VATIKAN - „DIE STEINE, DIE KLÄNGE, DIE FARBEN DES HAUSES GOTTES“ von Exz. Mons. Mauro Piacenza - „Die Kirchenmusik in der Anzahl der Kulturgüter der Kirche“ (I)

Dienstag, 11 Juli 2006

Vatikanstadt (Fidesdienst) - Der Hl. Vater Johannes Paul der II., gesegneten Andenkens, hat im Jahre 2003 den hundertjährigen Gedenktag des Muto proprio des Hl. Pius X. „Tra le sollecitudini““ begehen wollen, welches auch heute noch auf wirksame Weise die Charakteristiken der Kirchenmusik beschreibt gemäss der „mens“ der katholischen Kirche (Johannes Paul II, Handschrift über die Kirchenmusik „Mosso dal vivo desiderio”, 22. November 2003, Nr. 1; vgl. Pius X. Motu proprio über die Kirchenmusik „Tra le sollecitudini“)
Die Kirchenmusik gestaltet sich wesentlich als Bestandteil der göttlichen Liturgie, da sie zum Ziel „die Ehre Gottes und die Heiligung der Gläubigen“ hat. (Zweites Vatikanisches Konzil, Konstitution über die Heilige Liturgie Sacrosantum Concilium, 120). Die Kirchenmusik stellt sich somit in den Bereich einer lebendigen Tradition, die ihre Wurzeln bereits in den ersten christlichen Gemeinden findet, die vom Apostel Paulus aufgerufen wurden: „mit Psalmen, Hymnen und geistlichen Liedern lobsingt Gott voll Dank in euren Herzen“ (Kol. 3,16; vgl. Eph. 5,19).
Aber damit die Kirchenmusik wirklich dem entspricht, ist es notwendig, dass sie einige in den päpstlichen Texten genau definierte Charakteristiken aufweist. Vor allem soll sie Heiligkeit ausdrücken, also den Sinn für das Gebetes besitzen und somit ein Mittel zur Erhebung des Geistes zu Gott sein, eine Hilfe für die Gläubigen zur „aktiven Teilnahme an den hochheiligen Geheimnissen und am öffentlichen und feierlichen Gebet der Kirche“ („Tra le sollecitudini“, Einleitung); sie muss Verbindung zu den biblischen Texten und den Texten der liturgischen Gebete zeigen und in Einklang mit den liturgischen Zeiten und den Gesten und Inhalten einer Zelebration stehen.
Ein zweites charakteristisches Prinzip wird in der Qualität der Formen bestimmt, d.h. die Kirchenmusik muss „wirkliche Kunst“ sein, ausgezeichnet mit Würde und Schönheit, die fähig sind, in die heiligen Geheimnisse einzuführen.
Zuletzt - und das ist ein besonders delikater Punkt - muss sie fähig sein, die legitimen Bedürfnisse der Anpassung und Inkulturation - die sowohl durch die Verbreitung der Kirche in verschiedenen Völkern und Kulturen, als auch durch die „Anpassung“ an die heutige Zeit gefordert sind - mit dem Requisit der Universalität zu verbinden, welches dann gegeben ist, wenn eine Komposition überall und in jeglicher Zeit als religiös wahrgenommen wird.
Wenn das Lehramt dann konkret dazu übergeht, anhand von Beispielen zu erklären, welche Art von Musik den obengenannten Charakteristiken entspricht, setzt es unvermeidlich den gregorianischen Gesang an erste Stelle. Über die bereits angeführten Texte hinaus könnte man diesbezüglich an Papst Pius XII. (gesegneten Andenkens) erinnern, der den gregorianischen Gesang einen „Schatz“ der Kirche nennt (Enzyklika Musicae sacrae disciplina, 25 Dezember 1955, Teil III) und an das Zweite Vatikanische Konzil, das in harmonischer Kontinuität in der Konstitution über die Liturgie feststellt, dass „die Kirche den gregorianischen Gesang als den eigentlichen Gesang der römischen Liturgie anerkennt“ (Sacrosantum Concilium 116).
Sicher muss man neben dem gregorianischen Gesang auch an die religiöse Polyphonie und an die immense Produktion von Messe, Motteten, Chorälen ecc. denken, deren Heiligkeit umso mehr wahrgenommen wird, desto mehr die Komponisten nicht nur Experten der Musik waren, sondern auch „durchdrungen vom Geist des Geheimnisses“ und Teilnehmer am Leben der Kirche. (Johannes Paul II, Brief an die Künstler, 4. April 1999, n.12).
Diese Kompositionen konstituieren, zusammen mit dem eigentlichen „religiösen“ Repertoir, wie Oratorien, mit ausdrücklich didaktischen Zwecken oder der gesamten Produktion der teils hochwertigen, der Form nach liturgischen, aber zu sehr an die jeweils gegenwärtigen ästhetischen Postulate gebunden Stücke, eine der bedeutsamsten Früchte des christlichen Humanismus und einen wertvollen Beitrag für die menschliche Kultur von Seiten des Glaubens.
Auch wenn nicht jegliche religiöse Musik als Kirchenmusik angesehen werden kann, so stellt sie doch ein kulturelles Erbe dar, das auch heute noch lebendig und geschätzt ist und das in den angemessenen Situationen aufgewertet werden muss. Wenn der im eigentlichen Sinn liturgische Gesang und die liturgische Musik der Vergangenheit auch heute noch nutzvoll in den Zelebrationen ausgeführt werden sollten, so kann seinerseits das übrige Repertoir eine vollwertige Anerkennung in den dafür geeigneten Veranstaltungen finden, die den kulturellen Institutionen anvertraut sind und deren Zweck die Auffindung, die Kenntnis und die Durchführung der bekannteren und der selteneren antiken religiösen Musik ist - sei es für die Liturgie, sei es, je nach Fall, für eine geistig fruchtbare Aufführung.
Deshalb kann man gut die Definition der Musik als „Kulturgut“ begreifen, verstanden vor allem als zu bewahrendes, beschützendes, aufzuwertendes und zu beförderndes Erbe, während man neue Produktionen fördern muss, die darauf bedacht sind, die objektiven obengenannten Charakteristiken zu erfüllen.
In diesem Bereich sind zu ermutigen die Katalogisierung der musikalischen Handschriftlichen, die in zahlreichen Bibliotheken und kirchlichen Archiven aufbewahrt sind, ihre Veröffentlichung und die Studien musikalischer Philologie.
In anderen Bereichen kann die Kirche die Mitarbeit von Universitäten und wissenschaftlichen Instituten ersuchen und sich der öffentlichen finanziellen Unterstützungen bedienen, die teilweise gewährt werden. + Mauro Piacenza, Präsident der päpstlichen Kommission für die Kulturgüter der Kirche, Präsident der päpstlichen Kommission für die religiöse Archäologie. (Fidesdienst 11/7/2006 - Zeilen 66, Worte 790)


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