AFRIKA/MAROKKO - GEDANKEN VON ERZBISCHOF VINCENT LANDEL ZU DEN JÜNGSTEN ATTENTATEN: „EUROPA DARF DIE PFORTEN NICHT SCHLIESSEN, VIELMEHR SOLLT IN UNSER LAND INVESTIERT WERDEN, ANDERNFALLS WIRD DER TEUFELSKREIS NIE ENDEN“

Donnerstag, 22 Mai 2003

Rabat (Fidesdienst) – „Nach den Attentaten am vergangenen Freitag steht Casablanca und das ganze Königreich unter Schock. Niemand hätte je gedacht, dass so etwas in diesem Land geschehen würde. Doch was am meisten erschüttert ist die Tatsache, dass es sich bei den Selbstmordattentätern um Marokkaner handelt, die alle sehr jung waren und aus den armen Vierteln der Stadt kommen. Obschon manche gerne behaupten würden, dass der eine oder andere Bevölkerungsteil getroffen werden sollte. Von den insgesamt 41 Toten sind 6 Europäer und das ist zu viel. Es handelte sich um Menschen, die hier wohnhaft und bekannt waren. Deshalb besteht keine Beziehung zum Fremdenverkehr.
Auch die christliche Glaubensgemeinschaft ist geschockt, denn eines unserer Pfarrgebäude befindet sich neben der „Casa de Espagna“ und bei der Bombenexplosion zersprangen alle Scheiben und Fußböden. Doch vor allem die psychologischen Folgen sind schwer zu verarbeiten. Am Sonntag haben wir einen Trauergottesdienst für die ermordeten Spanier gefeiert und am Montag wurde unter Anwesendheit zahlreicher marokkanischer Freunde und Vertreter der Behörden das Requiem für zwei weitere Opfer zelebriert. Dies war ein sehr intensiver Moment der Gemeinschaft, den alle empfunden haben.
Unterdessen wurden die Ermittlungen aufgenommen und das Alltagsleben geht weiter; an den Orten der Attentate werden Protestkundgebungen gegen die Gewalt und die Ideologie des Hasses veranstaltet. In allen Schulen werden die Schüler auf die Gefahren hingewiesen, die Hass und Terrorismus mit sich bringen.
Auch die Botschaft des Papstes war sehr wichtig. In Augenblicken wie diesen fühlen sich Christen mit dem Gastland solidarisch.
Es handelt sich hierbei zwar nur um persönliche Gedanken, doch meiner Ansicht nach sind diese tragischen Ereignisse ein sichtbares Zeichen dafür, dass den jungen Menschen Zukunftsperspektiven fehlen (das Viertel Sidi Moumen gehört zu den ärmsten Stadtteilen von Casablanca). Über die Hälfte der Einwohner wollen auswandern und sich irgendwo anders eine Zukunft aufbauen, um dieser Situation der chronischen Armut zu entkommen. Angesichts dieser Ereignisse sollte Europa seine Pforten nicht schließen sondern vielmehr in unser Land investieren; andernfalls wird der Teufelskreis nie enden“. (Vincent Landel, Erzbischof von Rabat) (Fidesdienst,22/5/2003 – 33 Zeilen, 352 Worte)


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