ASIEN/BHUTAN - Exklusivinterview mit dem Erzbischof von Guwahati: „Demokratie, Religionsfreiheit und Mission in der Zukunft Bhutans“

Samstag, 16 April 2011

Guwahati (Fidesdienst) – „Bhutan macht große Fortschritte im Bereich der Demokratie und es gibt auch Anzeichen für eine Öffnung im Hinblick auf die Religionsfreiheit. Ich bin überzeugt, dass, sollte die Religionsfreiheit garantiert werden, auch religiöse Orden im Land ihren Dienst an der Mission in Bhutan leisten werden. Wir möchten vermitteln, dass wir als Christen Bhutan und dessen Bevölkerung lieben. Es wäre für die Katholiken eine Freude und eine Ehre, uns künftig in den Dienst des Landes zu stellen“, so Erzbischof Thomas Manamparampil von Guwahati in Assam (Nordostindien) in einem Interview mit dem Fidesdienst nach seiner Rückkehr von einem Besuch in dem buddhistischen Königreich. „Es sollte daran erinnert werde“, so der Erzbischof, „dass im Jahr 1600 die beiden portugiesische Jesuitenmissionare, P. Cabral und P. Cacella, nach Bhuten kamen und zu den Menschen dort von Christus sprachen. Wir wünschen uns, dass diese alten Bande des Glaubens mit Bhutan wieder aufgebaut werden können“. Es folgt das Interview im Wortlaut:

Exzellenz, was war das Ziel Ihres Besuchs in Bhutan?

Bhutan ist ein land, dass an meine Diözese Guwahati in Assam angrenzt. Seit 18 Jahren war ich nicht mehr dort und ich wollte sehen, wie sich die Dinge nach der Einführung der Demokratie entwickeln. Ich habe einen großen Wandel festgestellt: die Bevölkerung ist größer geworden. Auch die Hauptstadt Thimphu ist heute zehnmal größer als damals. Die Demokratie wurde auf Wunsch des Königs eingeführt (und dies ist eine Seltenheit), was seine Weitsicht unter Beweis stellt. Sein Entschluss hat dem Land künftige Spannungen erspart und sein Sohn, Jigme Khesar Namgyel Wangchk, wird seiner Spur folgen. Ein ganzes Land lernt schrittweise, wie eine Demokratie funktioniert, die Verantwortlichkeit, verschiedene Rollen und Strukturen mit sich bringt. In seinem solchen Kontext könnte man auch größere Möglichkeiten für die Religionsfreiheit erhoffen, die die Führungskräfte dem Reich anscheinende gewähren wollen. Mit meiner Reise wollte ich das Klima im Land mit eigenen Augen sehen. Ich habe Thimphu, Geddu, Wangdi und andere Städte besicht und bin über 300 Menschen in 15 verschiedenen Ortschaften persönlich begegnet: dadurch konnte ich mir ein ziemlich klares Bild von der Situation machen.

Wie viele Christen gibt es in Bhutan und wie leben die Christen im Land?

Die Anzahl der Christen der verschiedenen Konfessionen hat in den vergangen Jahren zugenommen. Nach Aussage von Beobachtern leben in Bhutan heute rund 100.000 Christen. Sie widmen sich der Bibellektüre und dem Gebet und versuchen ihren Glauben an Christus zu bezeugen. Manchmal laden sie auch Nichtchristen, die sich dem Glauben nähern wollen, zu ihren Feiern ein. Es gibt ein deutliches Wiedererwachen des christlichen Glaubens unter den Völkern nepalesischer Abstammung, vor allem, weil evangelische Kirchen in Nepal sehr aktiv sind und sich dies auch auf das benachbarte Bhutan auswirkt. Die vorherrschende Religion ist natürlich der Buddhismus. Von rund 800.000 Einwohnern sind 60% einheimische und 40% nepalesischer Abstammung. Die Christen sind sehr eifrig, wenn es um die Ausübung ihres Kultes geht, doch sie leiden darunter, dass sie ihren Glauben nicht öffentlich praktizieren dürfen und gezwungen sind, dies im Privaten zu tun. Bekehrungen bleiben weiterhin verboten. Es ist ungefähr so wie bei den ersten Christen, die sich in den Katakomben trafen. Den Christen, denen ich begegnen durfte sagte ich, sie sollen fest im Glauben bleiben.

