ASIEN/IRAK - „Auch die irakischen Bürger sind Teil der Vereinten Nationen. Wir hatten uns mehr Entschlossenheit von der internationalen Staatengemeinschaft erwartet“, so der irakische Pfarrer Nizar Semaan

Freitag, 18 Juni 2004

Bagdad (Fidesdienst) - „Wir hatten uns von der internationalen Staatengemeinschaft mehr Mut erhofft. In einem Moment, in dem wir die Vereinten Nationen brauche, beschließen diese, nicht einzuschreiten“, so der syrisch-katholische Pfarrer Nizar Semaan aus Karakosh im Nordirak in einem Kommentar zum Beschluss der Vereinten Nationen, kein UN-Personal mehr in die südlichen Teile des Irak zu entsenden. „Ich verstehe die Sorge um das Leben der Mitarbeiter der Vereinten Nationen, doch die Zivilbevölkerung im Irak riskiert jeden Tag ihr Leben, und auch bei diesen Menschen handelt es sich um Bürger der Welt und damit sind sie in gewissem Sinn Teil der Vereinten Nationen“, so Pfarrer Semaan.
„Die internationale Staatengemeinschaft sollte sich bewusst werden, dass ein Krieg gegen die irakische Bevölkerung stattfindet: die meisten Opfer der Attentate der vergangenen Wochen sind Zivilisten. Deshalb glaube ich, dass es sich bei den Terroristen, die für diese Attentate verantwortlich sind, um Ausländer handelt“, so Pfarrer Semaan. „Die Strategie ist ganz offensichtlich: man will verhindern, dass es im Irak wieder Frieden und Stabilität gibt. Wahrscheinlich verbirgt sich dahinter ein Plan für die ganze Region. Sollte es im Irak eine Demokratie geben, dann würden auch andere Länder in der Region unter dem Druck stehen, sich der Demokratie zu öffnen. Ich bin davon überzeugt, dass, sollte es uns gelingen einen demokratischen Irak zu schaffen, auch andere Völker im Nahen Osten mit Nachdruck Freiheit und Demokratie von den eigenen Regierungen fordern würden“.
„Ein weiterer Faktor, der mich vermuten lässt, dass an den Attentaten Ausländer aus verschiedenen Herkunftsländern beteiligt sind, ist die Tatsache, dass die bewaffneten Gruppen im Irak vor ungefähr zwei Wochen einem Waffenstillstand zugestimmt haben. Diese Gruppen scheinen sich den Sicherheitskräften des neuen Irak anschließen zu wollen und an der Schaffung eines neuen politischen Gleichgewichts interessiert zu sein“, so der irakische Priester weiter. „Diese Organisationen hätten also kein Interesse daran, das Land zu destabilisieren. Es ist kein Zufall, dass die Attentate in den vergangenen Tagen vorwiegend in Bagdad verübt wurden. Wenn es gelingt, Chaos in der Hauptstadt zu schaffen, dann wird damit die Stabilität im ganzen Land beeinträchtigt.“
Zu den Gerüchten über eine Abwanderung der Christen aus dem Irak erklärt Pater Semaan: „Es handelt sich vorwiegend um einen vorübergehenden Aufenthalt der Christen aus der Hauptstadt bei ihren Verwandten in den Herkunftsdörfern. Wenn die Ordnung erst wieder hergestellt sein wird, werden diese Menschen in die Hauptstadt zurückkehren, auch weil die meisten dort Geschäfte oder einen Arbeitsplatz haben. Von Massenauswanderungen unter den Christen habe ich im Übrigen bisher noch nichts gehört. Vielmehr bereiten sich die Kinder und Jugendlichen in den christlichen Dörfern im Norden des Irak auf ihre Sommerkurse vor“.
„In meinem Ort, Karakosh, werden 3.000 Kinder von 150 Katechisten betreut. Sie werden sich jeden Tag zwei bis drei Stunden lang zum Religionsunterricht treffen. Ich möchte der Dompfarrei von Mailand für die Bereitstellung der finanziellen Mittel für dieses Projekt danken“, so Pfarrer Semaan abschließend. (LM) (Fidesdienst, 18/6/2004 - 41 Zeilen, 498 Worte)


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