VATIKAN - Traum und Leidenschaft der Erstevangelisierung: Ein Missionar im Gespräch mit dem Fides-Direktor

Samstag, 3 Juli 2021

Vatikanstadt (Fides) - "Wissen, verstehen, was auf der anderen Seite des Planeten passiert, um eine Nachricht, die ich lese, in ein Gebetsanliegen umzuwandeln und zu erfahren, wie die Kirche, die Jünger Jesu, überall hinkommen und wie das Evangelium überall etwas sagen hat", so sagte Pater Emanuele Ciccia von der Missionsgesellschaft von Villaregia, der als Missionar in Äthiopien lebt und arbeitet und anlässlich eines Besuchs bei Fides mit dem Direktor der Agentur, Pater Dinh Anh Nhue Nguyen, sprach.

Pater Anh Nhue: Pater Emanuele stellen Sie sich bitte Sie persönlich unseren Lesern vor und berichten Sie uns von der Apostolischen Präfektur Robe, in der er Sie als Missionar tätig sind…
P. Emanuele: Ich bin Missionar der 1981 gegründeten Missiongemeinschaft von Villaregia, die heute verschiedene Missionen insbesondere in Mittel- und Lateinamerika, in Afrika und in Europa hat. Ich arbeitete 12 Jahre lang an der Elfenbeinküste und bin seit anderthalb Jahre, auf Wunsch von Pater Angelo Antolini, OFMCap., des ersten Apostolischen Präfekten von Robe in Äthiopien, wo ich zusammen mit drei Schwestern und einem weiteren Ordenspriester meinen Dienst in der Präfektur leiste (vgl. Fides 13/02/2012).
Wir befinden uns in einer Apostolischen Präfektur, also in einem riesigen Gebiet der Erstevangelisierung, wo es viel Arbeit gibt, um einen missionarischen Dienst und eine Präsenz des Evangeliums zu gewährleisten. Wir arbeiten dabei eng mit Pater Angelo Antolini zusammen und teilen den gemeinsamen Traum und die Leidenschaft für die Erstevangelisierung. Es besteht der starker Wunsch, in Äthiopien an die Grenzen zu gehen und auf dessen Einladung gehen wir gemeinsam mit dem Präfekten die ersten Schritte in den Bundesstaat Somali, einer Region mit einer Bevölkerung, die somalischer Abstammung ist, in einem rein muslimischen Kontext. Da ist diese wunderbare Begeisterung von Pater Antolini gegenüber diesen Gebieten, um, wie er sagt, „als Kirche präsent zu sein. Denn wo wir zu zweit oder zu dritt sind, da ist Jesus anwesend.“

Pater Anh Nhue: Wie viele Einwohner, Katholiken und Christen gibt es in Äthiopien?
P. Emanuele: Äthiopien hat über 100 Millionen Einwohner und ist viermal so groß wie Italien. Es ist ein bisschen schwierig, die Prozentsätze von Christen und Muslimen zu definieren. Das Christentum ist in all seinen Facetten präsent. Hier ist das Christentum vor allem im Norden durch die äthiopisch-orthodoxen Christen bekannt. Die katholische Kirche ist eine Minderheit und feiert die Gottesdienste, je nach Gebiet und Vikariat, in zwei unterschiedlichen Riten, dem lateinischen und dem östlichen. In unserer Apostolischen Präfektur, die ein Drittel Italiens ausmacht, und zwischen zwei wichtigen Flüssen, dem Webe Shebelle und dem Gandale, liegt, leben 95 % muslimische Brüder und Schwestern.
In den beiden Städten Robe und Goba liegt christliche Präsenz etwas über dem Durchschnitt liegt. Wir leben in Robe, wo die nach Angaben der Statistiken zwischen 70.000 und 150.000 Einwohner hat, während in Goba, das 10 km von uns entfernt ist, eine historische Präsenz der Schwestern von Mutter Teresa besteht. Der Grundstein für dieses Zentrum wurde von der heiligen Mutter Teresa selbst gelegt. Pater Antolini hat sie unter anderem zur Schutzpatronin der Apostolischen Präfektur Robe ernannt, auch um den Ärmsten ein Zeichen der Liebe und Fürsorge zu geben (vgl. Fides 16/07/2012). Die Schwestern von Goba haben ein Gesundheitszentrum mit etwas mehr als 200 Patienten, die von verschiedenen Pathologien, körperlichen Behinderungen, psychischen oder psychiatrischen Erkrankungen betroffen sind. Dank dieser Patienten existiert dort in der gesamten Präfektur eine besondere Präsenz Jesu!

