ASIEN/INDIEN - Erzbischof Barwa fordert: „Gerechtigkeit, Versöhnung und Religionsfreiheit für Christen in Orissa“

Dienstag, 23 August 2011

Cuttack-Bhubaneswar (Fidesdienst) – „Der Frieden in Orissa muss auf dem Fundament der Versöhnung und der Gerechtigkeit gründen“, so Erzbischof John Barwa (svd) von Cuttack-Bhubaneswar, am Vorabend des „Gedenktags“, mit dem am 24. August an die Opfer der Massaker unter Christen im Jahr 2008 erinnert werden soll. Cuttack-Bhubaneswar ist mit über 62.000 Katholiken die größte katholische Diözese im nordostindischen Unionsstaat Orissa und umfasst den Verwaltungsbezirk Kandhamal, der 2008 Schauplatz der antichristlichen Massaker war, bei denen radikale hinduistische Gruppen über 100 Menschen ermordeten. Infolge der Massaker verließen 56.000 Einwohner das Gebiet. Erzbischof Barwa der sein Amt erst vor wenigen Wochen angetreten hat, wiederholt bei seinen Besuchen und bei den Begegnungen mit den Gläubigen seines Bistums immer wieder „Habt keine Angst“, „Liebt eure Feinde“. Es folgt das Interview mit dem Fidesdienst:

Exzellenz, wie werden Sie den Gedenktag am 24. August begehen?

Wir werden an diesem Jahrestag vor allem für eine friedliche Zukunft in Orissa beten. In vielen Kirchen wird es Gebetswachen und Gottesdienste geben. Ich werde an einer Gebetsfeier teilnehmen, bei der wir in einer kleinen katholischen Gemeinde an die Opfer erinnern, in einer innigen Beziehung zu Gott und durch einen Moment der Sammlung. Wir Christen möchten nur in Frieden in unserer Heimat leben. Trotz des vielen Leids und der großen Tragödie im Jahr 2008 empfinden wir weder Hass noch Rachegefühle. Wir erinnern an die Opfer der Vergangenheit und vertrauen Gott die Gegenwart und die Zukunft in Orissa an.

Wie sieht die Situation in der Region heute aus?

Gegenwärtig scheint die Lage ruhig: es gibt keine Massengewalt obschon es unterschwellige Konflikt in Form von Unterdrückung und Diskriminierung von Christen gibt. Viele Gläubige die Opfer der Übergriffe wurden, versuchen heute „sich ein neues Leben aufzubauen“, an einem anderen Ort fern von ihrer früheren Heimat. Gewiss es herrscht immer noch Angst und viele Christen sind weiterhin erschreckt und entmutigt. Als Bischof versuche ich bei den Besuchen in meinem Bistum, das ich langsam erkunde, Zuversicht unter den Menschen zu verbreiten, indem ich ihnen die konkrete Hilfe der Kirche verspreche und die Worte Jesu verkünde: „Habt keine Angst!“.

Halten Sie ein künftiges friedliches Zusammenleben für möglich?

Der Friede muss auf dem Fundament der Versöhnung und der Gerechtigkeit gründen. Heute stelle ich fest, dass meine Gläubigen einen festen Glauben besitzen: sie empfinden weder Hass noch Groll gegen diejenigen, die für Verwüstung und Tod verantwortlich sind, sondern sie sind von der Freude erfüllt, die von Gott kommt. Dies ist die Liebe gegenüber den Feinden, die das Evangelium predigt. Auch ich verkünde dies unter den Familien und den Vertriebenen, die in Armut leben. Denn nur so können die Wunden der Vergangenheit heilen und Raum für die Versöhnung entstehen.
Auf der anderen Seite ist aber auch Gerechtigkeit sehr wichtig: wir werden weiterhin über einen Priester und Anwalt Prozesse vor Gericht anstrengen, damit die Opfer einen gerechten Schadensersatz erhalten und damit die Schuldigen bestraft werden. Orissa ist ein Prüfstand für die Glaubwürdigkeit des indischen Justizsystems: es stehen die Grundlagen des Rechtsstaats auf dem Spiel. Wir möchten auch künftig auf unseren Staat und dessen Justizsystem vertrauen können, obschon unter den Gläubigen heute Mutlosigkeit und Verlassenheitsgefühl weit verbreitet sind.

Wie beurteilen sie die jüngsten Anordnungen im Hinblick auf die Demolierung von Kirchen?

Was die Frage der Demolierung von Kirchen anbelangt (vgl. Fidesdienst vom 22/08/2011), werden wir beim Obersten Gericht prüfen lassen, ob die Anordnungen rechtmäßig sind, damit unser Anspruch auf Kultus- und Religionsfreiheit respektiert wird, wie es die indischen Verfassung vorsieht. Sollten die Anordnungen verfassungswidrig sein, werden sie annulliert werden. Ich glaube, dass sich bald eine Lösung finden wird.

Was wünschen Sie sich von der Regierung in Orissa?

Von der Regierung wünschen wir uns Schutz und Beendigung der Diskriminierung christlicher Bürger sowie den Schutz des Anspruchs auf ein friedliches Leben in unserer Heimat und das freie Glaubensbekenntnis. Am 24. August werden wir dafür beten, dass der Herr unsere Regierenden erleuchten und ihnen seine Gnade schenken möge.
(PA) (Fidesdienst, 23/08/2011)


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