ASIEN/IRAK - Nach dem Blutbad stehen die Christen vor der Frage: Gehen oder Bleiben?

Mittwoch, 3 November 2010

Bagdad (Fidesdienst) – „Die Christen im Irak stehen unter Schock. Sie stehen nun vor einem Dilemma: sollen sie auswandern und ihr eigenes Leben und das ihrer Angehörigen schützen oder im Land bleiben und von ihrem Glauben zeugen und damit den Tod riskieren“, so der Obere der Redemptoristengemeinschaft in Bagdad, P. Vincent Van Vossel, CSsR, in einem Kommentar zu dem Attentat auf eine syrisch katholische Kirche in Bagdad. Während des Gottesdienstes war ein Kommando einer mit Al-Kaida in Verbindung stehenden Gruppe in die Kirche ein und nahmen die Gottesdienstteilnehmer in Geiselhaft. Bei einem Massaker im Zusammenhang mit dem Befreiungsversuch der irakischen Sicherheitskräfte starben 58 Menschen, darunter auch zwei Priester, 70 Personen wurden verletzt.
P. Vincent lebt seit 40 Jahren im Irak und Unterrichtet als Dozent am Babel College in Bagdad, das mit der Päpstlichen Urbaniana-Universität assoziiert ist. „Dies ist für uns ein schrecklicher Moment“, so P. Vincent im Gespräch mit dem Fidesdienst, „Es hat noch nie zuvor ein Massaker solchen Ausmaßes gegeben, das zudem im Inneren einer Kirche während einer Heiligen Messe ausgeübt wurde. Ich habe die Kirche besucht und mit Augenzeugen gesprochen, die immer noch unters Schock stehen. Die Terroristen haben skrupellos auch Frauen und Kinder ermordet. Die ganze Gemeinde ist traumatisiert. Die Kirche gleicht einem Friedhof.“
Die christliche Glaubensgemeinschaft in Bagdad hat bei dem Attentat zwei syrisch-katholische Priester verloren: Pfarrer Wasim Sabieh und Pfarrer Thaier Saad Abdal. Ein dritter Priester, der Generalvikar des syrisch-katholischen Bischofs von Bagdad, Pfarrer Rufail Quataimi, befindet sich noch im Krankenhaus. Sein Zustand ist besorgniserregend. „Es ist eine Tragödie! Zwei noch nicht einmal dreißigjährige Priester mussten sterben. Sie waren meine Studenten. Beide engagierten sich aktiv für das Bibelapostolat, den interreligiösen Dialog und karitative Werke. Pfarrer Thaier war Leiter eines Zentrums für Islamkunde und Pfarrer Wasin kümmerte sich um Familien in Not. Sie werden uns fehlen“, so P. Vincent.
„In Bagdad wurden auch Attentate auf schiitische heilige Stätten verübt“, so der Redemptoristenpater weiter, „dies bedeutet, dass nicht nur Christen angegriffen werden, sondern eine Terrorwelle im ganzen Land festzustellen ist. Wir wissen nicht, wer sich hinter diesen Handlungen verbirgt. Doch die Menschen leiden darunter. Das Land sieht sich mit großen Übeln konfrontiert“.
Deshalb stehen die Christen nun vor einem Dilemma. „Viele Gläubige sagen, dass es für sie unmöglich ist hier weiterzuleben. Viele christliche Familien planen deshalb die Auswanderung. Es stellt sich die Frage, ob man das Land auf der Suche nach einer besseren Zukunft verlassen soll oder ob man bleibt, und dabei das Leben riskiert. In diesem tragischen Augenblick tragen die Bischöfe große Verantwortung, indem sie zu den Gläubigen sprechen und ihnen Hoffnung schenken und Gründe nennen, die sie zum Bleiben bewegen. Auch unserer Hirten stehen damit vor einer schwierigen Aufgabe“, so der Ordensmann.
An der Beisetzungsfeier für die beiden Priester „nahmen auch viele Vertreter der muslimischen Glaubensgemeinschaft teil, die die Regierung auch bereits um mehr Schutz für Christen gebeten haben“. „Es bleibt zu hoffen, dass nach diesem wiederholten Massaker die Zivilbehörden den Schrei der irakischen Christen hören und ihr Leiden beenden“. (PA) (Fidesdienst, 03/11/2010)


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