AFRIKA/TSCHAD - Erzbischof Djitangar: “Auch bei uns wehren sich die Menschen gegen die ausländische Militärpräsenz“

Samstag, 7 Oktober 2023 ortskirchen  

N'Djamena (Fides) - "Wir sind die jüngste Kirche Afrikas, so dass wir im Jahr 2029 die letzte afrikanische Kirche sein werden, die 100 Jahre seit der ersten Evangelisierung feiert", sagt Goetbe Edmond Djitangar, Erzbischof von N'Djamena und Vorsitzender der Bischofskonferenz des Tschad, der sich über das "Primat der Jugend" seiner Kirche freut. Der Erzbischof, der auch Vorsitzender der Vereinigung der Bischofskonferenzen Zentralafrikas ist, berichtet im Gespräch mit Fides offen und realistisch von den Spannungen und Problemen, die der alte und der neue Kolonialismus im Alltag der Völker der Region weiterhin hervorrufen.

Braucht die Kirche im Tschad noch Missionare aus dem Ausland?
Unsere Kirche ist sicherlich eine Kirche, die stark von Missionaren geprägt ist. Doch nun ist die Zeit gekommen, in der die europäischen Missionare nach und nach die Verantwortung an Missionare aus anderen afrikanischen Ländern und einheimische Geistliche abgeben. Das Problem ist, dass eine neue Kirche, die sich mit kirchlichen, erzieherischen und gesundheitlichen Einrichtungen ausstattet, mit einem Mangel an Mitteln konfrontiert ist. Die einheimischen Geistlichen sind auf ihr Volk angewiesen, und auch die afrikanischen Kirchen, die uns ihre Missionare schicken, verfügen nicht über große finanzielle Mittel. Wir gehen in der Evangelisierung mit dem voran, was wir sind und was wir haben.

Der Tschad ist das fünftgrößte Land der Welt, was die Anzahl der Flüchtlinge pro Kopf im Verhältnis zur Bevölkerung betrifft. Wie gehen Sie mit dieser Situation um?
Im Tschad herrscht derzeit kein offener Krieg, aber unsere Region ist von Konflikten in den Nachbarstaaten geprägt. So haben wir zentralafrikanische Flüchtlinge, Nigerianer, die vor Boko Haram fliehen, und in jüngster Zeit Sudanesen wegen des Bürgerkriegs in ihrem Land aufgenommen. Es stimmt, dass der Tschad das Land auf dem Kontinent ist, das im Verhältnis zu seiner Bevölkerung die meisten Flüchtlinge aufgenommen hat (vgl. Fides 27/9/2023). Aber es stimmt auch, dass der Tschad ein "künstliches" Land ist, dessen (von den Kolonialherren gezogene, Anm. d. Red.) Grenzen von den Bewohnern auf beiden Seiten der Grenze, die demselben Volk angehören, als unnatürlich empfunden werden. Und wenn diese Menschen auf der anderen Seite der Grenze Schwierigkeiten haben, kommen sie in den Tschad, weil sie dort ihre eigenen Leute finden und Familien, die sie aufnehmen. Das heißt aber nicht, dass der Tschad allein die Mittel hat, um alle diese Flüchtlinge aufzunehmen. Deshalb wird immer häufiger um internationale Hilfe für die tschadischen Organisationen gebeten, die sich um diese Menschen kümmern.
Auf staatlicher Ebene haben diese Organisationen aufgrund von Korruption Schwierigkeiten, ordnungsgemäß zu arbeiten; ich glaube jedoch, dass die Regierung ihr Bestes tut, um die Menschen aufzunehmen, die im Tschad Zuflucht suchen.

