VATIKAN - „AVE MARIA“ von Mgr. Luciano Alimandi - Die Fastenzeit: Raum der Freiheit

Mittwoch, 25 Februar 2009

Vatikanstadt (Fidesdienst) – Die Fastenzeit sollte man nicht nur als Zeit der Vorbereitung auf Ostern betrachten, sondern als eine Zeit und einen Weg der Gnade, der obschon er über die Prüfung der Versuchung und den Kampf gegen die Sünde führt, doch zur Herrlichkeit des Auferstanden führt, wie ein Fluss, der in sein Meer fließt. Der Fluss ist noch kein Meer, aber er weiß es.
Denn der Herr fordert, dass man ihm in jedem Moment folgt, vor allem wenn das Kreuz besonders schwer wird. Man kann jedoch nicht das Ganze annehmen, wenn man sich nicht seiner selbst entleert: „Wer mein Jünger sein will, der verleugne sich selbst, nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach. Denn wer sein Leben retten will, wird es verlieren, wer aber sein Leben um meinetwillen und um des Evangeliums willen verliert, wird es retten“ (Mk 8, 34-35).
Niederlage und Sieg, Leid und Freude, Kreuz und Auferstehung, Buße und Fest sind zwei Seiten derselben Medaille, d.h. derselben Realität, es sind die Paradoxe der einen Wahrheit des Glaubens: der gekreuzigte Christus ist auferstanden und hat die Macht, unsere Geschichte zu verwandeln, das ganze Leben, das aus vielen Nein und Ja besteht und in einen einzigen großen Ja zu Gott.
Die ganze Menschheit wurde von Jesus erlöst, doch damit die Erlösung in jedem von uns wirksam wird, ist das Bekenntnis des Glaubens an Ihn des Einzelnen notwendig. Wenn man sich mit totaler Zuversicht Jesus anvertraut, dann „tritt er ein“ in unsere Leben und vereint durch seine Gnade.
Ohne das erneuerte Bekenntnis des Glaubens an Ihn, kann Jesus das Wunder der Verwandlung des Lebens nicht vollbringen. Die menschlichen Kräfte, der gute Wille zur Besserung allein reicht nicht aus: er ist wie eine Linie die man zu ziehen versucht, die aber immer wieder unterbrochen wird; es ist wie ein Weg, den ich zu bauen versuche, der aber immer wieder einbricht, so dass ich nicht weiß, wie ich weitermachen soll. Ohne die Bekehrung zu Christus im Glauben ist diese Leben, mein Leben, von „Teilen“ einer Existenz geformt, oder vielmehr „verformt“, die hier und dort liegen, von richtigen Schritten nach vorne und falschen Schritten zurück. Was bleibt mir: Fragmente eines nicht zu Ende geführten Projekts, denn es ist so zerbrechlich ohne die Gnade Jesus, des Felsen!
Ohne den Glauben und die Liebe an Ihn entgleitet uns das Leben unweigerlich, die Zeit nimmt es mit sich, wie ein Knäuel, das sich mit seinen tausend oft banalen Ereignissen verwirrt, so dass es nicht mehr möglich ist, den Faden zu finden, weil wir nicht wissen, wo wir anfangen sollen.
Doch wenn ich Jesus begegne wird alles anders: ich beginne neu bei Ihm, ich gehe von seinem Wort aus, dem „goldenen Faden“, der alles zusammenhält und seine Wahrheit ist, der nicht abreißt und sich nicht verändert, ganz einfach die Wahrheit!
Dann bin ich in der Lage seine Stimme zu hören, meinen Horizont zu erweitern, denn es gibt nun Jemanden der ganz anders ist, der außerordentlich wahre Worte sagt, Worte, die allen als eine Utopie erscheinen, die jedoch demjenigen, der an sie glaubt, eine wunderbare Realität eröffnet: „Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, wird leben, auch wenn er stirbt“ (Joh 11, 25).
Wie viele Leben, die zerbrochen, weggeschmissen, verloren waren, sind durch die heilbringende Gegenwart Jesu „wieder erwacht“, neu zusammengesetzt, wie die viele Gebeine in der Vision des Ezechiel: „So spricht Gott, der Herr, zu diesen Gebeinen: Ich selbst bringe Geist in euch, dann werdet ihr lebendig. Ich spanne Sehnen über euch und umgebe euch mit Fleisch; ich überziehe euch mit Haut und bringe Geist in euch, dann werdet ihr lebendig. Dann werdet ihr erkennen, dass ich der Herr bin“ (Ez 37, 5-6).
