VATIKAN - „AVE MARIA“ von Msgr. Luciano Alimandi - „Sich der Barmherzigkeit öffnen“

Mittwoch, 18 März 2009

Vatikanstadt (Fidesdienst) – Die Fastenzeit ist eine besondere Zeit der Barmherzigkeit. Das Wort Gottes und die Gebete in der alltäglichen Heiligen Messe betonten den Sieg der Liebe über die Sünde: Gott erlöst durch seine Barmherzigkeit, die durch den Sohn Gottes, unseren Herrn Jesus offenbar wurde! Er ist vor allem gekommen, um uns zu vergeben, um uns mit dem Vater zu versöhnen, doch dies ist nur mögliche, wenn auch wir, untereinander, das oberste Gebot der Liebe und des gegenseitigen Vergebens leben.
„Herr, wie oft muss ich meinem Bruder vergeben, wenn er sich gegen mich versündigt?“ (Mt, 18,21), fragt Simon Petrus Jesus, als ob er betonten wollte, dass es eine Grenze für das Vergeben gibt. „Wie oft?“, das fragen auch wir gerne. Jesus antwortet immer dasselbe: „Immer“ (Lk 18,22)! Man könnte sagen, dass die Lehre, der der Herr mehr Aufmerksamkeit, Energie und Nachdruck widmete, die Lehre von der Barmherzigkeit ist. Ist sie nicht auch das Wichtigste? Und waren die Jünger nicht auch sehr widerstandsfähig, wenn es darum ging, sie im eigenen Leben umzusetzen, wie auch wir dies sind? Der Herr geht nicht auf Kompromisse ein und warnt: „Ebenso wird mein himmlischer Vater jeden von euch behandeln, der seinem Bruder nicht von ganzem Herzen vergibt.“ (Mt 18, 35). Und bezieht sich dabei im Gleichnis vom unbarmherzigen Gläubiger und die Strafe, die er erhält, weil er kein Erbarmen gegenüber seinen Mitmenschen zeigt.
Das Erbarmen wird ein solches, nur wenn es ausgeübt wird, nicht wenn es reine Theorie bleibt. Deshalb verkündete Jesus die Barmherzigkeit mit unauslöschbaren Taten und Worten, die den Sieg der Liebe, die vergibt, leuchten lässt.
Eine Barmherzigkeit, die nicht zum Vergaben führt, wäre falsch, denn Jesus lässt uns auch im Gebet zum Vater bitten: „Vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern“ (Mt, 6,12). ER Identifiziert die christliche Vollkommenheit mit dem Nachahmen der göttlichen Barmherzigkeit: „Seid barmherzig, wie es auch euer Vater ist“ (Lk 6,36). Sein ganzes Wirken ist von einer unermesslichen Barmherzigkeit geprägt, die überall ausstrahlt. Jesus lehnt öffentlich diejenigen ab, die die Barmherzigkeit mit dem eigenen Verhalten zunichte machen. Es sind diese die „Schriftgelehrten und Pharisäer, die sich auf den Stuhl des Mose gesetzt haben. Tut und befolgt also alles, was sie euch sagen, aber richtet euch nicht nach dem, was sie tun; denn sie reden nur, tun selbst aber nicht, was sie sagen“ (Mt 23, 2-3).
Kernstück der Lehre Christi zur Barmherzigkeit ist das Gleichnis vom „barmherzigen Vater“ oder vom „verlorenen Sohn“. Jedes Mal, wenn wir es lesen, dann entdecken wir etwas Neues über die tröstende und wunderbare Wahrheit: Gott ist ein unendlich barmherziger Vater!