Ein "künstliches Land", das durch die Zusammenlegung von Gebieten mit sehr unterschiedlichen Bevölkerungen entstanden ist. Aber ist das Muster "muslimischer Norden - christlicher Süden" noch gültig?
Die Dinge änderten sich vor allem nach dem Bürgerkrieg, der zwischen 1979 und 1985 seinen Höhepunkt erreichte und an dessen Folgen wir noch immer zu leiden haben. Darüber hinaus führten die schweren Dürreperioden in den 1980er Jahren zusammen mit dem Bürgerkrieg zu massiven internen Bevölkerungsbewegungen. Zahlreiche muslimische Bauern aus dem Norden sind auf der Suche nach Weideland in den Süden gezogen und haben ihre eigenen sozialen Strukturen mitgebracht, die die lokalen und manchmal auch die staatlichen nicht anerkennen. Dies stellt ein Problem dar. Außerdem haben sich im Zuge des Bürgerkriegs viele Militärangehörige, die ursprünglich aus dem Norden stammen, im Süden niedergelassen. All dies setzt die Menschen im Süden stark unter Druck. Jetzt gibt es im Süden genauso viele Muslime wie Christen, der Norden ist praktisch leer, abgesehen von den Oasen. Die Bevölkerung aus dem Norden ist größtenteils in den Süden gezogen, wo das Leben einfacher ist. Das schafft Probleme mit der einheimischen Bevölkerung, und es kommt auch zu religiösen Spannungen.

Der interreligiöse Dialog ist daher also von besonderer Bedeutung...
Es gibt verschiedene Ebenen des Dialogs. Wir haben den "natürlichen" alltäglichen Dialog zwischen Nachbarn, zwischen Menschen, die in denselben Gebieten leben. Dann haben wir den etwas verzerrten Dialog auf nationaler Ebene, bei dem der Staat die Religionen oft als Mittel zur Durchsetzung seiner Interessen benutzt, da der Staat keine große Autorität über die Menschen hat, während die religiösen Führer einen starken Einfluss auf ihre Gläubigen haben. Der Staat übt also Druck auf die religiösen Führer aus, ob Muslime oder Christen, um seine Ziele zu erreichen. Deshalb haben wir dafür gesorgt, dass der interreligiöse Dialog außerhalb der Reichweite des Staates liegt, der ihn zu seinem Vorteil zu beeinflussen versucht.

Welche Folgen könnten die Putsche in den Nachbarstaaten Ihrer Meinung nach für den Tschad haben?
Der Tschad ist Teil der so genannten G5-Sahel, die von fünf Sahelstaaten (Tschad, Mauretanien, Mali, Burkina Faso und Niger) gebildet wurde, um dschihadistische Gruppen zu bekämpfen. Nun sind drei der fünf Staaten aus diesem Bündnis ausgestiegen: Mali, Burkina Faso und Niger. Damit verbleiben zwei Länder, die allein nur noch wenig ausrichten können. Frankreichs Militärpräsenz in der Sahelzone konzentriert sich nun auf den Tschad, wo die Bevölkerung ebenfalls beginnt, sich dagegen zu wehren zur letzten Bastion von Paris in der Region gemacht zu werden. Möglicherweise wird Frankreich seinen Platz in der Sahelzone zurückerobern, aber es muss das Misstrauen der Bevölkerung der Region überwinden, die es als eine Macht wahrnimmt, die sich mit Gewalt aufdrängen will, um die lokalen Ressourcen auszubeuten.
Der Tschad exportiert Öl, aber in seiner Hauptstadt N'Djamena gibt es Viertel, die nur an zwei oder drei Tagen in der Woche Strom haben. Das Gleiche geschieht in Niger, das Uran exportiert, um Kernkraftwerke in anderen Ländern zu betreiben, aber keinen Strom hat. In unseren Ländern befindet sich der gesamte nationale Reichtum in den Händen einer Handvoll Menschen, während der Rest der Bevölkerung in Armut versinkt. Nur wenn Frankreich die Intelligenz besitzt, eine gemeinschaftliche Entwicklung durch den Bau von Straßen, Schulen und Krankenhäusern durchzusetzen, die tatsächlich auf die lokale Bevölkerung ausgerichtet ist, kann es sein Ansehen bei uns wiedergewinnen.
(L.M.) (Fides 7/10/2023)


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