AFRIKA/ÄGYPTEN - P. Verdoscia aus Kairo: „Fundamentalistisches Gedankengut findet unter den jungen Revolutionären keinen fruchtbaren Nährboden“

Mittwoch, 13 April 2011

Kairo (Fidesdienst) – „Für die Festnahme Mubaraks war wahrscheinlich auch seine Ansprache im Fernsehen ausschlaggebend. Die Demonstranten auf dem Tahrir-Platz kritisierten dabei vor allem die Selbstverteidigung des ehemaligen Präsidenten, der an seine Verdienste um den Fortschritt in Ägypten erinnerte, sich aber nicht für die Toten bei den Kundgebungen und seine Verantwortlichkeit dafür entschuldigte“, so der seit vielen Jahren in Kairo tätige italienische Comboni Missionar, P. Luciano Verdoscia, zum Fidesdienst.
Am 9. April kam es zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen der Armee und Demonstranten, die auf dem Tahrir-Platz die Festnahme des ehemaligen Präsidenten forderte. Am 10. April hatte der ehemalige Präsident in einer vom Fernsehsender „Al Arabiya“ veröffentlichten Ansprache seine Entscheidungen gerechtfertig. Am 13. April wurde Mubarak in zweiwöchige Verwahrungshaft genommen und zusammen mit ihm auch seine beiden Söhne Alaa und Gamal. Das ehemalige ägyptische Staatoberhaupt befindet sich derzeit nach einem Infarkt in Intensivtherapie.
„Nach den jüngsten Ereignissen auf dem Tahrir-Platz hat sich die Lage nun wieder beruhigt, doch diese Episoden wird man nicht so schnell vergessen“, so der Missionar. Zur künftigen Entwicklung der ägyptischen Gesellschaft nach den Ereignissen der vergangenen Monate sagt der Missionar: „Es findet derzeit eine öffentliche Debatte statt, bei der einige die Meinung vertreten, dass es sich nicht um eine wahre Revolution handelte. Meiner Ansicht nach war es jedoch eine Revolution, deren Auswirkungen jedoch noch nicht ganz zum Tragen kommen. Wenn der Übergangsprozess weitergeht und man die Gefahr des Fundamentalismus verhindern kann, dann wird die Entwicklung in diesem Land für die ganze Welt beispielhaft sein“.
P. Verdoscia erinnert daran, dass die ägyptischen Zeitungen in den vergangen Tagen über die Rückkehr von 300 islamischen Extremisten nach Ägypten berichteten, die die ‚Reinheit’ des ursprünglichen Islam fordern. Es soll sich um Ägypter handeln, die Verbindungen zu Al-Kaida und anderen Organisationen haben und die durch ihre Heimkehr die Entwicklung im Land beeinflussen sollen. Die Fundamentalisten wissen wohl, dass Ägypten die Entwicklung im gesamten Nahen Osten beeinflussen wird. Bei Gesprächen mit den Menschen auf der Straße habe ich jedoch festgestellt, dass diese bestens um die Gefahren des Fundamentalismus wissen. Und die Ägypter lehnen den Fundamentalismus ab. Fundamentalistisches Gedankengut findet unter den jungen Revolutionären keinen fruchtbaren Nährboden, denn sie wissen, was dies bedeutet. Die Menschen hier wollen einfach nur leben“.
„Es gibt jedoch“ so der Missionar abschließend, „eine Kluft zwischen den jungen Revolutionären und den ungebildeten Bevölkerungsschichten, die sich eher durch islamische Prediger beeinflussen lassen, wie dies auch bei der jüngsten Volksabstimmung über die Verfassung offensichtlich wurde, die vielerorts als Abstimmung ‚für oder gegen Gott’ dargestellt worden war.“ (Fidesdienst, 13/04/2011)


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