AMERIKA - Vorbereitung auf die V. Generalkonferenz des CELAM: „Wir müssen eine Hoffnung weitergeben, die nicht auf rein menschlichen Zielen basiert, sondern auf der konkreten Person Christi“: Interview mit dem stellvertretenden Präsidenten der Päpstlichen Lateinamerika-Kommission, Erzbischof Luis Robles Diaz

Mittwoch, 18 April 2007

Vatikanstadt (Fidesdienst) - Am 13. Mai wird Papst Benedikt XVI. die Arbeiten der V. Generalkonferenz des Rates der Lateinamerikanischen Bischöfe (CELAM) eröffnen, die im Marienheiligtum in Aparecida in Brasilien stattfindet. Hierzu veröffentlichen wir ein Interview mit dem stellvertretenden Präsidenten der Päpstlichen Lateinamerikakommission, Erzbischof Luis Robles Diaz, das der Fidesdienst wenige Tage vor dessen plötzlichem Tod am 7. April in Rom führte.

Welche Ergebnisse dürfen wir uns etwa einen Monat vor Eröffnung der V. Generalkonferenz der Lateinamerikanischen Bischöfe von diesem großen Ereignis erwarten?
Ich glaube, dass das wichtigste Ergebnis der Generalkonferenz die intensive Erneuerung der pastoralen Praxis der Kirche sein sollte. Es wäre deshalb sehr nützlich, wenn die Reflexion sich dabei vor allem auf die Pastoral, ausrichten würden, denn diese braucht die Kirche dieses Kontinents heute. Was müssen wir tun, damit das Evangelium wirklich zu möglichst vielen Menschen gelangt? Was müssen wir tun, damit eine Kultur des Lebens verbreitet wird? Ich glaube, dass wir auf diese und andere Fragen konkrete Antworten durch die Reflexion und den Dialog finden müssen, der zwischen den Hirten der verschiedenen teilnehmenden Länder entsteht, und der von den Laien und von den eingeladenen Experten unterstützt werden wird. Lateinamerika bildet trotz kultureller Unterschiede, die es gibt und ohne die eigne Identität der einzelnen Völker zu mindern, einen einzigen Kontinent; wir sind ein einziges Volk mit einer ausgeprägten Kultur und eine katholischen Identität. Dies muss anerkannt werden, damit es Antworten geben kann, die anhand der Vertiefung der verschiedenen Problematiken machbar und wirksam sind. Wir müssen das Evangelium verkünden und die Sendung der Kirche wirksam fortführen und erfüllen.

Worauf sollte Ihrer Ansicht nach diese Wirksamkeit gründen?
Ich glaube, dass man wissen sollte, welches die Hauptziele sind und deshalb alle notwendigen Mittel in ein einzige Richtung lenken sollte. Unser Ziel ist es, Christus zu verkünden und den Menschen - einschließlich der Katholiken - zu helfen, sich zum Evangelium zu bekehren. Doch wir müssen auch eine Hoffnung vermitteln, die nicht auf rein menschlichen Zielen basiert: dem Sozialen, dem Wirtschaftlichen, usw. … sondern diese Hoffnung muss auf der konkreten Person Jesu Christi basieren. Und es ist offensichtlich, dass die Arbeit der Kirche, vor allem in den Ländern mit wirtschaftlichen, sozialen und politischen Mängeln - wie diese in vielen Ländern Lateinamerikas existieren - in alle jene Bereiche des menschlichen Lebens vordringen und konkrete Antworten liefern muss, doch wie sollen solche Antworten aussehen? Wenn die Kirche sich mit irdischen Zielen vermischt, d. h. mit wirtschaftlichen, politischen und sozialen Belangen, dann wird das Evangelium unwirksam, dann werden die Menschen ineffizient!

