AFRIKA/GUINEA BISSAU - Die mysteriösen Hintergründe eines vorhersehbaren Militäraufstandes: Ein Signal für den Zusammenbruch eines Volkes, das sich selbst überlassen wird? Sind die bevorstehenden Wahlen eine Hoffnung für das Land?

Freitag, 8 Oktober 2004

Bissau (Fidesdienst) - „Der Militäraufstand scheint vorbei zu sein, doch es bleiben Zweifel über die Bedeutung dieser Episode“, so einheimische Beobachter aus Bissau, der Hauptstadt von Guinea Bissau, wo es in den vergangenen Tagen zu einem Militäraufstand gekommen war (vgl. Fidesdienst vom 7. Oktober 2004). „Nach der Ansprache an das Volk, in der sich Präsident Henrique Roas gestern Abend an die Bürger des Landes wandte, und in der er bekräftigte, dass die Revolte beendet sei, ist in Bissau und in den anderen Landesteilen wieder Ruhe eingekehrt. Davon zeugt auch die Rückkehr der meisten Schüler in die Schulen. Die Soldaten sind wieder in ihren Kasernen und das Alltagsleben hat sich wieder normalisiert“, so die Beobachter. Der Premierminister Carlos Gomes Junior erklärte, man werde am 8. Oktober Vereinbarungen mit den aufständischen Soldaten unterzeichnen, mit denen die Krise überwunden werden soll.
„Die Zukunft bleibt jedoch weiterhin unsicher. Es handelt sich um einen gravierenden Vorfall. Im Gegenteil zu dem, was im ersten Moment gesagt wurde als die Informationen noch bruchstückhaft und gegensätzlich waren, hat es sich um einen Aufstand gehandelt, an dem fast die ganze Armee beteiligt war. Es handelte sich nicht nur um Soldaten, die die Zahlung ihrer Gehälter für die Mission in Liberia forderten. Die aufständischen Militärs haben den Oberbefehlshaber der Streitkräfte, General Verissimo Seabra und den Sprecher der Armee, Oberst Domingos Barros ermordet, doch sie hatten ursprünglich wohl vor, alle höheren Befehlshaber umzubringen“, so die Beobachter.
Zum Hergang der Ereignisse berichten die Beobachter: „Es handelte sich auf jeden Fall um einen vorhersehbaren Aufstand. Am Montag, den 4. Oktober hatte Premierminister Carlos Gomes Junior bei der Ansprache zur Eröffnung einer Schule erklärt, er wisse von einem geplanten Militärputsch. Die Ansprache des Ministerpräsidenten war von den staatlichen Radiosendern erst am 5. Oktober gesendet worden. Sicherheitsmaßnahmen waren zumindest augenscheinlich nicht ergriffen worden. Am Mittwoch, den 6. Oktober fand dann der Aufstand statt, nachdem die Soldaten beschlossen, wieder in die Kasernen zurückzukehren“.
„Der Hergang der Ereignisse bleibt deshalb ziemlich unklar. Weshalb hat der Premierminister für seine Ansprache einen so unwichtigen Ort ausgesucht und weshalb hat er keine Maßnahmen zur Verhinderung des Putsches getroffen? Sollten die Aufständischen bloßgelegt und sie zu voreiligem Handeln veranlasst werden?“, fragen sich die Beobachter deshalb.
„Wir haben den Eindruck, dass sich hinter den Militärs andere Persönlichkeiten verbergen. Vielleicht handelt es sich um Politiker, die der alten Einheitspartei, die die Wahlen im März dieses Jahres gewann, die Macht wieder entreißen“, so die Beobachter. „Diese erneute Episode der Gewalt zeigt ein weiteres Mal, dass das Land kurz vor dem Zusammenbruch steht. Das Gemeinwohl hat keinerlei Bedeutung mehr. Die meisten Menschen, die verantwortliche Ämter innehaben, denken nur daran, wie sie an die Macht gelangen und diese im eigenen Interesse nutzen können. Das Gesundheitswesen und das Schulsystem funktionieren kaum noch und die Menschen sind praktisch sich selbst überlassen“, so die Beobachter abschließend.
Guinea Bissau versucht mühsam aus einer Krise herauszufinden, die mit dem gewaltlosen Staatsstreich begann, bei dem am 14. September 2003 der ehemalige Präsident Kumba Yalla gestürzt worden war, dem man vorwarf, er führe das Land in den Ruin.
Am 28. September 2003 übernahm eine Übergangsregierung die Regierungsgeschäfte, die die Parlamentswahlen vom März 2004 vorbereitete. Im nächsten Jahr soll ein neuer Präsident gewählt werden. (LM) (Fidesdienst, 8/10/2004 - 49 Zeilen, 558 Worte)


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