AFRIKA/ÄGYPTEN - Missionar aus Kairo: „Es kommt zu Episoden der Intoleranz gegen Kopten, von denen heute auch die Medien berichten“

Mittwoch, 5 Oktober 2011

Kairo (Fidesdienst) – Rund 500 Kopten demonstrierten gestern Abend auf den Wegen des Zentrums von Kairo nach dem Brandanschlag auf eine Kirche in Aswan im Süden Ägyptens, und forderten den Rücktritt der lokalen Regierung. Der Gouverneur von Aswan, Mustafa al-Sayd, hatte behauptet, dass das Gebäude ohne die notwendige Genehmigung erbaut worden war. Nach Ansicht der Kopten hatte die Feststellung des Gouverneurs die Muslime in der Region zu dem Anschlag auf die christliche Kultstätte inspiriert.
„In den ländlichen Gebieten in Oberägypten gilt oft das Recht des Stärkeren und die Polizei ist nicht immer unparteiisch“, so der seit vielen Jahren in Kairo tätige Comboni Missionar, P. Giovanni Esti. Der Missionar ordnet die jüngste Episode in das „Klima im Vorfeld der Wahlen (am 28. November) ein, „denn in den Städten hängen überall Plakate, die sich oft auf religiöse Themen beziehen. Auf der Seite der fundamentalistischen Gruppen ist die Vorstellung weit verbreitet, dass der Islam sich in Gefahr befindet, und man vermittelt das Gefühl, dass diese Gefahr durch die Wahl eines Muslims abgewandt werden kann. Dies führt oft zu fanatischen Reaktionen“.
„Das Problem, das am meisten den Alltag der Menschen beeinflusst, ist die Wirtschaft“, so P. Giovanni. „Das Land leidet unter einem Stillstand der Wirtschaft. So lange es keine stabile Regierung gibt, werden ausländische Unternehmen nicht in Ägypten investieren und neue Arbeitsplätze schaffen. Wenn man keine Lösung findet, dann läuft man Gefahr dass es zu Protesten kommt, die viele Gruppen sich zu Nutze machen, darunter auch die Extremisten. Ursprung solcher Proteste ist jedoch immer die Verzweiflung der Menschen und nicht religiöse Belange.“
Nach Angaben der koptischen Ägyptischen Union für Menschenrechte (UEDH), haben seit März 2011 mindestens 100.000 Kopten das Land verlassen. „Ich kann diese Zahl nicht bestätigen“, so P. Giovanni, „Zweifelsohne ist dies bei den Kopten aber Gesprächsthema. Die Kopten, zu denen ich Kontakt habe, berichten mir, dass in den koptischen Gemeinden viele ins Ausland gehen oder eine doppelte Staatsangehörigkeit erwerben wollen. Doch es ist wahr, dass es zu Episoden der Intoleranz kommt. Ein christliches Mädchen, das ohne Kopfbedeckung und bestimmte Stadtviertel geht, riskiert beschimpft zu werden.“
„Auf der anderen Seite“, so der Missionar, „müssen wir auch sagen, dass die Christen besonders empfindlich sind, was Episoden der Verfolgung anbelangt, und dabei oft übertreiben. Gewiss gibt es bestimmte Formen der Diskriminierung, die jedoch eher mit sozialen Aspekten als mit religiösen Dingen zu tun haben… Oft betrachten Christen die Behauptung, religiös verfolgt zu werden, auch als eine Gelegenheit zum Erhalt eines Einreisevisums in westlichen Ländern“.
P. Giovanni bestätigt jedoch auch, dass „Episoden der Diskriminierung, im Gegenteil zu früheren Zeiten heute aber auch öfter Gegenstand von Medienberichten sind“. „Ich wüsste nicht, ob es tatsächlich häufiger zu solchen Diskriminierungen kommt. Früher gab es sie auch, doch die internationale Presse interessierte sich nicht dafür“, so der Missionar abschließend, „so dass man nur vor Ort darüber sprach. Heute ist das Interesse größer und auch Episoden, wie der Anschlag auf die Kirche in Aswan, bei dem es keine Opfer gab, werden heute in die Öffentlichkeit getragen und dies ist zweifelsohne positiv“. (LM) (Fidesdienst, 05/10/2011)


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