VATIKAN - „DIE STEINE, DIE KLÄNGE, DIE FARBEN DES HAUSES GOTTES“ von Exz. Mons. Mauro Piacenza - “Die Berufung des Künstlers” (I)

Dienstag, 7 November 2006

Vatikanstadt (Fidesdienst) - Im Brief, den der Heilige Vater Papst Johannes Paul II an die Künstler gerichtet hat anlässlich des grossen Jubiläums des Jahres 2000, stellt er einen gewagten Vergleich her zwischen der schöpferischen Tätigkeit Gottes und jener der Künstler. Nachdem er in Epigraphe den Satz von Genesis 1, 31 zitiert hatte: «Gott sah alles, was er geschaffen hatte, und siehe es war sehr gut» vergleicht er den Pathos mit dem Gott die Schöpfung betrachtet, die soeben aus seinen Händen hervorgegangen ist mit dem Gefühl mit welchem «die Künstler jeden Zeitalters, vom Staunen über die geheimnisvolle Macht der Klänge und Worte, der Farben und Formen gebannt» das Werk ihrer Eingebung bewundert haben «und darin gleichsam das Echo jenes Geheimnisses der Schöpfung wahrgenommen habt, an dem Gott, der alleinige Schöpfer aller Dinge, sie in gewisser Weise teilnehmen lassen wollte [...]. Der Anfang der Bibel stellt uns Gott gleichsam als das beispielhafte Modell jedes Menschen vor, der ein Werk hervorbringt: Im Künstler spiegelt sich sein Bild als Schöpfer.» (Johannes Paul II, Brief an die Künstler, 4. April 1999, 1)
Das sind sehr kräftige Worte, aber das bedeutet nicht, dass sie diejenigen, an die sie gerichtet sind erschrecken oder hochmütig werden lassen müssen; sie sollen vielmehr das Fundament einer soliden Spiritualität des Künstlers bilden, der zu einem Weg der Heiligung berufen ist durch die besonderen Gaben, die ihm geschenkt sind. Vor allem muss man hervorheben, dass der Unterschied zwischen dem Künstler und dem Schöpfer nicht nur formal, sondern substantiell ist. Nur Gott ist Schöpfer, denn nur er schenkt die Existenz den Dingen, die vorher noch nicht existierten; wer hingegen etwas schon existierendes benutzt ist ein Schaffender. Wenn man vom Künstler sagt er sei „schöpferisch“ ist dies also ganz klar im Sinn einer Analogie gemeint.
Weiterhin basiert die Fähigkeit des Menschen ein Schaffender, oder - wenn wir so wollen - ein „Schöpfer“ von etwas zu sein auf der Bedingung, von Gott nach seinem „Ebenbild“ geschaffen worden zu sein mit der daraus folgenden Aufgabe, sich die Erde untertan zu machen (vgl. Genesis 1, 27-28.) Wenn man das von der gesamten menschlichen Aktivität sagen kann, so ist es wahr vor allem in der künstlerische Tätigkeit, in der sich der Mensch in exzellenter Weise als Abbild Gottes offenbart. Aber der Hl. Vater fügt hinzu, dass der Künstler diese Aufgabe verwirklicht «vor allem dadurch, daß er die wunderbare »Materie« des eigenen Menschseins gestaltet» und sodann auch durch die eigene Kunst. Eine geistliche Berufung geht so der künstlerischen Berufung voraus uns unterstützt sie - jene Bildhauer des eigenen Lebens zu sein und aus ihm «gleichsam ein Kunstwerk, ein Meisterstück» zu machen. (Brief, 1-2)
Die geistliche und ethische Berufung muss also von der künstlerischen unterschieden werden, welche darin besteht nach den spezifischen Bedürfnissen und Richtlinien der Kunst zu wirken; aber die beiden Berufungen sind miteinander verbunden. Wenn wir den Hl. Franziskus von Assisi als Beispiel nehmen: er war zuallererst ein Mensch in Frieden mit Gott; aus diesem geistlichen Zustand kam dann seine Freundschaft zu den Menschen, seine Liebe zu den Geschöpfen Gottes und seine poetische Inspiration, die er in die älteste Lyrik der italienischen Literatur übertrug.
Es ist bekannt, dass die griechische Version der Bibel (Septuaginta genannt) um anzuzeigen, dass Gott alles, was er geschaffen hatte als „sehr gut“ ansah, das Wort „kalòn“ benützt, d.h. „schön“ (Genesis 1,10 ff); darüber hinaus ist der „gute Hirte“ (vgl. Johannes 10,11) wörtlich ein „schöner (kalòs) Hirte“, Synthese der Vollständigkeit und der Schönheit, so wie auch die „guten Werke“, die notwendig sind, um ein Jünger Christi zu sein (vgl. Matthäus 5, 14-16) wörtlich „schöne (kala) Werke sind, denn sie drücken die innere Güte dessen aus, der sie vollbringt und bewirken Freude, in dem, der sie empfängt. Das ist sicher nicht ohne Bedeutung für die Kunst, da eine wesentliche Beziehung zwischen „schön“ und „gut“ besteht, welchen schon die griechische Philosophie hervorgehoben hat, in dem Sinn, dass die „Schönheit gewissermassen der sichtbare Ausdruck der Güte ist und die Güte die metaphysische Bedingung der Schönheit ist“. Deshalb ist es sehr treffend, wenn man sagt, „die Schönheit ist die vom Schöpfer durch das Geschenk des »künstlerischen Talentes« an den Künstler gerichtete Berufung.“ (Brief, 3)
Im Streben nach diesem Ziel muss sich der Künstler bewusst sein, dass sein Werk zu einem tieferen Verständnis der Realität beiträgt, da er mit einer grösseren Sensibilität als die der anderen Menschen ausgestattet ist. Zur gleichen Zeit muss er auch wissen, dass seine Kunst vom Punkt der Kommunikation der Werte aus gesehen nicht neutral ist. Wenn die Kunst richtigerweise auch Ausdruck der künstlerischen Inspiration ist, die als innere Kraft am Wirken ist und der sich der Künstler selbst nicht entziehen kann ohne sich gegenüber der Inspiration selbst strafbar zu machen, so ist es auch war, dass sie deutlich eine soziale und erzieherische Rolle besitzt, die eine Verantwortung gegenüber denen darstellt, die sie geniessen, vor allem gegenüber den Jugendlichen. Und das bedeutet nicht gleich von Obszönität oder Blasphemie zu reden, die sicher zu verbannen sind, sondern über den widersprüchlichen absoluten Nihilismus, den man teilweise in bestimmten - verzweifelten und verzweifelnden - plastischen, literarischen oder musikalischen Werken wahrnimmt.
+Mauro Piacenza, Präsident der päpstlichen Kommission für die Kulturgüter der Kirche, Präsident der päpstlichen Kommission für Archeologia Sacra. (Fidesdienst 7/11/2006 - Zeilen 63, Worte 865)


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