Das Gleichnis beginnt so: „Ein Mann hatte zwei Söhne. Der jüngere von ihnen sagte zu seinem Vater: Vater, gib mir das Erbteil, das mir zusteht. Da teilte der Vater das Vermögen auf“ (Lk 15,12). Daraufhin geht dieser Sohn in die Welt und gibt sein ganzes Vermögen für die Sünde aus, bis er selbst die eigene Würde verliert und kein Geld mehr besitzt, und Schweine hüten musste und sich von deren Futterschoten er sich gerne ernährt hätte, doch „niemand gab ihm davon“ (Lk 15,16), bis er, nachdem er den Tiefpunkt erreicht hatte, „in sich ging“ (Lk 15,17), und wieder das Haupt erhebt, um nicht von der brutalen Abwesenheit des Erbarmens erdrückt zu werden. Denn jeder Sünder, der sündigt und nicht um Vergebung bittet, fällt immer tiefer, wie ein Stein, der im Meer versinkt. So geht es auch dem, der nicht die Versöhnung mit Gott und mit den Brüdern sicht. Das Herz wird schwer und nut das Erbarmen Gottes kann es wieder hochheben. Denn dies ist die schönste Geste, die dieser Sohn zu tun in der Lage war: „Ich will aufbrechen und zu meinem Vater gehen und zu ihm sagen: Vater, ich habe mich gegen den Himmel und gegen dich versündigt“ (Lk 15,18). Der Vater, der von Anfang an auf seine Rückkehr wartete, läuft ihm gerührt entgegen, umarmt und küsst ihn, hört seine Beichte an und gibt sofort und ganz unerwartet Anweisungen, ein Fest für ihn auszurichten, er möchte ihn mit den schönsten Gewändern kleiden und ihm den kostbarsten Ring anstecken. Wer konnte sich ein solches Fest ausdenken: nur der Vater! Der andere, größere Sohn kehrte von der Arbeit heim und fragte, als er die Musik und den Tanz hört, den Diener was geschehen sei und als er hört, dass der Vater ein Fest für den zurückgekehrten Sohn feierte, „wurde er zornig und wollte nicht hineingehen“ (vgl. Lk 15 28-29); doch er kennt das Erbarmen nicht, den er kennt das Herz des Vaters nicht!
Im Grunde unseres Herzens befinden sich diese beiden Brüder: wir hören die Stimme des jüngeren Sohns, der um Vergebung bittet und die des älteren Sohns, der mit dem Finger auf den anderen zeigt und über ihn urteilt. Die beiden Stimmen existieren nebeneinander: manchmal übernehmen wir die Rolle des größeren und manchmal die des kleineren Bruders. Es ist also notwendig, dass in uns die Stimme des Vaters lauter wird, dass sie die anderen Stimmen übertönt, damit auch wir uns der göttlichen Barmherzigkeit mehr und mehr öffnen.
Der Heilige Vater erinnert uns Gläubige daran, dass es zur Überwindung der Widersprüche und Spaltungen nur einen Weg gibt, den Weg der Demut und der Liebe. Bei seinem Besuch im römischen Priesterseminar kommentierte der Papst einen Ausschnitt aus dem Brief an die Galater, den er auch in seinem jüngsten Brief an die katholischen Bischöfe zur Aufhebung der Exkommunikation der von Lefebvre geweihten Bischöfe zitiert, und betont: „In diesem Brief gibt es eine Anspielung auf die etwas betrübende Situation in der Gemeinde der Galater, wo der heilige Paulus sagt: „Wenn ihr euch gegenseitig beißt und zerreißt, achtet wenigstens darauf, dass ihr euch nicht gegenseitig vollkommen zerstört…Folgt auf eurem Weg dem Geist (…) Diese Mahnung des heiligen Paulus sollte auch uns zu einer Prüfung des Gewissens anregen: wir dürfen nicht denken, dass wir den anderen überlegen sind, sondern wir müssen uns in der Demut Christi wieder finden, in der Demut der Gottesmutter und uns den Gehorsam des Glaubens zu eigen machen. Nur so öffnet sich auch uns der große Raum der Wahrheit und der Freiheit in der Liebe (Papst Benedikt XVI., aus der Lectio divina zum Brief des heiligen Paulus an die Galater, Römisches Priesterseminar, am 20. Februar 2009). (Fidesdienst, 18/03/2009 – 76 Zeilen, 1.042 Worte)


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