P. Anh Nhue: Mit ihrem gewöhnlichen Dienst, leisten die Schwestern also auf eine außergewöhnliche Weise, mit einer außergewöhnlichen Liebe, ihre Arbeit bis hin zum Opfer ihres eigenen Lebens.
P. Emanuele: Für uns ist ihre Anwesenheit sehr kostbar. Die Missionen sind sehr weit voneinander entfernt. Die Mission, die etwas strukturierterer ist, und eine Pfarrei hat befindet sich ungefähr zwei Autostunden entfernt, in Adaba und besteht aus zwei fidei donum-Priestern und einer Laienschwester. Die Anwesenheit von Schwestern in unserer Nähe, nur 10 km entfernt, ermöglichte es uns, eine Gemeinschaft zu bilden und eine Erfahrung der gegenseitigen Unterstützung und Freundschaft zu erleben.

P. Anh Nhue: Aber auch die Schwestern brauchen Sie, Ihre Anwesenheit, Ihre gewöhnliche Tätigkeit in der Pfarrei sehr. In diesem Sinne vervollständigen Sie sich gegenseitig, bei der Verkündigung Jesu Christi und des Evangeliums.
Pater Emanuele: Ja, wir sind ein Team. Sie geben uns ein enormes Beispiel der Liebe zu den Ärmsten der Armen und wir feiern mit ihnen die Eucharistiefeier und wir beten zusammen. Es besteht eine tiefe Freundschaft zwischen uns. Sie sind auch deshalb wertvoll, weil die Stadt Robe die in Großstädten typischen Zeichen der Armut mit vielen Straßenkindern und Obdachlosen aufweist. Mit unserer Präsenz auf der Straße lernen wir oft Brüder und Schwestern kennen, die die Schwestern Gott sei Dank in ihrem Zentrum aufnehmen und dort denjenigen eine Alternative bieten, die seit Jahren mit zum Teil tragischen Geschichten auf der Straße leben.

P. Anh Nhue: Hat die katholische Kirche in ganz Äthiopien nur eine Präfektur?
Pater Emanuele: Ich würde sagen, unsere Präfektur ist eine Präfektur, wie aus den „ersten Kapiteln der Apostelgeschichte“. Im Norden gibt es Eparchien des östlichen Ritus, und die Kirchsprengel des lateinischen Ritus beschränken sich auf acht Vikariate, wir haben keine Diözese und nur eine Apostolische Präfektur. In Afrika gibt es nur drei Apostolische Präfekturen: in der Westsahara, in Libyen und uns, in Äthiopien.

P. Anh Nhue: Würden sie unseren Lesern erklären, wir sie Ihren gewöhnlichen Dienst verrichten? Womit beschäftigen Sie sich jeden Tag?
P. Emanuele: Wir sind erst seit anderthalb Jahren präsent und es ist weise, dass wir zunächst einmal gut zuhören, auch wenn wir versuchen, Fortschritte zu machen. Der erste Dienst ist eine enge Zusammenarbeit mit Pater Angelo, einige von uns übernehmen dabei einen allgemeineren Dienst für die Präfektur administrativer und pastoraler Art. Angefangen haben wir mit Sozialarbeit, dies sind kleine Zeichen, mit denen wir versuchen, vor allem die weibliche Bevölkerung und junge Leute anzusprechen und wir bieten katholischen Schulen unsere Unterstützung an. Wir sind auch leidenschaftlich daran interessiert, mit unseren Brüdern und Schwestern, die aus der islamischen Welt kommen, eng zusammenzuarbeiten und Freundschaft zu schließen und so ein gutes nachbarschaftliches Verhältnis entstehen zu lassen. Wir sind viel auf der Straße unterwegs, um die Menschen zu grüßen, sie kennenzulernen und ein paar Worte in Oromo, der Landessprache, zu wechseln. Wir glauben, dass sich der Herr offenbart, wenn wir auf die Straße gehen.

P. Anh Nhue: Wenn wir dem Hauch des Heiligen Geistes folgen, verkünden wir Christus, auch wo wir es nicht erwarten. Sie leisten Ihren Dienst also in erster Linie unter Nicht-Katholiken und Nicht-Christen?
P. Emanuele: Neben dem Pfarrdienst im engeren Sinne stehen wir auch in Kontakt mit nichtkatholischen Christen aus der orthodoxen Welt, aber vor allem mit Muslimen.

