ASIEN/PAKISTAN - Entführungen und Zwangsheirat: Zivilgesellschaft fordert Gerechtigkeit

Donnerstag, 29 September 2022

Lahore (Fides) – Mit Blick auf den Fall des 13-jährigen christlichen Mädchens Zarvia Pervaiz das Opfer von Entführung, Zwangskonvertierung zum Islam und Kinderehe wurde, zeigten sich Vertreter der Zivilgesellachaft enttäuscht über diesen x-ten dokumentierten Fall von Entführung mit dem Ziel der Eheschließungen und Zwangskonvertierungen. Angesichts dieser „schwerwiegenden Ungerechtigkeit“ appellieren sie die Institutionen mit der Bitte um entsprechende Maßnahmen, um dem Phänomen Einhalt zu gebieten. Das Phänomen, das in der pakistanischen Gesellschaft weit verbreitet ist, alarmiert insbesondere Vereine und Verbände, die sich für den Schutz der Menschenrechte einsetzen, und wird von Angehörigen verschiedener Religionen verurteilt.
Der christliche Abgeordnete Tariq Gill, Mitglied der Provinzversammlung von Punjab, äußerte sich nach einem Besuch bei Zarvias Familie sehr besorgt darüber, dass das Mädchen immer noch nicht zu ihrer Familie zurückgekehrt ist, obwohl bereits im Mai 2022 eine Anzeige (First Information Report) bei der Polizei eingereicht wurde. Tariq Gill stellt fest: "Wir fordern, dass das christliche Mädchen in die Obhut ihrer Eltern zurückgegeben wird und dass rechtliche Schritte gegen die Entführer und diejenigen, die diesen Prozess der Entführung, Zwangskonvertierung und Zwangsverheiratung ermöglicht haben, eingeleitet werden". Nach Ansicht des christlichen Provinzabgeordneten ist "ein Gesetz erforderlich, das Zwangskonvertierungen und Zwangsverheiratungen von Frauen, die religiösen Minderheiten angehören, verbietet. Wir werden dies in der gesetzgebenden Versammlung fordern. Es ist dringend notwendig, das Leben der Frauen in Pakistan zu schützen. Wir verurteilen die Untätigkeit und Unfähigkeit der Hüter von Recht und Gerechtigkeit". Tariq Gill stellt fest, dass trotz der erlittenen Ungerechtigkeiten "unser christliches Volk in seinem Glauben stark ist und voller Hoffnung nach vorne schaut".
Nadia Stephen, die sich als Journalistin und Schriftstellerin vor allem für die Rechte der pakistanischen Frauen einsetzt, stimmt dem zu und erklärt gegenüber Fides: "Ungerechtigkeit und die Verletzung der Rechtsstaatlichkeit werden zu einer gefährlichen Tendenz im Land. Wir fordern die Regierungsbehörden auf, die Täter vor Gericht zu stellen, ebenso wie die Gleichberechtigung aller Bürger gewährleistet sein muss". "Minderjährige Mädchen, die Opfer von Entführungen, Zwangskonvertierungen und Zwangsverheiratungen werden", betont die Frauenrechtlerin, "sind ein Leben lang traumatisiert. Aufgrund des Phänomens der ungestraften Gewalt und des Missbrauchs durch die Starken gegenüber den Schwachen verlieren die religiösen Minderheiten in Pakistan das Vertrauen in das Gesetz und das Justizsystem“.
Die Organisation "Voice for Justice" verurteilt da Phänomen ebenfalls und erklärt über ihren Vorsitzenden Joseph Jansen: "Es ist Aufgabe der Regierung, rechtliche und administrative Schutzmaßnahmen einzuführen, um Minderheiten vor Menschenrechtsverletzungen zu schützen, und ernsthafte Maßnahmen zu ergreifen, um die Entführungen, Zwangskonvertierungen und Zwangsverheiratungen von Christinnen und Mädchen aus der hinduistischen Gemeinde in Pakistan zu stoppen“. Jansen stellt fest, dass "solange die Täter Straffreiheit genießen, das Verbrechen nicht aufhören wird" und fordert die Regierung auf, "ein umfassendes Gesetz zum Schutz von Frauen, die Opfer solcher physischer, psychischer und Gewissensgewalt geworden sind, einzuführen".
Joseph Jansen stellt fest, dass es zwar in einigen Fällen gelungen ist, die Mädchen wieder mit ihren Herkunftsfamilien zusammenzuführen, oft bleibe der Täter jedoch unestraft. "Die Gerichte müssen den Opfern Gerechtigkeit widerfahren lassen und die Täter und Komplizen bestrafen, und zwar in Übereinstimmung mit den internationalen Menschenrechtsstandards und den pakistanischen Gesetzen", fordert er deshalb.
Unterdessen rief am vergangenen 11. August auch Pakistans Außenminister und Vorsitzender der Pakistanischen Volkspartei, Bilawal Zardari, am Nationalen Tag der Minderheiten öffentlich zum Schutz von Frauen aus religiösen Minderheiten auf. „Die Zwangskonvertierung von Frauen, die religiösen Minderheiten angehören, stellt eine der größten Herausforderungen Pakistans dar“, betonte er, „Weder der Islam noch die pakistanische Verfassung erlauben oder legitimieren Zwangskonvertierungen. Es muss auf legislativer Ebene etwas getan werden, um dieses Phänomen zu stoppen". Denn nur auf diese Weise, so der Minister, "werden wir beweisen, dass wir an die Politik von Muhammad Ali Jinnah, dem Vater des Vaterlandes, glauben, als er versicherte, dass alle Bürger in Pakistan gleich sein und gleiche Rechte genießen würden".
Einem Bericht des „Center for Social Justice“ (CSJ) unter der Leitung des pakistanischen Katholiken Peter Jacob, zufolge gab es im Jahr 2021 insgesamt 78 Fälle, in denen Frauen und Mädchen (39 Hindus und 38 Christen) von muslimischen Männern entführt, zwangskonvertiert und verheiratet wurden. 76% davon sind Minderjährige. Die Zahl der im Jahr 2021 registrierten Fälle ist laut CSJ im Vergleich zum Jahr 2020 um 80 % gestiegen. Viele Fälle werden jedoch von den Familien aus Angst vor Vergeltungsmaßnahmen nicht gemeldet.
(PA-AG) (Fides 29/9/2022)


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