AFRIKA/ÄGYPTEN - P. Luciano Verdoscia unter den Demonstranten auf dem Tahrir-Platz: „Ich habe das Beste gesehen, was Ägypten zu bieten hat“

Samstag, 5 Februar 2011

Kario (Fidesdienst) – „Die Situation hat sich sehr verbessert“, so der seit vielen Jahren in Kairo tätige P. Luciano Verdoscia. „Am 4. Februar hat die Armee bedeutende Schritte unternommen und den Zugang zum Tahrir-Platz (wo die Demonstrationen stattfinden) für Provokateure gesperrt. Die Demonstranten haben selbst in den kleineren Parallelstraßen einen gut funktionierenden Ordnungsdienst organisiert. Auch von dort konnte man auf den Platz gelangen“.
„Ich habe mich unter die Demonstranten gemischt“, so P. Luciano. „Vor ich auf den Platz gelangte, bin ich rund hundert Jugendlichen begegnet, die wahrscheinlich von irgendjemandem bezahlt wurden und ganz offensichtlich Sympathisanten des Regimes waren. Es handelte sich um sehr junge Männer, die von Leuten bezahlt werden, die das Regime erhalten wollen.“
„Ich bin über eine Seitenstraße an dieser Gruppe vorbeigegangen“, so der Missionar weiter, „und bin auf den Ordnungsdienst der Demonstranten begegnet. Nachdem ich meinen Ausweis gezeigt hatte und durchsucht worden war, durfte ich auf den Platz. Alles geschah sehr ruhig und freundlich. Diejenigen, die die Kontrollen durchführen sind sehr wohlerzogen.“
„Ich habe mit mehreren Demonstranten gesprochen: die meisten sind junge Menschen im Alter unter 40 Jahren, der Anteil der Erwachsenen liegt bei etwa 30% und es handelt sich sowohl um Muslime als auch um Christen. Das Klima war heiter und auch die Slogans gegen die Regierung sind ironisch und witzig formuliert. Ich haben den Eindruck, dass die Menschen ganz klare Vorstellungen haben: sie wollen das Regime überwinden. Die Spaltungen, die in der ägyptischen Gesellschaft existieren, werden später zum Vorschein kommen, heute möchte man ganz einfach das Blatt wenden“.
Der Missionar erklärt, weshalb er auf dem Tahrir-Platz war: „Ich wollte verstehen, wie die Realität auf dem Platz aussieht. Ich habe Verletzte gesehen, die mit Steinen beworfen worden waren. Sie wurden von freiwilligen Ärzten und Krankenpflegern versorgt. Im Mittelpunkt steht die Solidarität. Und ich muss sagen: ‚Ich habe das Beste gesehen, was Ägypten zu bieten hat’. In Ägypten gibt es viele gebildete, wohlerzogene und mutige Menschen. Ich hoffe, dass dies im Laufe dieses Prozesses sichtbar wird, denn Ägypten wird ausschlaggeben sein für die Zukunft des gesamten Nahen Ostens“. (LM) (Fidesdienst, 05/02/2011)


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