Mit dem belebenden Hauch des Geistes wurden diese Leben wieder geeint, vereint im Ersten Prinzip ihrer Existenz und sie haben neu zu leben begonnen. Nicht nur das Evangelium berichten von vielen solchen „Skeletten“, die wieder lebendig wurden, von vielen, deren Seele und Körper krank waren und durch die Gnade Jesu ihre geistige, moralische, psychische, körperliche Gesundheit wieder erlangten, von vielen Sündern, blind im Inneren, wie die äußerlich Blinden, die dank des wundersamen Eingreifens Christi, durch den Glauben wieder sehend wurden.
Nein, nicht nur das Evangelium liefert ein fortwährendes Zeugnis davon, das die christliche Verkündigung keine Utopie ist, dass das Wunder für den Glaubenden etwas Alltägliches ist, denn es sind die zweitausend Jahre des Christentums, die überall, auf allen Längen- und Breitengraden, zu Jeder Zeit der Geschichte bezeugen, dass derjenige, der fest an den Herrn Jesus glaubt, mit dem eigenen Leben Zeile für Zeile Sein Evangelium neu schreibt. Die Heiligen sind das höchste Zeugnis und ihre Gräber sprechen zu uns von einer der größten und schönsten Wahrheiten: in Gott ist das Leben ewig!
Wenn nicht Jesus in unsere Leben eintritt und mit seiner Gnade wirkt, dann wird im Leben nichts wirklich vollendet, denn alles vergeht und alles ist Nutzlos ohne Ihn.
Jesus nimmt uns an so wie wir sind, dort wo wir sind, mit unseren Vor- und Nachteilen, mit unseren Fehlern und Tugenden. Wenn wir wie Levi am Zoll sitzen (2,14), wenn wir wie der Blinde Bartimäus in Jericho an der Straße sitzen (Mk 10,46), wenn wir wie die Blutende in der Menge stehen (Mk 5,32), wenn wir an ihn glauben, gibt er uns die Kraft zu einem neuen Geschöpf zu werden, ein neues Leben zu erlangen, das Leben des Geistes!
Dieses geistige Leben, geht wie die Sonne am Horizont über dem fleischlichen auf, das ganz zu den Dingen der Erde strebt, zu den „horizontalen“ Dingen und deshalb auf einen kleinen Bruchteil der endlichen Realität beschränkt ist. Doch die Sonne, das Leben der Gnade Jesu in uns, erhebt und über alles andere, je mehr unsere Seele wächst und wir mehr und mehr lernen, indem wir Christus nachfolgen, dass auf den Schmerz stets die Freude folgt, auf die Finsternis stets das Licht, auf den Sturm stets die Ruhe. Welch großen Fehle machen wir, wenn wir das Glück nur auf der einen Seite der Medaille suchen: im Licht, in der Ruhe, in der Freude… Ein solches Glück wird zunichte, sobald die andere Seite der Wirklichkeit erscheint, diejenige, die die Welt ablehnt, weil sie glaubt, sie auf diese Weise betäuben zu können, um nur die positiven Seiten des Lebens zu genießen. Nein, das Evangelium lehrt uns etwas anderes! Der Herr ist gekommen, um alles zu nehmen und alles zu Gott zu erheben, in Gnade zu verwandeln, in ein übernatürliches Licht, in göttliche Freude: das Licht und die Finsternis, die Freude und den Schmerz, die Ruhe und den Sturm. Jesus schläft nicht nur, wenn das Meer still ist, er schläft auch im Sturm, denn weder die Stille noch der Sturm sind an sich in der Lage, uns zu Gott zu erheben, sondern nur das, was Christus in der Liebe hinzugefügt wird, bringt uns ins Jenseits.
Mit Hilfe einer erfahrenen Leitung, mit Hilfe der schmerzhaften Gottesmutter, die den Weg des Schmerzes kennt, der zur Herrlichkeit führt, möge diese Fastenzeit für alle offener und auf den Himmel ausgerichteter Raum der Befreiung werden, wo Jesus endgültig auf uns wartet. (Fidesdienst, 25/02/2009 – 83 Zeilen, 1.182 Worte)


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