VATIKAN - Papst Franziskus empfängt kanadische Indianer in Audienz: Glaube nicht mit Mitteln weitergeben die der Dynamik des Glaubens fremd sind

Samstag, 2 April 2022 papst franziskus   evangelisierung   mission   glaube   kolonialismus   eingeborene  

Rom (Fides) - Der christliche Glaube dürfe nicht mit Mitteln und Wegen verkündet werden, die der Dynamik des Glaubens selbst fremd sind. Dies betonte Papst Franziskus in seiner Ansprache bei der Audienz für die Vertreter der indigenen Völker Kanadas im Vatikan am gestrigen 1. April, die zusammen mit einigen kanadischen katholischen Bischöfen nach Rom gereist war, um, wie der Vorsitzende der kanatischen Bischofskonferenz, Bischof Raymond Poisson erklärte, mit dem Papst "das anhaltende Trauma und das Erbe des Leids, dem die indigenen Völker bis heute ausgesetzt sind, sowie die Rolle der katholischen Kirche im Internatssystem, das zur Unterdrückung der Sprachen, der Kultur und der Spiritualität der indigenen Völker beigetragen hat, in sinnvoller Weise zu erörtern". Mit Blick auf die Beteiligung der Kirche an den gewaltsamen Formen der geistigen und kulturellen Unterdrückung der kanadischen Ureinwohner verwies der Bischof von Rom auf wesentliche Kriterien der Verkündigung hin. "Jesus hat uns gelehrt, anzunehmen, zu lieben, zu dienen und nicht zu richten; es ist schrecklich, wenn man gerade im Namen des Glaubens ein Gegenzeugnis zum Evangelium ablegt", betonte er.
“So wurden Ihre Identität und Ihre Kultur verletzt“, so der Papst in seiner Ansprache, „viele Familien wurden getrennt, viele Kinder wurden Opfer einer homologisierenden Aktion, die von der Idee getragen wird, dass der Fortschritt durch ideologische Kolonisierung nach geplanten Programmen und nicht durch die Achtung des Lebens der Völker erreicht wird“. „Dies ist etwas, was leider auch heute noch auf verschiedenen Ebenen geschieht: ideologische Kolonisierung. Wie viele politische, ideologische und wirtschaftliche Kolonisationen gibt es in der Welt, die von Gier und Profitstreben getrieben werden und die Völker, ihre Geschichte und Traditionen sowie das gemeinsame Haus der Schöpfung missachten. Leider ist diese koloniale Mentalität immer noch weit verbreitet. Lassen Sie uns gemeinsam helfen, sie zu überwinden", forderte er die Anwesenden auf.
In seiner Ansprache nahm der Papst auch ausdrücklich Bezug auf die "Berichte über Leiden, Entbehrungen, diskriminierende Behandlung und verschiedene Formen des Missbrauchs, die einige von Ihnen erlitten haben, insbesondere in Internaten“. „Es ist erschreckend", fügte der Papst hinzu, "an den Wunsch zu denken, jemandem ein Gefühl der Minderwertigkeit einzuflößen, ihm seine kulturelle Identität zu nehmen, seine Wurzeln abzuschneiden, mit all den persönlichen und sozialen Folgen, die dies mit sich gebracht hat und weiterhin mit sich bringt: unbewältigte Traumata, die zu Traumata zwischen den Generationen geworden sind". In Bezug auf diese Ereignisse sagte der Papst, er empfinde "Schmerz und Scham für die Rolle, die verschiedene Katholiken, vor allem mit pädagogischer Verantwortung, bei all dem gespielt haben, was Sie verletzt hat, bei dem Missbrauch und der Missachtung Ihrer Identität, Ihrer Kultur und sogar Ihrer spirituellen Werte“. All dies stehe im Widerspruch zum Evangelium Jesu, betonte er. „Für das beklagenswerte Verhalten dieser Mitglieder der katholischen Kirche", so der Papst weiter, "bitte ich Gott um Vergebung und ich möchte Ihnen von Herzen sagen: Es tut mir sehr leid“.
Gleichzeitig erinnerte der Papst mit Worten der Dankbarkeit an "so viele gute Gläubige, die im Namen des Glaubens, mit Respekt, Liebe und Freundlichkeit Ihre Geschichte mit dem Evangelium bereichert haben. Ich freue mich zum Beispiel, wenn ich an die Verehrung denke, die sich bei vielen von Ihnen für die heilige Anna, die Großmutter Jesu, verbreitet hat. In diesem Jahr möchte ich diese Tage mit Ihnen verbringen. Heute müssen wir ein Bündnis zwischen Großeltern und Enkeln, zwischen Älteren und Jüngeren wiederherstellen, eine Grundvoraussetzung für eine größere Einheit in der menschlichen Gemeinschaft".
An die anwesenden kanadischen Bischöfe wandte sich Papst Franziskus mit der Aufforderung, den mit den Ureinwohnern eingeschlagenen Weg der Heilung und Versöhnung "in Demut" fortzusetzen und erinnerte daran, dass "in der Demut der Geist des Herrn offenbar wird" und dass "angesichts von Geschichten wie dieser, die wir gehört haben, eine demütige Haltung der Kirche fruchtbar ist".
(GV) (Fides 2/4/2022)


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