunziert. Ein Beweis dafür sind die unzähligen Stellungnahmen und Botschaften, die die Bischöfe von Peru in dien vergangenen Jahren zu diesen Themen veröffentlichten. Das Prestige der Kirche als „Wächter der Seelen“ in Peru wird auch von den Umfragen bestätigt: Sie ist die Institution, die das meiste Ansehen genießt, weil sie den Glauben verkündet und das heilige Recht auf Leben streng bewacht, und es könnte nicht anders sein. Die katholische Kirche setzt sich dabei in Pfarrgemeinden, Schulen und kirchlichen Bewegungen dafür ein, dass das Evangelium des Lebens und der Familie überall bekannt ist. Jedes Jahr findet auf nationaler Ebene ein Tag für das Leben statt, an dem die Kirche versucht über die wesentlichen Inhalte der Enzyklika „Evangelium Vitae“ aufzuklären und die grundlegenden Kriterien zu diesem Thema zu erläutern. Im September findet jedes Jahr die Woche der Familie statt, in deren Mittelpunkt die Reflexion über die Aufgaben der Familie steht. Hierfür werden eigene Arbeitshilfen und Denkanstöße auf der Grundlage der kirchlichen Lehre und vor dem Hintergrund der Situation der Familien in unsrem Land vorbereitet.

Die Familie wird derzeit auch durch Gesetze gefährdet, die die so genannte ‚Ehe’ zwischen gleichgeschlechtlichen Paaren ermöglicht, wie dies derzeit in Spanien geschieht. Wie schätzen Sie dies ein?
Vor allem möchte ich darauf hinweisen, dass in Peru, Gott sei Dank, die meisten Ehen noch auf der Treue gründen und sich die Eheleute über die Ankunft von Kindern freuen. Diese Familien haben eine solide Grundlage und sind wahre Hauskirchen. Es ist nicht alles so tragisch. Diese christlichen Ehepaare erleben ihr Eheleben nach den Regeln der natur und empfangen die Gnade des Sakraments, das sie hochherzig annehmen. Sie sind wahre Zeugen des Evangeliums.
Leider gibt es jedoch eine Art „internationalen Klub zur Förderung der sozialen Verirrungen“, der das hedonistische Sexualleben als Lebensmodell vorstellt, wobei es oft zu Angriffen auf das geistige Wohlbefinden der Christen kommt und dies vor den Augen aller geschieht. Dieser Prozess der Säkularisierung der Gesellschaft schadet vor allem den Frauen. Die Kirche betet für sie und verkündet weiterhin die Lehre vom Sakrament der Ehe, die nicht den Moden und dem Kommen und Gehen ideologischer Strömungen folgen kann, bei denen es sich leider um ein neues Heidentum handelt.
Die Bewusstseinsbildung ist deshalb dringend notwendig und zwar von der Kindheit an bis zum Alter, damit alle Getauften - insbesondere, die durch ihre Position auf die Gesellschaft Einfluss ausüben, ihre Pflicht bei der Förderung und beim Schutz des Lebens übernehmen. Der moderne Apostel darf sich nicht vor der Wahrheit und dem Guten fürchten, auch wenn er dabei den Arbeitsplatz verliert und seine persönliche Ruhe oder sogar sein Leben gefährdet wird, In solchen Fällen ist die Unterlassung ebenso eine Sünde, wie in andern Fällen das Handeln.

Wie reagiert die Kirche in Peru auf solche systematischen Angriffe?
Die katholische Kirche hat eine Sendung: sie soll den christlichen Glauben unter allen Völkern verkünden. Es ist eine permanente Aufgabe, die durch die Katechese in den Pfarreien, den Religionsunterricht in den Schulen, die Spende der Sakramente, die Predigt beim Sonntagsgottesdienst, die Arbeit der Kapläne in Krankenhäusern, in Klöstern und bei der geistlichen Einkehr verwirklicht wird… Außerdem gibt es weiter nützliche Intiativen, wie zum Beispiel Eucharistische Kongresse, Weltjugendtage, die Freiwilligenarbeit im Krankendienst, die und katholische Verbände, die Leuchttürme des Glaubens sind. In Lima findet derzeit zudem die Stadtmission „Remar Mar adentro“ statt, an der in den Pfarrgemeinden, in den Schulen und in den Bewegungen hunderttausende Menschen teilgenommen haben und das Bewusstsein auf der Suche nach der Umkehr zu Gott angeregt wurde.
Auf die unterschiedlichste Art und Weise wird damit die Lehre und die Moral der Kirche bekannt gemacht und insbesondere die christliche Morallehre, die die Rechte der Arbeitnehmer schützt und an ihre Pflichten erinnert. Alle Getauften sind berufen, ihrer missionarischen Sendung nachzukommen. Aus diesem Grund halte ich auch die Berufungspastoral für sehr wichtig, vor allem wenn es darum geht die Zahl und die Qualität der Priester- und Ordenberufe zu verbessern. Wir beten für all dies, in der Gewissheit, dass wir auf den Beistand und die Gnade Gottes zählen können und blicken dabei auf die großen Probleme der heutigen Welt, in der das Engagement der Christen notwendig ist, damit sie Sauertag unter den Menschen sind, die ihren Frühling bereits sehen. Mit Gelassenheit blicken wir auf Maria, die Mutter der Armen, die uns bei dieser Aufgabe beistehen, wird, für die die Kirche eine besondere „Beilage“ besitzt, wenn es um moralische Werte in der heutigen Welt geht. (RZ) (Fidesdienst, 30/05/2005 - 109 Zeilen, 1.308 Worte)


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