VATIKAN - „DIE STEINE, DIE KLÄNGE, DIE FARBEN DES HAUSES GOTTES“ von Exz. Mons. Mauro Piacenza - „Die Kirchenmusik in der Anzahl der Kulturgüter der Kirche“ (II)

Dienstag, 18 Juli 2006

Vatikanstadt (Fidesdienst) - Da die Musik Expression einer Kultur schaffenden Realität ist - so wie es die Kirche selbst ist - so ist sie mit Recht ein „Kulturgut der Kirche“, aber als solches zu verstehen als lebendige Realität. So drückte sich Papst Johannes Paul II bei der ersten Vollversammlung des Päpstlichen Rates für die Kulturgüter der Kirche aus: „ [...] man wollte dem Begriff „Kulturgut“ selbst eine präzise Bedeutung und einen sofort greifbaren Inhalt geben, in dem man unter ihm zu aller erst das künstlerische Erbe der Malerei, der Skulptur, der Architektur, des Mosaiks und der Musik verstand, die in den Dienst der Mission der Kirche gestellt sind [...] (Ansprache vom 12. Oktober 1995, Nr. 3)
Wie man sofort klar versteht, ist das Kulturgut im Gedanken der Kirche keine statische Realität, die in einem Museum, einer Bibliothek oder einem Archiv aufbewahrt werde muss, sondern, wie derselbe Johannes Paul II sagte, sind „die Kulturgüter für die Förderung des Menschen bestimmt und nehmen im ekklesialen Kontext eine besondere Bedeutung an, da sie auf die Evangelisierung, den Kult und die Nächstenliebe ausgerichtet sind“ (Handschrift anlässlich der zweiten Vollversammlung, 27. September 1997, Nr. 2)
Die Päpstlichen Rates für die Kulturgüter der Kirche hat sich immer darum bemüht, diesen Begriff in seinen Schriften und Interventionen einzuprägen. In einem der Ausbildung der zukünftigen Priester gewidmeten Dokument, betreffend der notwendigen Aufmerksamkeit gegenüber den Kulturgütern der Kirche betont sie: „Darüber hinaus, dass die Kirche durch verschiedene erzieherische und kulturelle Initiativen ihren eigenen Beitrag zur integralen Förderung des Menschen leistet, hat sie das Evangelium verkündigt und den Gottesdienst vervollkommnet durch die literarischen, figurativen, musikalischen und architektonischen Künste. Ebenfalls durch die Bewahrung historischer Memoiren und wertvoller Dokumente des Lebens und der Betrachtungen der Gläubigen. Die Botschaft des Heiles wurde - und wird ebenso noch heute - auch durch diese Mittel an eine Menge von Gläubigen und Nichtgläubigen verbreitet. (Die Ausbildung der zukünftigen Priester, 15. Oktober 1992, Nr. 1)
Deshalb schaut die Kirche in Wirklichkeit immer auf die Gegenwart, auch wenn sie auf die Vergangenheit schaut und, was die Musik betrifft, sieht sie diese als beständig lebendiges Erbe an, das in der Liturgie oder zumindest für die Verkündigung des Evangeliums oder die Erhebung des Geistes genutzt werden muss, je nach den Charakteristiken, die die Komposition aufweist.
Ich möchte mich, vor allem in diesen Kontexten, bei einigen generellen Betrachtungen über diese musikalische Tradition verweilen, die von der Proposition 36 der kürzlichen Bischofssynode inspiriert sind, welche in einem Diktat des Zweiten Vatikanischen Konzils (vgl Sacrosanctum Concilium, Nr. 36) dazu aufruft, den Gebrauch der lateinischen Sprache in der Feier der Heiligen Messe nicht zu vernachlässigen, vor allem in den internationalen Zusammenkünften, und den gregorianischen Gesang hochzuachten (vgl. Sacrosanctum Concilium, nn. 116-117),
Die lateinische Sprache und der gregorianische Gesang, die beide innig mit den biblischen, patristischen und liturgischen Quellen verbunden sind, sind Teil jener lex orandi, die sich in einer Zeitspanne von über einem Jahrtausend gebildet hat. Heute redet man viel von den „Wurzeln“ und ihrer Wiederentdeckung: nun gut, die lateinische Sprache und der gregorianische Gesang sind sozusagen die Wurzeln der liturgischen Musik.
