AFRIKA/ÄGYPTEN - Missionar zum Fidesdienst: „Trotz anhaltender Proteste kehrt das Land zur Normalität zurück“

Montag, 7 Februar 2011

Kairo (Fidesdienst) – „Die Situation scheint sich zu normalisieren, obschon auf dem Tahrir-Platz weiter demonstriert wird“, so der seit vielen Jahren in Kairo tätige italienische Comboni-Missionar Luciano Verdoscia zum Fidesdienst. „Diese Tage des Protests haben Ägypten zutiefst gekennzeichnet, auch unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten, den die ganze Volkswirtschaft stand still, wobei sich die Unternehmenstätigkeit, vor allem im Bereich des Fremdenverkehrs nur mit Mühe wieder normalisieren wird“.
Die Gespräche zwischen dem stellvertretenden Präsidenten Omar Suleiman und den Oppositionsvertretern, darunter auch zwei Vertreter der Moslembrüder, führten zu keiner Einigung: die Moslembrüder bestehen auf den Rücktritt von Staatspräsident Mubarak. „Anfangs hatten sich die Moslembrüder geweigert, mit der Regierung zu sprechen, weil sie den Rücktritt Mubaraks zur Bedingung gemacht hatten. Es handelt sich also um ein unvorhergesehenes Treffen“, so der Missionar. P. Luciano äußert sich vorsichtig zum Ausgang der Gespräche: „Wir werden sehen müssen, wie sich der Dialog zwischen der Regierung und den Moslembrüdern entwickelt. Dabei muss man auch berücksichtigen, dass die Opposition nicht nur aus den Moslembrüdern besteht“.
„Ich habe den Eindruck“, so der Missionar weiter, „als ob unter den Menschen die Meinung herrscht, dass keine Gruppe den Vorrang vor der anderen hat. Es gibt verschiedene Teile der Gesellschaft, die keine Vorherrschaft der muslimischen Parteien wollen, An erster Stelle das Umfeld Mubaraks: die Mitglieder seiner Partei, die Mitarbeiter der Sicherheitskräfte und die Unternehmer des Landes, die sich in den vergangenen Jahren große Vorteile verschafft hatten. Außerdem fordern auch die jungen Menschen, die auf den Straßen demonstrieren eine demokratische Regierung. Die Moslembrüder selbst erklären, dass sie ein demokratisches System wollen und dabei das türkische Modell vor Augen haben. Außerdem gibt es in den Reihen der Moslembrüder verschiedene Strömungen, es gibt Radikale aber auch Moderate, die durch einen demokratischen Prozess an die Regierung gelangen wollen. Sollten sie jedoch auf demokratische Weise an die Macht gelangen und dann den muslimischen Prinzipien Vorrang geben, dann würde dies ein Problem für die anderen Komponenten der Gesellschaft sein“.
„Auf dem Tahrir-Platz haben sich auch Christen zum Gebet versammelt und auf einigen Pressefotos sind Christen zu sehen, die eine Bibel hochhalten und Muslime die einen Koran hochhalte, und damit zeigen wollen, „wir sind ein einziges Volk“. Dies ist ein positives Zeichen. Alle wünschen wir uns, dass der Weg in diese Richtung geht. Wir hoffen, dass diese Übergangsphase möglichst schmerzlos stattfindet. Die Ägypter haben eine Tradition, eine Geschichte und eine Kultur, die nicht unterbewertet werden darf. Was hier geschieht ist ein Zeichen der Reife dieses Volkes“, so P. Luciano abschließend. (LM) (Fidesdienst, 07/02/2011)


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