AFRIKA/TUNESIEN - Die Krise „nach tunesischem Vorbild“ und der Nahe Osten

Montag, 17 Januar 2011

Tunis (Fidesdienst) – Die Situation in Tunesien ist weiterhin angespannt und ungewiss. Dies gilt insbesondere für Hauptstadt Tunis nachdem Präsident Zine El-Abedine Ben Ali infolge der Bürgerproteste, die bereits Mitte Dezember begonnen hatten, das Land verlassen hat. Bei den Unruhen der vergangenen Wochen sollen rund hundert Menschen ums Leben gekommen sein. Während am heutigen 17. Januar die neue Regierung vorgestellt werden soll wird weiterhin von Auseinandersetzungen zwischen den Soldaten der Armee und den Mitgliedern der Präsidentengarde berichtet. „Die Ereignisse der vergangenen Stunden sind, soweit wir das beurteilen können, angesichts der Tatsache, dass die Hauptakteure der Krise selbst nicht genau wissen, wie es weiter gehen wird, darauf zurückzuführen, dass die Elite des Landes versucht sich selbst zu retten und sich von dem am meisten kritisierten Flügel des Regimes distanzieren“ so Alessandro Politi von der Organisation „Security World Advisory“ zum Fidesdienst. „Nach den ersten Protesten hat das tunesische Establishment bald verstanden, was nicht neu ist, dass das Regime vom Diktator und seinem persönlichen korrupten Umfeld unterschieden werden muss“.
Wie der Beobachter und Analyst betont, wird der Verlauf der Krise auch von den finanziellen Möglichkeiten des tunesischen Staates abhängen, d.h. ob es ihm gelingen wird, „wirtschaftspolitische Maßnahmen zu ergreifen, die die Lebensbedingungen der Menschen verbessern“. Die Krise hat in der Tat begonnen nachdem ein Demonstrant sich selbst verbrannt hatte, da die Polizei seinen Stand in Beschlag genommen hatte, auf dem er ohne Geschäftskonzession Obst und Gemüse verkaufte. „Dieser Mensch hatte keinerlei Hoffnung mehr“, so Politi, „ganz Nordafrika ist voll junger Menschen, die keine Zukunftsperspektiven haben“.
Die Ereignisse in Tunesien stoßen deshalb in ganz Nordafrika und dem Nahen Osten auf ein großes Echo. Wie einige Beobachter vermuten könnte es zu einem „Domino-Effekt“ kommen, der zum Sturz anderer Regime in der Region führen könnte. „Seit über 40 Jahren funktioniert die Domino-Theorie nicht mehr automatisch“, so Politi weiter, „Einen Domino-Effekt kann es geben, wenn es einen politischen Willen und ein politische Klima gibt, die gemeinsam zu einer Reihe von Veränderungen führen. 1848 gab es in Europa einen Domino-Effekt, doch es müssen verschiedene Voraussetzungen vorhanden sein, damit es funktioniert. Historisch gesehen können wir also sagen, dass der Domino-Effekt allein nicht ausreicht“.
„Im Fall Tunesien bereitet der Sturz von Ben Ali mit Sicherheit allen Regime im Nahen Osten sorge, die dachten, man könne die Macht mit einer Mischung aus Wirtschaft und harter Führung erhalten. Das Problem besteht darin, dass die wirtschaftlichen Versprechen von Ben Ali durch die weltweite Wirtschafts- und Finanzkrise beeinträchtig wurden. Und in anderen Ländern ist die Lage nicht viel besser“, so Politi abschließend. (LM) (Fidesdienst, 17/01/2011)


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