VATIKAN - Meninos: Die Straße ist ihr Zuhause

Samstag, 28 Februar 2004

Vatikanstadt (Fidesdienst) - Sie sind Kinder der Armut. Eine Mutter, die ihnen wenig zu essen und kaum Liebe gibt und sie von klein an auf der Straße aufwachsen lässt, wie eine Zukunft ohne Perspektiven auf sie wartet, die sie ihrem eigenen Schicksal überlässt. Die Zahl der Straßenkinder liegt nach Schätzungen zwischen 100 Millionen (Amnesty International) und 150 Millionen (Internationale Arbeitsorganisation, WLO). Oft müssen Kinder mit ihrem Verdienst als Bettler oder mit dem, was sie im Abfall finden, für die Familie aufkommen. Andere lassen sich nur selten bei ihrer Familie sehen oder haben sie ganz verlassen. Viele sind jedoch ganz alleine auf der Welt, sie wissen nicht, wo ihre Eltern sind, oder sie sind Waisen.
Eigentlich sollten sie im Klassenzimmer sitze, doch sie befinden sich auf den Abwegen der Ausgrenzung der Großstädte des 21. Jahrhunderts. Sie stehen an Straßenecken und bitten um Almosen, oder sie sind nach einem Taschendiebstahl auf der Flucht und haben stets mit Problemen zu tun, die ihr Handlungs- und Entscheidungsvermögen übertreffen. Mädchen sind oft schon mit 13 schwanger und ihre männlichen Altersgenossen hatten größtenteils schon mit der Polizei zu tun.
Für viele ist das Überleben das Hauptproblem: vor Hunger verkrampft sich ihr Magen, sie schnüffeln an Klebstoff und sind zu allem bereit, nur um einen weiteren Tag zu überleben. Es gibt für sie keine Zukunftsperspektiven, so lange die Straße ihr Zuhause ist. Viele verschwinden für immer, sie sterben durch Krankheit, bei Schlägereien oder Straßenunfällen. Oder durch Gewalt, wie im Fall des 13 jährigen Nahaman Carmona Lopez, der 1990 in Guatemala von Polizisten erschossen wurde.
Auch Aids ist ein großer Feind der Straßenkinder. Die Zahl der HIV-Infizierten unter ihnen steigt rasch an nicht zuletzt auch weil viele von ihnen, sowohl Jungen als auch Mädchen, sich aus Verzweiflung prostituieren.


Konventionen wurden verraten
Die Achtung der Menschenrechte beginnt bei der Achtung der Rechte der Kinder. So sollte es auf jeden Fall sein. In der Konvention über die Rechte der Kinder der Vereinten Nationen heißt es. „Mädchen und Jungen müssen vor Grausamkeit und Gewalt geschützt werden“, dabei wird im Einzelnen festgelegt, dass „Mädchen und Jungen Gelegenheit haben sollen, einen angemessen Platz in der Gesellschaft einzunehmen“.
Aber wer respektiert solche Prinzipien? Warum gibt es immer noch so viele Straßenkinder, deren Zahl nach Hochrechnungen in den kommenden Jahren sogar noch steigen soll? Sind diese Kleinen „die niemand gehören“, nur eine der vielen Kategorien, die im Zusammenhang mit Konflikten und der Tendenz zur unkontrollierten Verstädterung entstehen? Was kann man tun, damit diese Kinder, die ihrer Kindheit beraubt wurden, wieder Hoffnung schöpfen?


