AFRIKA/ÄGYPTEN - Wichtige Wende: „Die Presse berichtet jetzt von der Korruption in den Reihen des Regimes“, so Pater Verdoscia

Mittwoch, 9 Februar 2011

Kairo (Fidesdienst) – „Gestern gab es auf dem Tahrir-Platz erneut eine große Demonstration. Der Protestbewegung schließen sich stets weitere Anhänger an“, so der seit vielen Jahren in Kairo tätige italienische Comboni Missionar P. Luciano Verdoscia im Gespräch mit dem Fidesdiesnt. Der Priester weist auf eine wichtige Wende bei der Berichterstattung hin: „Zeitungen und Fernsehsender haben damit begonnen in ihren Berichten, die Korruption der Minister der vorherigen Regierung zu denunzieren. Es wurden sogar Vermutungen im Hinblick auf eine mutmaßliche Verwicklung des ehemaligen Innenministers im Zusammenhang mit den Attentaten vom 31. Dezember in Alexandria angestellt. Dies muss natürlich noch bewiesen werden.“
Die Korruption und die wirtschaftlichen Unterschiede gehören zu den Gründen, die sich hauptsächlich hinter den Protesten verbergen: „In Ägypten hungern die Menschen zwar nicht, doch es gibt eine extreme Armut“, so Pater Luciano. „Die Brotpreise wurden von der Regierung subventioniert. Ein Stück arabisches Brot kostet umgerechnet eine ägyptische Lira (weniger als 1 Eurocent). Es fehlt den Armen also nicht an Brot“.
Damit man die Hintergründe der Proteste versteht, so P. Luciano „muss man sich daran erinnern, dass dies eine Revolution der jungen Menschen ist, vor allem jener mit einem gewissen Bildungsgrad, die Internet nutzen und gleichsam aber keine Möglichkeit haben, eine würdige Arbeit zu finden, die ihren Fähigkeiten entspricht. Wenn jemandem mit einem Hochschulabschluss, der zwei Sprachen spricht, ein Gehalt in Höhe von 150 Euro angeboten wird, dann wird er das nicht akzeptieren. Doch es gibt auch Ägypter, die umgerechnet rund 15.000 bis 20.000 Euro im Monat verdienen. Es gibt Unternehmer die mit dem Verkauf eines Grundstücks 10.000 % Gewinn machen, wenn sie die Grundstücke für 10 Euro pro Quadratmeter kaufen und anschließend für 5000 bis 7000 Euro wieder verkaufen. So kommt es zu diesen zum Himmel schreienden Ungerechtigkeiten.
Die Tatsache, dass die Zeitungen nun über die Anhäufung von Geld seitens der Minister berichten, die Unternehmer begünstigt haben, die dann mit Bauspekulationen Gewinne gemacht haben, ist deshalb eine wichtige Wende. Denn das Regime Mubarak versucht nun dem Wunsch nach sozialer Gerechtigkeit nachzukommen, indem es die Minister entlässt, gegen die Anklage erstattet werden wird, so dass sie das Land nicht verlassen können.
Wir fragen P. Luciano, wie er persönlich als Missionar die jüngsten Entwicklungen erlebt. „Als Missionsgemeinschaft fragen wir uns natürlich, was diese Entwicklung für uns bedeuten wird und wie wir prophetisch handeln können, wie wir die Seligpreisungen des Evangeliums in einem solchen Kontext leben können. Wir haben deshalb beschlossen, dass wir den Wunsch nach Gerechtigkeit und Freiheit dieses Volkers unterstützen“, so der Missionar abschließend. (LM) (Fidesdienst, 09/02/2011)


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