Gibt es auch Katholiken in Bhutan?

Es gibt Katholiken und sie führen ein ruhiges Leben. Es gibt sogar einen katholischen Abgeordneten. Ich habe meinen Besuch mit einer heiligen Messe mit der kleinen katholischen Gemeinde in Thimphu begonnen. Es waren sogar Gläubige anwesend, die sich noch an meinen letzten Besuch vor 18 Jahren erinnerten. Damals lebte im Land noch ein Missionar der Jesuiten, P. Mackey. Nach seinem Tod kam kein anderer Missionar ins Land, doch in der Diözese Darjeeling (im indischen Westbengala) feiern katholische Priester regelmäßig einen Gottesdienst. Vor kurzem begann auch der Jesuitenpater Joseph Kinley Tshering, der mit der Königsfamilie verwandt ist, sich regelmäßig mit der katholischen Gemeinde zu treffen, die den Respekt der Autoritäten des Landes genießt. Die katholischen Gläubigen sind optimistisch, was die Zukunft anbelangt.

Was gibt es über Gläubigen der anderen Konfessionen zu sagen?

Die Christen anderer Konfessionen gehören vorwiegend unabhängigen Pfingstkirchen an. Ich muss sagen, dass ich, wo immer ich hinkam, mit Begeisterung empfangen wurde und dass meine Ankunft als Zeichen der Ermutigung empfunden wurde. Ich habe festgestellt, dass die Gläubigen mehr über den christlichen Glauben wissen wollen und sich darüber freuen, wenn ihnen jemand dabei behilflich ist. Die Gläubigen haben einen tiefen Glauben: sie leben wie die ersten Christen von denen wir in der Apostelgesichte lesen. Unter ihnen ist die Präsenz des Heiligen Geistes zu spüren.

Kommt es zu Verfolgung oder Diskriminierung?

Nur in vereinzelten Fällen eines zu engagierten Predigens, kam es zu Verfolgung und Diskriminierung. Was man jedoch feststellen kann ist, dass neue Formen der Religiosität von den staatlichen Behörden nicht gerne gesehen werden. Und es kommt vor, dass Christen wegen ihres Glaubens am Arbeitsplatz nicht befördert oder an Universitäten nicht zugelassen werden. Manchmal kürzen die Behörden auch die Strom- und Wasserversorgung in christlichen Gemeinden, oder es werden Gebäude demoliert. Ich haben jedoch nicht festgestellt, dass Christen sich davon entmutigen lassen: sie haben schlimmere Zeiten erlebt. Denn die Gläubigen spüren, dass die Freiheit größer wird und nach der Einführung der Demokratie sind die Erwartungen gewachsen. Auch die Behörden führen Schritt um Schritt liberalere Methoden ein. Christen hoffen, dass sie bald die Genehmigung für den Bau von Kultstätten erhalten, doch man wird vorsichtig sein müssen damit die Lobby der buddhistischen Mönche nicht allarmiert wird, denn sie hat großen Einfluss auf die Regierung des Landes.

Welche Zukunftsperspektiven sehen Sie?

Ich sehe für die Zukunft große Möglichkeiten. Der Fortschritt, den das Land bereits gemacht hat, ist sehr ermutigend. Heute gibt es Straßen, Gebäude, eine gebildete Führungsschicht, Entwicklungsprojekte und soziale Dienste wie zum Beispiel im Bildungs- und Gesundheitswesen. Das Land hat sich in die internationale Staatengemeinschaft integriert und die Demokratie wird gefördert. Ich bin mir sicher, dass es schon bald auch in Bhutan jene Freiheit geben wird, die in demokratischen Ländern üblich ist. Als Christen lieben wir Bhutan und die Bevölkerung des Landes. Es wäre für uns eine Freude und eine Ehre, uns künftig in den Dienst des Landes zu stellen. (PA) (Fidesdienst, 16/04/2011)


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