Welche besonderen Eigenschaften sollten diese V. Generalkonferenz von den vorhergehenden unterscheiden?
Um auf diese Frage antworten zu können, müssen wir vom Gegenteil ausgehen: was ist den verschiedenen Konferenzen gemein. Es ist eine klare Kontinuität erkennbar, die diese Versammlungen der Bischöfe von Rio bis Santo Domingo kennzeichnet. Alle sind eine Antwort auf die Impulse des Geistes des Zweiten Vatikanischen Konzils. Es geht um eine permanente Erneuerung der Kirche und aus diesem Grund wurden später große Versammlungen veranstaltet, die auf eine konkrete und aktuelle Situation Antworten finden wollten; doch es geht im Grunde um die kontinuierliche Erneuerung, auf der Grundlage der vorherigen Erfahrungen und insbesondere auf der Lehren des Konzils. Ich glauben, dass die einzelnen Generalkonferenzen - um auf Ihre Frage einzugehen - vor unterschiedlichen historischen Hintergründen stattfanden. Auf der Grundlage der Kontinuität hat jede auf ihre Art einer konkreten Situation der Kirche in der jeweiligen Zeit geantwortet. Der angesammelte Reichtum ist immens! Ich glaube nicht, dass der gegenwärtige historische Augenblick in Lateinamerika großer Antworten lehramtlicher Art bedarf. Das Lehramt hat im Laufe der vergangenen 50 Jahre große Mengen an Material hervorgebracht, das Frucht tief greifender Reflexion und einer Annäherung an die heutige Situation der Kirche ist. Man braucht sich dazu nur das Lehramt von Papst Johannes II. bei seinen Reisen in diese Länder vor Augen zu führen. Dies allein stellt zusammen mit den Dokumenten der vorherigen Generalkonferenzen eine unendliche Vielfalt an Prinzipien dar, die herangezogen werden können. Deshalb glaube ich, dass diese V. Generalkonferenz vor allem eine Erneuerung des Handelns herbeiführen sollte, jedoch nicht mit politischen, wirtschaftlichen und sozialen Zeilen, sondern ausgerichtet auf Christus, das Evangelium, die christlichen Werte, die Volks- und Marienfrömmigkeit, usw. …

Worin bestehen im lateinamerikanischen Kontext und vor dem Hintergrund der bisher geleisteten kirchlichen Tätigkeit Ihrer Meinung nach die dringlichsten Herausforderungen, denen man sich stellen sollte?
Ich Glaube, dass die wichtigsten Herausforderungen bereits in Antwort auf die vorhergehende Frage enthalten sind. Doch ich möchte noch eine weiter hinzufügen, die ich als grundlegend betrachte: das Engagement für die Berufungen. Stellen wir uns einmal Christus ohne Jünger, ohne Anhänger vor; stellen wir uns Christus ohne Apostel vor; wäre das nicht absurd? Die ganze Person Jesu war eine Aufforderung, ihm nachzufolgen. Er rief seine Jünger und tut dies auch heute noch, durch jeden Christen und in besonderer Weise durch seine Hirten. Die Kirche könnte sich nicht ohne ein permanentes Engagement für die Berufungen erhalten. Der Herr selbst fordert uns auf „den Herrn um mehr Arbeiter zu bitten“. Doch man sollte nicht nur bitten, sondern auch mit konkreten Mitteln nach ihnen suchen. In den vergangenen Jahren wurden viele Wege eingeschlagen, um die Antwort auf den Ruf des Herrn anzuregen, zum teil mit gutem Erfolg zum Teil weniger erfolgreich. Oft ging das Vertrauen auf die Wirksamkeit der direkten Verkündigung des Evangeliums, der Berufung durch Christus verloren und dies gilt auch für die offene und aufrichtige Verteidigung dessen, was die Kirche wirklich weitergeben will: nämlich Christus, den Weg , die Wahrheit und das Leben. Manchmal sucht man deshalb nach indirekten Wegen, die jedoch nicht sehr erfolgreich sind, oder man versucht die Botschaft zur verkleiden, obschon sie eigentlich so dargestellt werden sollte, wie sie ist. Wenn das Evangelium selbst nicht faszinierend ist, wie können wir dann überzeugen? Auf der anderen Seite glaube ich, dass man den tatsächlichen Wert der Mittel der Verkündigung des Evangeliums mit der Zahl der Berufungen messen kann, die diese hervorbringen. Deshalb würde ich es für einen wichtigen Beitrag dieser V. Generalkonferenz ansehen, wenn es eine Erneuerung der Berufungspastoral geben würde, die mit der Erneuerung Familienpastoral einhergehen sollte, damit es in unseren Ländern eine umfassende Kampagne gibt, die Priester- und Ordensberufungen durch beispielhafte Vorbilder fördert. Doch diese muss klar und direkt sein und nicht durch weltliche Kanäle geschehen, sondern sie sollte ihren eigenen Kanal nutzen, nämlich das Zeugnis der Hirten. (CN/RG) (Fidesdienst, 18/04/2007 - 94 Zeilen, 1.057 Worte)


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