AFRIKA/ÄGYPTEN - Bischof von Luxor: „Ich würde auch einen Muslim wählen, wenn ich diesen für das politische Amt als geeignet erachten würde“

Mittwoch, 28 September 2011

Kairo (Fidesdienst) – Am 28. November findet in Ägypten die Wahl für die Abgeordneten der Volkskammer (zweite Kammer des ägyptischen Parlaments) statt. Dies gab der Oberste Armeerat bekannt, der das Land seit dem Sturz des Regimes Mubarak regiert. Die Abgeordneten der Shura (erste Kammer des Parlaments) sollen am 29. Januar 2012 gewählt werden. Die erste Parlamentssitzung der beiden Kammern ist für März 2012 geplant.
„Zu den am besten organisierten Parteien gehören die Muslimbrüder und die Salafiten, die wahrscheinlich einen Großteil der Stimmen erhalten werden. Auf der anderen Seite verschaffen sich aber auch diejenigen Gehör, die ein echte demokratisches Regierung fordern, die die Menschenrechte respektiert“, so Bischof koptischen Joannes Zakaria von Luxor.
„Wir müssen auch bedenken, dass seit der Revolution unter Nasser im Jahr 1952 Ägypten bis heute von einem Militärregime regiert wurde, das die Gesellschaft nicht auf eine Demokratie vorbereitet hat“, so Bischof Zakaria. „Das alte Regime hat einen gehorsamen Bürger hervorgebracht: er isst, arbeitet, heiratet, aber er darf nicht denken. Man versteht also, weshalb die religiöse Identität für Ägypter auch auf politischer Ebene so wichtig ist, denn sie ist die einzige, die sie kennen“.
„Das Hauptproblem Ägyptens ist heute das Fehlen einer politischen Bildung, weshalb alles eine religiöse Prägung erhält“, so der Bischof von Luxor weiter. „Dies trifft sowohl für Christen als auch für Muslime zu. Wir brauchen alle mehr politische Reife“, so Bischof Zakaria, der in diesem Zusammenhang auch in konkretes Beispiel anführt: „In meiner Diözese arbeiten wir dafür, dass ein kritisches und verantwortliches politisches Bewusstsein unter den Gläubigen entsteht. Bei einem Treffen mit jungen Menschen waren diese überrascht, als ich ihnen sagte, dass ich auch problemlos einen muslimischen Kandidaten wählen würde, wenn ich diesen für ein wichtiges öffentliches Amt als geeignet erachten würde. Denn nicht die Religion des Kandidaten, sondern dessen menschliche und politische Qualitäten sind auschlaggebend. Die Jugendlichen waren sehr erstaunt über diese Feststellung, worauf ich ihnen erklärte, dass man in der Politik nicht auf die Religion des Kandidaten, sondern auf dessen Programme im Hinblick auf wichtige Themen, wie zum Beispiel die wirtschaftliche Entwicklung achten sollte.“
„Dies ist ein sehr wichtiger Punkt hier in Luxor, denn die Menschen leiden unter dem Einbruch im Fremdenverkehrssektor“, so Bischof Zakaria. „Aus diesem Grund nimmt auch die Kriminalität zu, weil die Menschen Hunger haben. Diese Verzweiflung machen sich diejenigen zunutze, die dem alten Regime angehören und Öl in das Feuer schütten, indem sie junge Menschen zur kriminellen und terroristischen Handlungen anspornen. Die demokratische Wende in Ägypten ruft auch Befürchtungen in angrenzenden Ländern hervor, denn ein demokratisches Ägypten wurde auch für die eigene Bevölkerung als Vorbild dienen“, so der Bischof von Luxor abschließend. (LM) (Fidesdienst, 28/09/2011)


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