Afrika
In Afrika gibt es über 10 Millionen so genannte „Homeless“, die oft ihre Eltern durch Krieg oder Krankheit verloren haben, nicht zuletzt auch durch Aids. Das Phänomen der Straßenkinder ist in Afrika relativ neu: in der Vergangenheit reichte das Konzept von der erweiterten Familie aus, um den Kindern Schutz zu garantieren. Die Waisenkinder wurden den Dorfältesten oder einem entfernten Verwandten anvertraut oder einer Frau aus der Dorfgemeinschaft, die selbst keine Kinder hatte. Dies ist auf dem Land immer noch der Regelfall, doch angesichts der neuen Notsituationen auf dem afrikanischen Kontinent, von der Aids-Pandemie bis hin zur Stammeskriegen und der Auswanderung aus den ländlichen Gebieten in die Städte, gerät dieses System langsam aus den Fugen.
In Ruanda, wo es allein 100.000 Kriegswaisen gibt, sind die Straßen von Kigali voll mit Kindern, die von dem leben, was der Zufall ihnen bringt.
In Sambia vagabundieren 300.000 Aidswaisen in ländlichen und städtischen Gebieten ohne einen Menschen, der sich um sie kümmert. In Kenia leben allein in der Landeshauptstadt Nairobi 130.000 Kinder auf der Straße, die dort in der Landessprache Suaheli als „Chokora“ bezeichnet werden, was soviel heißt wie „diejenigen, die sich vom Abfall ernähren“. Sie kommen größtenteils aus den Barackensiedlungen am Stadtrand (Kibera, Kawangware, Korogocho, Mattare und Ruaraka) uns suchen auf den offenen Müllhalden nach Nahrung und Unterschlupf. Die Nacht verbringen die meisten von ihnen in Plastiksäcken.

Asien
Auf dem bevölkerungsreichsten Kontinent der Welt haben sich Wirtschaftskrise und sozialer Verfall in ausschlaggebenden Maß auf die Zahl der Kinder ausgewirkt, die allein auf der Straße leben. Ihre Zahl liegt heute bei rund 40 Millionen. Allein in Indien gibt es 18 Millionen Straßenkinder, davon zwei in Kalkutta. Rund 16.000 Straßenkinder leben in Vietnam, wo sie vor allem in Hanoi und Umgebung Gefahr laufen, als Opfer des Sextourismus in den Nachbarländern zu enden.

Lateinamerika
Auf diesem Kontinent gibt es über 54 Millionen Straßenkinder. Etwa 30 Millionen Minderjährige kommen mit ihren mageren Einkünften für den Unterhalt der Familien auf und die Zahl der „Meninos de rua“ liegt bei etwa 15 Millionen, davon leben allein 9 Millionen in Brasilien. Das Phänomen der Straßenkinder gibt es in den lateinamerikanischen Ländern seit langem und rührt vor allem von der zunehmenden Verarmung dieser Völker her, von der rund 40% der lateinamerikanischen Bevölkerung betroffen ist. Insbesondere in den Großstädten ist die Lebensqualität stetig gesunken. Migrationsbewegungen innerhalb Lateinamerikas oder die Auswanderung in andere Erdteile hat viele Familien zerstört, was vor allem für die Kinder schwerwiegende Folgen hat, die ohne einen oder sogar beide Elternteile auskommen müssen. Die so genannten „Favelas“ sind ein Bild der Hölle, wo das Gesetz der Armut vor allem auf den Schwächsten, den Kindern, lastet.

Osteuropa
In Osteuropa war das Phänomen der Straßenkinder bis 1989 praktisch unbekannt. Parallel zu der zunehmenden Zahl der Kriege, wie zum Beispiel auf dem Balkan, und der wachsenden Wirtschaftskrise in vielen osteuropäischen Ländern stieg jedoch die Zahl der Straßenkinder. Allein in der Russischen Föderation gibt es heute insgesamt 1 Million Straßenkinder, davon 60.000 allein in Moskau. In Budapest leben insgesamt rund 10.000 und in Bukarest rund 5.000 Straßenkinder. In Lettland gibt es insgesamt etwa 10.000 Straßenkinder.
In vielen ehemals sozialistischen Staaten sind die Kinder- und Waisenheime heute hoffnungslos überfüllt, so dass viele Kinder, die keine Familie haben, nicht betreut werden können. Oft wurden die Kinder auch nach der Schließung der staatlichen Einrichtungen (Bulgarien und Rumänien) ganz einfach auf die Straße gesetzt. Auch hier werden viele Straßenkinder Opfer sexueller Ausbeutung: in Estland sind rund 30% der Prostituierten minderjährig. (M.F.D.’A.) (Fidesdienst, 28/2/2004 - 92 Zeilen, 994 Worte)


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