P. Anh Nhue: Gibt es eine Pfarrei in der Präfektur? Wie viele Mitglieder hat sie? Gibt es auch katechetische Aktivitäten?
P. Emanuele: Am Sonntag kommen etwa vierzig Menschen zu uns, die uns an der normalen Seelsorge teilnehmen. In Wirklichkeit versuchen wir, die Strukturen wieder aufzubauen, da es sich frühere um zwei Pfarreien handelte, in denen es einen sehr häufigen Wechsel von Priestern und Gemeindefarrern gegeben hat. Wir versuchen, Wege zu finden, die dem Katechumenat vorausgehen, wie in der ganzheitlich islamischen Stadt Dinsho, wo vier oder fünf oder manchmal nur zwei oder sogar sieben Menschen mit islamischem Hintergrund das Evangelium gerne kennenlernen möchten. Mit ihnen befassen wir uns mit dem Markusevangelium, von dem sie sagen, dass es das kerygmatischste der Evangelien ist, und hoffen dabei Woche für Woche unseren Dienst in dieser Stadt vertiefen zu können. Hier gibt es bereits zwei katholische Kindergärten, die uns die Möglichkeit gegeben haben, dort anwesend zu sein und so wollen wir es weiter in anderen Städten in der Nähe oder in der Ferne tun.

P. Anh Nhue: Dieser Diskurs über das Finden von Freunden ist sehr interessant. Durch diese menschlichen Freundschaft übertragen wir auch die Freundschaft von Christus. Vielen Dank für Ihren Dienst und Ihre Mission.
Möchten unseren Fides-Lesern auf der ganzen Welt etwas sagen, die in derselben Mission vereint sind, etwas sagen? Was würden Sie als Missionar, der an vorderster Front tätig ist, den getauften Missionaren in Italien, in Europa oder Amerika sagen, was würden Sie ihnen als Bruder im Glauben gerne sagen?

P. Emanuele: Als Glaubensbruder möchte ich den Lesern für ihren Wissensdurst danken. Manchmal wird in der Missionswelt betont, dass die Unterstützung der Mission vor allem darin besteht Spenden und Opfer für die Mission zu bringen. Ich glaube, es ist wichtig zu wissen, zu verstehen, was auf der anderen Seite des Planeten passiert. Ich glaube, es ist der beste Weg, eine Nachricht, die ich lese, in ein Gebetsanliegen zu verwandeln und zu erfahren, wie die Kirche, die Jünger Jesu überall hinkommen und wie das Evangelium überall etwas zu sagen hat.
Sich zu informieren, um Bescheid zu wissen ist sehr wichtig. Auch für mich als Missionar, der sich sehr auf meine eigene Realität als Robe konzentriert, ist es wichtig, andere Kontexte der Mission zu kennen und zu sehen, wie Laien, Missionare, Familien, andere Jünger Jesu auf der anderen Seite der Welt leidenschaftlich versuchen, das Evangelium weiterzugeben. Das lässt mich wachsen. Ihr musst Bescheide wissen, sei neugierig! Ihren Lesern möchte ich sagen, lesen Sie weiter den Fidesdienst.

P. Anh Nhue: Vielen Dank, P. Emanuele, für ihren Besuch und für Ihre Worte! Fides versucht, die ganze Welt über die Sendung zu informieren, die die Kirche über die Grenzen hinweg wahrnimmt. Wenn man dies nicht weiß, kann man keine Liebe verspüren, es fehlt die Inspiration. Es ist wichtig, die Brüder und Schwestern im Glauben zu kennen, was sie alles in verschiedenen Kontexten tun, zwischen den Höhen und Tiefen des Lebens, den Momenten der Krankheit, der Distanz, aber immer in Gemeinschaft mit allen Brüdern und Schwestern des Glaubens. Beten wir füreinander im Wissen, dass so viele leiden und teilen wir alles in Gemeinschaft, um dann zur Zusammenarbeit kommen. Nochmals vielen Dank und alles Gute für ihre weitere Arbeit in der Mission!
Die am 11. Februar 2012 von Papst Benedikt XVI. errichtete Präfektur Robe hat eine Fläche von 103.769 km2 und eine Bevölkerung von über 4 Millionen Einwohnern und 1.090 Katholiken, 12 Kirchen und 8 Priester. Insgesamt 35 neue Gemeindemitglieder wurden im letzten Jahr getauft.
(AN/AP) (Fides 3/07/2021)


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