In diesem Sinn müsste der gregorianische Gesang als Orientierungspunkt angesehen werden und, je nach Möglichkeit, auch in der Gemeinde wieder eingeführt werden. Und dies im Rahmen jener so sehr erwünschten Rückkehr zur Seriosität der Liturgie, zur Heiligkeit und Formschönheit, zur Universalität, welche die liturgische Musik (die diese Namens würdig sein will) auszeichnen müssen und die in die Optik des gebührenden Gehorsams gegenüber der Liturgiereform gehören, so wie sie vom Zweiten Vatikanischen Konzil gedacht war.
Manchmal hat man den Eindruck, dass die Hirten die Lernfähigkeit des christlichen Volkes unterschätzen: und man bedenke, dass die Gemeinde einstmals nur den gregorianischen Gesang kannte, den sie nun fast gezwungenermaßen vergessen musst, zugunsten anderer Gesänge, die teils wirklich an Form und Inhalt zu wünschen übrig lassen.
Es ist offensichtlich, dass nicht das gesamte Repertoire dem Volk vorgeschlagen werden kann, aber es ist ebenso wahr, dass beim Gesang, genauso wie bei der Liturgie, nicht alle alles machen müssen, sondern, wie Papst Johannes Paul II in einer Handschrift hervorhob: „ Von der guten Koordinierung aller - des vorstehenden Priesters und des Diakons, der Akolythen und der Ministranten, der Lektoren, der Psalmisten, der Schola cantorum, der Musiker, der Sänger, der Gemeinde - kommt jenes gute geistliche Klima, das die liturgischen Augenblicke wirklich intensiv und fruchtbar sein lässt und die Teilnahme aller fördert.
Auf der anderen Seite auch in der Tradition der östlichen Kirche, in der der liturgische Gesang - ebenso wie die figurativen Künste - eine wesentliche Rolle spielt, sind die vom Priester, vom Diakon oder vom Chor gesungenen Teile so populär geworden, dass sie auch von den einfachen Gläubigen auswendig gesungen werden.
Eine „Lancierung“ des gemeinschaftlichen gregorianischen Gesangs könnte von der Proklamation des Vaterunsers, von den herkömmlichen Gesängen der Messe, vor allem dem Kyrie, Sanctus und Agnus Dei, beginnen. In vielen Ländern kannte das Volk gut das Credo III und die gesamte Messe VIII (Missa de Angelis). Und nicht nur das. Es konnte ebenfalls das Pange lingua, das Salve Regina und andere Antiphonen, die heute nur wenige kennen. Ein minimales Repertoire befindet sich im berühmten „Jubilate Deo“ von Paul VI, oder im „Liber cantualis“. Wenn man das Volk daran gewöhnt, ein für es geeignetes gregorianische Repertoire zu singen, so wird es dafür vorbereitet sein, auch die neuen Lieder in den lebendigen Sprachen zu singen - jene Lieder, versteht sich, die würdig sind in der Kirche ausgeführt zu werden und neben dem gregorianischen Repertoire zu stehen.
Dennoch ist die schlimmste Sachen, dass man sozusagen die „Nabelschnur“ der Tradition durchgeschnitten hat, mit der Konsequenz neue Komponisten der liturgischen Musik zu erziehen, die teilweise zwar technisch gesehen gut vorbereitet sind, denen aber der unabdingbare Humus dafür fehlt, in Konsonanz mit dem Geist der Kirche zu komponieren.
Es ist ein bisschen ähnlich einer bestimmte Auftraggebung in architektonischem Gebiet, in dem der plastischen Künste und in dem der Raumausstattung. Man braucht sensus fidei und nicht vorgefertigte Ideen oder Ideologien oder Osmose mit dem säkularisierten Gedankengut. + Mauro Piacenza, Präsident der Päpstlichen Kommission für die Kulturgüter, Präsident der Päpstlichen Kommission Archeologia Sacra. (Agenzia Fides 18/7/2006 - Zeilen 80, Worte 1001)


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