ASIEN/PAKISTAN - Die Kirche fordert von Präsiden Musharraf, der heute vom Papst in Audienz empfangen wird, die Abschaffung des Blasphemie-Paragraphen. Der Fidesdienst veröffentlicht ein Dokument der bischöflichen Kommission für Gerechtigkeit und Frieden

Donnerstag, 30 September 2004

Lahore (Fidesdienst) - Seit Monaten fordert die katholische Kirche in Pakistan die Abschaffung des so genannten Blasphemie-Paragraphen, den sie als ungerecht und gegenüber nichtmuslimischen religiösen Minderheiten als diskriminierend bezeichnen. Diese Forderungen wurden anlässlich des Besuchs des pakistanischen Staatsoberhaupts im Vatikan am 30. September erneut mit Nachdruck geäußert. Der Präsident hatte zwar bereits eine Gesetzesänderung vorgeschlagen, doch ein solcher Vorschlag wird zunächst dem Rat für muslimische Ideologie vorgelegt.
In einer Verlautbarung der bischöflichen Kommission für „Gerechtigkeit und Frieden“, die dem Fidesdienst vorliegt, wird darauf hingewiesen, dass „während der Änderungsvorschlag dem Rat vorliegt, das Schicksal von 30 Menschen, Christen und Muslime, die der Blasphemie angeklagt sind und auf einen Prozess oder ein Berufungsurteil warten, weiterhin im Finsteren bleibt. Dies bedeutet, das das Leid der Angeklagten und ihrer Familien weitergeht, obschon die Lücken des Gesetzes und dessen Instrumentalisierung offensichtlich sind.“
Der Leiter der Kommission, Peter Jakob, weist in der Verlautbarung auf einen exemplarischen Fall in Kashmir hin: der 60jährige Professor Zahis Hussain Mizra, Schriftsteller und Rektor des Kollegs von Kaseetpur, befindet sich seit Juni 1999 in Haft. Während seiner Haft wurde er schwer krank und ist heute wegen einer Krebserkrankung in Behandlung. Der Anführer der örtlichen muslimischen Bewegung, Bashir Mustafwi hatte wegen einiger Sätze, die in seinem Buch „Der Staat des Propheten“ enthalten sind, Anklage wegen Blasphemie gegen ihn erhoben.
Das Buch wurde vom Verlagshaus Markaz Al Dawat Al-Islamia in Rawalpinde veröffentlicht. Der Professor zitiert in seinem Buch ganz einfach Positionen von Vertretern der wahabitische Rechtschule zu Fragen der muslimischen Lehre. Das Buch wurde mit Genehmigung der muslimischen religiösen Behörden in Pakistan und Saudi-Arabien gedruckt, die bestätigten, dass das Buch keinerlei blasphemisches Material enthalte. Der Professor wurde jedoch angeklagt und inhaftiert und zwei Berufungsanträge seines Verteidigers wurden bisher abgelehnt. Angesichts seines bedenklichen Gesundheitszustands befürchten seine Angehörigen nun, dass er im Gefängnis sterben könnte.
„Dieser Fall“, heißt es in der Verlautbarung der bischöflichen Kommission, „ist unglaublich. Der Angeklagte ist eine bekannte Persönlichkeit und ist ganz offensichtlich Opfer einer Manipulierung geworden. Fünf Jahre Haft für ein Buch ohne dass es Beweise gegen ihn gibt, so etwas kann in keinem Land der Welt akzeptiert werden. Er muss dieses ungerechte Urteil ertragen, nur weil sich jemand über ihn aufgeregt hat“.
Nach Angaben der bischöflichen Kommission wurden in den Jahren von 1987 bis 2004 offiziell mindestens 280 Fälle gemeldet, doch insgesamt wurden über 560 Personen angeklagt und es ist im Zusammenhang mit diesem Gesetz auch zu Morden gekommen.
„Dies stellt das negative Potenzial des Blasphemieparagraphen unter Beweis: da es willkürlich angewandt wird gibt es Anlass zu sozialer Ungerechtigkeit“, heißt es in der Verlautbarung weiter. „Das Blasphemiegesetz hat Konflikte in verschiedenen Teilen der Gesellschaft verursacht und zur religiösen Intoleranz im Land geführt. Vielen Familien hat es Leid gebracht und viele mussten sogar dafür sterben. Die gegenwärtige Regierung und die Regierungen, die seit 1988 an der Macht waren, haben eine Revision unter den verschiedensten Vorwänden verschoben. Deshalb fragen wir die Regierung: Wie viele Fälle wie den von Professor Zahis Hussain Mirza muss es noch geben, bevor es in unserem Land Gerechtigkeit gibt?“
In einem Kommentar zu einem Gesetzesentwurf namens „Änderungen zum Strafrecht“, zur Revision der Strafgesetze im Zusammenhang mit Ehrendelikten, Blasphemie und den „Hudud“-Verfügungen (1979 eingeführte auf dem Koran basierende Rechtssprechung) erklärte Erzbischof Saldanha im Gespräch mit dem Fidesdienst: „Es wird von einer Revision gesprochen, nicht von einer radikalen Gesetzesänderung. Doch dieses Gesetz ist ungerecht und muss deshalb abgeschafft werden. Unterdessen werden weiterhin Christen unschuldige Opfer dieses ungerechten Gesetzes“. Nach Angaben des Erzbischofs befinden sich derzeit „rund 80 Christen wegen Blasphemie im Gefängnis“. „Wenn man bedenkt, dass die Christen nur rund 1% der pakistanischen Bevölkerung ausmachen, ist dies Zahl sehr hoch“, so Erzbischof Saldanha. (PA) (Fidesdienst, 30/09/2004 - 57 Zeilen, 634 Worte)


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