AFRIKA/SOMALIA - Islamische Gerichte sind wesentlicher Bestandteil der somalischen Gesellschaft. Ihre Machtübernahme ist neu und muss noch entschlüsselt werden

Dienstag, 20 Juni 2006

Mogadischu (Fidesdienst) - „Es ist nicht einfach zu verstehen, ob sich Interessen des internationalen Extremismus hinter den islamischen Gerichten verbergen, die in weiten Teilen Somalias die Macht übernommen haben“, so Beobachter aus Kreisen der Ortskirche im Horn von Afrika, wo die Sorge hinsichtlich einer möglichen Machtübernahme radikaler Elemente wächst, die möglicherweise mit extremistischen internationalen islamischen Gruppen in Verbindung stehen.
„Sicher ist, und viele Beobachter wundern sich darüber, dass die Truppen der islamischen Gerichte die Milizen der so genannten „Kriegsfürsten“ zerschlagen haben, die seit über 15 Jahren Mogadischu beherrschten“, so der Beobachter. „Dis konnte geschehen, weil die Truppen der islamischen Gerichte gut geführt und gut bewaffnet sind. Von wem wissen wir noch nicht genau, doch das Mitwirken ausländischer Elemente, die zumindest finanzielle und logistische Unterstützung liefern, kann nicht ausgeschlossen werden“.
„Um zu verstehen, wie es kam, dass die islamischen Gerichte die Macht übernehmen konnten, muss man die Situation in Somalia verstehen, wo es seit 1991 keinen Staat mehr gibt“, so der Beoabachter. „Die somalische Gesellschaft stützt sich deshalb auf sich selbst und auf das Clan-System. Staatliche Strukturen nach westlichem Vorbild sind in Somalia fremd. Die wahre Organisationsform der Gesellschaft und der Politik ist hier der Clan und die verschiedenen Unterclans. Es existieren komplexe Mechanismen, die das leben sowohl innerhalb der Clans als auch zwischen den Clans untereinander regeln.“
Vor dem Hintergrund dieser Struktur existieren die islamischen Gerichte, die für Fragen der islamischen Rechtssprechung zuständig sind, insbesondere, was das Familienrecht anbelangt (Ehen, Scheidungen, Erbfragen, etc…). „In Somalia gab es bis 1991 mindestens 3 verschiedene Arten von Gerichte. Die staatlichen Gerichte, die islamischen Gerichte und die traditionellen Gerichte. Letzteres war mit der Beilegung von Streitigkeiten zwischen Personen innerhalb desselben Clans (Eigentumsfragen, Anspruch auf Weideland, etc.) beauftragt. Im Grunde handelt es sich auch bei den islamischen Gerichten um Einrichtungen der Clans: jeder Clan hat eigenes Gericht“, so der Beobachter. „Interessant ist, dass es mindestens 15 bis 17 islamische Gerichte gibt. Und es diesen gelungen ist, eine Art Absprache hinsichtlich der Machtübernahme zu treffen.“
„Der Machtgewinn der islamischen Gerichte ist also eine typisch islamische Entwicklung, wo, die traditionellen Clans der Hauptbezugspunkt für die Einwohner des Landes ist. Es ist nicht einfach mit den Augen westlicher Staatsbürger eine solche Entwicklung zu verstehen, doch man muss auch verstehen, dass in Europa der moderne Staat erst nach Jahrhunderten blutiger Kämpfe entstanden ist. Es ist keine Struktur, die man einfach in eine andere Kultur integrieren kann“, so der Beobachter. „Sollten bei den islamischen Gerichten die extremistischen Elemente überwiegen, dann stünden wir jedoch vor einer Wende in der Geschichte Somalias, mit nur schwer vorhersehbaren folgen“, so der Beobachter abschließend. (LM) (Fidesdienst, 20/06/2006 - 38 Zeilen, 445 Worte)


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