ASIEN/IRAK - “WIR WOLLEN NICHT, DASS DER IRAK ZU EINEM ZWEITEN PALÄSTINA WIRD, WO ES KEINEN STAAT GIBT UND TERRORISTISCHE GRUPPEN DAS SAGEN HABEN“: DIE BEHERZTEN WORTE DES ORDENSOBEREN DES EINZIGEN CHALDÄISCHEN ORDENS IM GESPRÄCH MIT DEM FIDESDIENST

Freitag, 14 November 2003

ASIEN/IRAK

“WIR WOLLEN NICHT, DASS DER IRAK ZU EINEM ZWEITEN PALÄSTINA WIRD, WO ES KEINEN STAAT GIBT UND TERRORISTISCHE GRUPPEN DAS SAGEN HABEN“: DIE BEHERZTEN WORTE DES ORDENSOBEREN DES EINZIGEN CHALDÄISCHEN ORDENS IM GESPRÄCH MIT DEM FIDESDIENST

Bagdad (Fidesdienst) – „Wir möchten nicht, dass der Irak zu einem zweiten Palästina wird, wo es keinen Staat gibt, das Land sich selbst überlassen wird, terroristische Gruppen das Sagen haben und die Menschen verhungern!“, mit diesem Appell wendet sich Pater Denka H. Toma, der Generalobere des Antonianischen Ordens S.Ormizda der Chaldäer, des im siebten Jahrhundert nach Christus entstandenen einzigen im Irak präsenten chaldäischen Ordens an den Fidesdienst.
Der 42jährige P. Denka H. Toma leitet eine Ordensgemeinschaft, der 45 Mönche angehören, die sich dem kontemplativen und aktiven Leben geweiht haben und auch verschiedene pastorale Ämter ausüben. In einem Exklusiv-Gespräch mit dem Fidesdienst kommentiert er die Situation im Irak wenige Tage nach dem Attentat von Nasirija: „Heute fehlt mir jeglicher Optimismus. Alles hängt von den Vereinigten Staaten ab, die absolute Macht besitzen und unserem Land Gutes tun, aber auch Schaden zufügen können. Es herrscht Unsicherheit, wir befinden uns zwischen den Fronten: nach dem Ende der Diktatur hat einen neue politische Phase noch nicht begonnen. Es muss bald möglichst ein Ausweg aus dieser tragischen gefunden werden, in der Terrorismus und Unsicherheit ein leichtes Spiel haben. Wir beten dafür, dass etwas so Schreckliches nicht merh geschehen möge“.
Zum Attentat auf die italienischen Soldaten erklärt der Ordensobere: „Wir empfinden tiefe Trauer. Die italienischen Einheiten spielen in Nasirija eine sehr wichtige Rolle, denn sie sorgen für Ordnung und Befriedung in diesem Gebiet. Sie haben sehr gute Beziehungen zu den Menschen vor Ort aufgebaut. Wir wissen nicht, wer für das Attentat verantwortlich ist, vermutlich handelt es sich um Anhänger des Saddam-Reguimes oder Terroristen, die nach dem Krieg in den Irak gekommen sind, was angeischts der Tatsache, dass die Grenzen lange offen geblieben sind gut möglich wäre.“
Was sollte sich angesichts der vielfachen Attentate an der amerikanischen Politik im Irak ändern? Hierzu meint der Ordensobere im Gespräch mit dem Fidesdienst: „Die Vereinigten Staaten haben die Sicherheitskräfte im Irak aufgelöst, doch sie sollten die Iraker heute wieder an der Gewährleistung der Sicherheit beteiligen, denn sie kennen die einheimische Mentalität, die Orte und die menschen. Die Merheit der Menschen hier sind mit dem Verlauf der Dinge nicht zufrieden: sie schätzen zwar das amerikanischen Eingreifen zur Befreiung des Irak von der Diktatur, doch heute, sechs Monate nach Ende des Krieges, klagen sie über den ausbleibenden sozialen, zivilen und wirtschaftlichen Wiederaufbau. Viele glauben heute, dass das eigentliche Ziel der Amerikaner die Inbesitznahme der irakischen Erdölvorkommen war. Die Menschen sind nach drei Kriegen in zwanzig Jahren und 12 Jahren Embargo völlig erschöpft.“
Beobachter halten eine Beschleunigung bei der Übergabe der Aufgaben von der amerikanischen Zivilverwaltung an den provisorischen irakischen Regierungsrat für notwendig. Doch Pater Denka H. Toma hat Bedenken: „Der provisorische Regierungsrat wird nicht viel tun können, denn er wird von den Vereinigten Staaten kontrolliert. Seine Mitglieder gehorchen den Amerikanern in allem, größtenteils handelt es sich um Geschäftsleute mit irakischer Staatsangehörigkeit, die viele Jahre im Ausland gelebt haben. Sie kennen deshalb das Leid nicht, dass die Menschen in den vergangenen Jahren erleben mussten. Sie werden vom Volk als ‚Ausländer’ betrachtet. Unter solchen Bedingungen wird der Rat nur schwer die volle Verantwortung übernehmen und tatsächlich regieren können.“
Unter den dramatischen Bedingungen, die im Irak derzeit herrschen, versucht die chaldäische Kirche Zeichen der Hoffnung zu setzen: „Während der Jahre des Krieges, der Gewalt und des Hungers“, so Pater Toma abschließend zum Fidesdienst, „haben wir stehts versucht, den Menschen nahe zu sein und das tun wir auch heute. Die chaldäische Kirche ist für alle, auch für viele Nichtchristen eine Stütze. Die chaldäischen Mönche besuchen die Familien, beten mit den jungen Menschen, unterrichten die Kinder und legen ein wichtiges Zeugnis vom Glauben ab. Alle chaldäischen Familien beten jeden Tag dafür, dass der Herr unserem Land eine friedliche Zukunft schenken möge“. (PA) (Fidesdienst, 14/11/2003 – 56 Zeilen, 564 Worte)


Teilen: