AFRIKA/GUINEA - Ein vom Militär dominiertes Land - Hintergrund

Mittwoch, 30 September 2009

Conakry ( Fidesdienst)- 1958 hatte die Entscheidung des nationalistischen Leaders und künftigen Präsidenten von Guinea, Ahmed Sékou Touré, den Beitritt seines Landes zur “Communauté Franco-Africaine” (in der die afrikanischen Kolonien Frankreichs gemäß der neuen, von Charles De Gaulle vorgestellten Verfassung zusammenfließen sollten) zu verweigern, im Westen großes Aufsehen erregt und Hoffnung in den übrigen afrikanischen Ländern geweckt. “Wir wollen lieber arm und frei sein statt reich und Sklaven”, sagte der damals junge Leader zum französischen Präsidenten. Nach Ghana (das 1957 die Unabhängigkeit von Großbritannien erlangt hatte) war Guinea das zweite Land im subsaharianischen Afrika, das in die Unabhängigkeit entlassen wurde. Dem Beispiel Guineas folgten 2 Jahre später – 1960 – (nicht umsonst als das “Jahr Afrikas” bezeichnet) die meisten franko-afrikanischen Kolonien, die für die Unabhängigkeit von Paris optierten.
Die Abhängigkeit von den alten Kolonialmächten ging jedoch auf andere Weise weiter: in den meisten der nun unabhängigen Ländern wurde die Macht von Diktatoren übernommen, bzw. die Verfechter selbst der Unabhängigkeit wurden zu einer Art Väter-Herrscher der Nation, begünstigten Despotismus, Korruption und die Wirtschaftsinteressen von europäischen Finanz- und Industriegruppen. Nach seiner Wahl zum Präsidenten errichtete Sékou Touré ein totalitäres Regime, das sich an den kommunistischen Ländern orientierte, mit dem Ergebnis, dass 50.000 Menschen starben und Hunderttausende aus dem Land flohen. Nach seinem Tod kam 1984 Lansana Conté – ebenfalls ein Touré und ehemaliger Offizier – an die Macht.
Das Regime Contés, das sich zwar auf internationalen Druck hin “demokratischen” Wahlen öffnen musste, die dann regelmäßig von der Partei des Präsidenten gewonnen wurden, war gekennzeichnet von massivem Eingreifen des Staatsoberhauptes in jede , auch unwichtige Entscheidung sowie von der Allmacht seiner Umgebung, die den Präsidenten von der Realität fernzuhalten versuchte und gleichzeitig von einem Raubmechanismus von Staatsgeldern profitierte.
Aus diesem Grund ist heute Guinea eines der ärmsten Länder der Welt trotz bedeutender Rohstoffvorkommen. So ist Guinea z.B. der wichtigste Bauxit-Lieferant und verfügt über riesige Eisenvorkommen.
Die sich ausbreitende Korruption hat Unzufriedenheit im Land mit sich gebracht und in Zeiten wirtschaftlicher Krisensituationen harte soziale Proteste hervorgerufen. Eine dieser Protestaktionen ging vom Militär aus, wenngleich das Militär für gewöhnlich seine eigenen Interessen verteidigt und sich nicht mit dem Rest der Bevölkerung solidarisiert. Das Heer ist untergraben von hauptsächlich ethnischen Spannungen zwischen den Malinké und den Peul, sowie von persönlichen Rivalitäten und von der allgemeinen Verschlechterung der Lebensbedingungen. Angesichts dieses Bildes ergriff Präsident Conté Ende der 90er Jahre Maßnahmen um das Militär wieder in den Griff zu bekommen; er ordnete die Hierarchie neu, indem er gezielte Beförderungen vornahm und den Sold der Soldaten erhöhte. Nach 2000 ist jedoch die Kluft zwischen der Bevölkerung einerseits und dem Regime Contés und seinen Militärkorporationen andererseits größer geworden. 2007 löste die Preiserhöhung für Reis einen Volksaufstand aus, der Präsident Conté zwang einen “Konsens-Premier” , Lansana Kouyate , zu ernennen, der nicht die Unterstützung des Heeres hatte, wie es bisher immer der Fall gewesen war (ein analoger Fall ereignete sich 1996). Der “Reis-Aufstand” ermöglichte es darüber hinaus erstmalig, dass die Organisationen der bürgerlichen Gesellschaft zumindest Teilerfolge gegenüber diesem abgekapselten Regime erzielen konnten.
Im Lauf der ersten Jahre nach 2000 hat sich zudem die Polarisierung zwischen mit Conté verbündeten hohen Militärs und den niedrigeren Dienstgraden zugespitzt. Letztere waren von jungen Offizieren vertreten, darunter Moussa Dadis Camara, der Chef der Militärjunta, die unmittelbar nach dem Tod von Conté im Dezember 2008 die Macht ergriffen hat. Die Junta, die sich Nationalrat für Demokratie und Entwicklung nannte (CNDD) hat Neuwahlen für 2010 versprochen, ist aber von der internationalen Gemeinschaft nicht anerkannt.
Die blutig unterdrückte Demonstration vom 28. September (s. Fidesdienst 29/9/2009) war von einer “Lebendige Kräfte” bezeichneten Gruppierung ausgerufen worden, die im Wesentlichen Sprachrohr einiger Führer des vergangenen Regimes sind. Der Protest richtete sich gegen die Kandidatur Camaras für das Amt des Präsidenten (L.M.) (Fidesdienst 30/9/2009).


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