EUROPA/UKRAINE - Oberhäupter der Ostkirchen zum Krieg in der Ukraine: “Krieg ist eine Niederlage für alle“

Samstag, 26 Februar 2022 mittlerer osten   ostkirchen   kriege   geopolitik  

pravmir.com

Kiew (Fides) - "Kriege sind eine Niederlage für alle beteiligten Parteien. Der einzige, der sich daran erfreut, ist der Teufel, der bereits auf den Köpfen der Leichen tanzt und mit dem Schmerz der Witwen, Waisen und trauernden Mütter spielt", so der koptisch-orthodoxe Bischof Raphael von Kairo angesichts des Konflikts in der Ukraine. Diesem Empfinden schließen sich die Oberhäupter und Gemeinden vieler Ostkirchen an. In den letzten Jahren war der russische Präsident Wladimir Putin bestrebt, sein Image im Nahen Osten als Schützer der dortigen christlichen Kirchen und Gemeinschaften zu festigen. Dies ist einer der Gründe für die einmütige Bestürzung, die die Patriarchen und maßgeblichen Vertreter der Ostkirchen angesichts des Konflikts in der Ukraine zum Ausdruck gebracht haben, wo die militärische Auseinandersetzung Gläubige betrifft, deren Identität zutiefst vom Christentum in der ostbyzantinischen Tradition geprägt ist.
In den letzten Jahren hatten die schwersten Verwerfungen innerhalb der orthodoxen Christenheit ihr Epizentrum in der Ukraine. Die Auseinandersetzungen, die zur Spaltung zwischen dem Patriarchat von Konstantinopel und dem Patriarchat von Moskau führten, waren von Anfang an mit Konflikten verbunden, die durch nationalistische Gefühle und geopolitische Herrschaftsbestrebungen geschürt wurden. Der Konflikt zwischen der Kirche von Konstantinopel und der Kirche von Moskau hatte zunehmend schwerwiegende Formen angenommen, nachdem das Ökumenische Patriarchat von Konstantinopel der ukrainisch-orthodoxen Kirche am 6. Januar 2018 die sogenannten "Autokephalie" zuerkannt und damit die Entstehung einer ukrainischen kirchlichen Struktur aus kanonischer Sicht legitimiert hatte, die völlig frei von jeglichem Zwang zur hierarchischen Unterordnung unter das Moskauer Patriarchat ist.
Patriarch Ilja II., Primas der Autokephalen Orthodoxen Kirche von Georgien, betet für das ukrainische Volk und erinnert an das eigene Schicksal. "Wir wissen aus der bitteren Erfahrung Georgiens, wie wichtig die territoriale Integrität eines jeden Landes ist", fügte der Patriarch des Landes hinzu, in dem die russischen Streitkräfte 2008 mit der Begründung intervenierten, die Autonomierechte der Regionen Ossetien und Abchasien zu schützen.
Patriarch Daniel, Primas der Orthodoxen Kirche Rumäniens, erklärte gegenüber den Medien, er habe die militärische Kampagne Russlands gegen "einen unabhängigen und souveränen Staat zur Kenntnis genommen" und hoffe, dass „die Diplomatien der Welt bald wieder Kanäle des Dialogs aktivieren, um das Gespenst des Krieges aus der Ukraine und ganz Europa zu vertreiben“.
Der Ökumenische Patriarch von Konstantinopel Bartholomaios I., "primus inter pares" unter den Primaten der orthodoxen Kirchen, drückte in einer bereits am Donnerstag, den 24. Februar, veröffentlichten Botschaft sein "tiefes Bedauern" über das aus, was er als „eklatanten Verstoß gegen jede Vorstellung von internationaler Legitimität“ bezeichnete. „Wir müssen beten", fügte der Patriarch von Konstantinopel hinzu, "dass unser Gott, der Gott der Liebe und des Friedens, die Führung der Russischen Föderation erleuchtet, damit sie die tragischen Folgen ihrer Entscheidungen und Handlungen versteht, die sogar einen Weltkrieg auslösen können". Ähnliche Gefühle der geistigen Verbundenheit mit dem ukrainischen Volk äußerte auch Erzbischof Ieronymos von Athen, Oberhaupt der orthodoxen Kirche Griechenlands.
Metropolit Onofry, das Oberhaupt der ukrainisch-orthodoxen Kirche, die weiterhin mit dem Moskauer Patriarchat verbunden ist, veröffentlichte zunächst eine Botschaft, (die inzwischen von der offiziellen Website der Kirche entfernt wurde in der er die "Invasion" Russlands in ukrainisches Gebiet verurteilte.
Der Patriarch von Moskau und ganz Russland, Kyrill, äußerte sich in einer am 24. Februar veröffentlichten Botschaft, in der er erklärt, er empfinde "mit tiefes und aufrichtiges Bedauern" für das Leid, das durch die "stattfindenden Ereignisse" verursacht wurde. In seiner Botschaft geht das Oberhaupt der russisch-orthodoxen Kirche nicht auf Gründe und Verantwortlichkeiten für den Konflikt ein. Kyrill spricht als Primas "einer Kirche, deren Herde sich in Russland, der Ukraine und anderen Ländern befindet", und drückt seine Verbundenheit mit "all denen aus, die von dieser Tragödie betroffen sind". Der russische Patriarch ruft alle Konfliktparteien auf, "alles zu tun, um zivile Opfer zu vermeiden", und erinnert daran, dass das russische und das ukrainische Volk eine jahrhundertelange gemeinsame Geschichte haben, die bis zur Taufe der Rus' durch den Fürsten Wladimir zurückreicht. "Ich glaube, dass diese gottgegebene Verbundenheit dazu beitragen wird, die Spaltungen und Meinungsverschiedenheiten zu überwinden, die zu dem gegenwärtigen Konflikt geführt haben", fügte der Primas der Russisch-Orthodoxen Kirche hinzu und rief alle dazu auf, den Menschen, die unter dem Konflikt leiden werden, jede erdenkliche Hilfe zukommen zu lassen.
(GV) (Fides 26/2/2022)


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