ASIEN/IRAK - Papst besucht Mossul, Karakosch und Erbil: “Christus ist in diesem seinem heiligen gläubigen Volk am Werke ”

Sonntag, 7 März 2021 mittlerer osten   ostkirchen   papst franziskus   dschihadisten  

Mossul (Fides) – “Heute kann ich sehen und mit Händen greifen, dass die Kirche im Irak lebendig ist, dass Christus in diesem seinem heiligen gläubigen Volk lebt und am Werk ist“, so Papst Franziskus am Ende seiner Predigt in italienischer Sprache bei der heiligen Messe im Franso-Hariri-Stadion in Erbil, die am Nachmittag des 7. März vor rund zehntausend Gläubigen. Dies war der letzte öffentliche Auftritt eines denkwürdigen Besuchs im Irak. Der Papst schien bewegt und zufrieden mit dem, was er am dritten Tag seiner kurzen und intensiven Pilgerreise angesichts der Schmerzen und Erwartungen des irakischen Volkes sah: an einem sonnigen Tag mit einem dichten Programm hatte der fast 85-jährige Petrusnachfolger die Schwierigkeiten mit eigenen Augen gesehen und der irakischen Bevölkerung und der örtlichen christlichen Glaubensgemeinschaft Hoffnungen auf eine Wiedergeburt geschenkt, indem er zwischen Mossul, Kuarakosch und Erbil, der Hauptstadt der autonomen Region Kurdistan unterwegs war.
Drei Schlüsselorte, die auf unterschiedliche Weise von der Welle des Vormarsches des so genannten Islamischen Staates (IS) betroffen waren, die den gesamten Nordirak von 2014 bis 2017 erschütterte und Not, Verwüstung und damit Wunden in den Territorien verursachte, die noch immer in den Herzen der verbleibenden und der geflohenen Menschen offen liegen. Davon zeugen noch heute viele Gebiete, die in Friedhöfe verwandelt wurden und Flüchtlingslager, die zwischen der Ninive-Ebene und Erbil entstanden sind. Genau an diesen Orten sah der Petrusnachfolger das Wunder einer lebendigen Glaubensgemeinschaft, eines einfachen und armen Volkes Gottes, das infolge der Nöte der letzten Jahre zwar zahlenmäßig schwand, aber weiterhin aus der unerschöpflichen Quelle des Glaubens der Apostel schöpft. Männer und Frauen, Jugendliche und Kinder, die ihm auch von den Leiden und Schicksalsschlägen in der jüngeren Vergangenheit erzählten, ohne sich darüber zu beschweren. Vielmehr bezeugen sie - wie der syrisch-katholische Priester Ammar Yako in seinem Zeugnis vor dem Papst in Karakosch, dass selbst die Jahre, die er und seine Gemeindemitglieder als Flüchtlinge verbrachten, die aus ihren Häusern vertrieben wurden, keine "verfluchten Jahre" waren, sondern gesegnet vom Herr, der seine Herrlichkeit gezeigt hat“, und jetzt „die Herzen derer mit Dankbarkeit erfüllt, die das „ dem Wunder erleben, dass Leben in diese Stadt zurückkehrt“. „Der Herr“, fügte der Priester in seinem Zeugnis hinzu, „hat uns nicht verlassen, und was für eine Freude ist es, heute Seine Heiligkeit unter uns zu sehen ... wer hätte das gedacht, dass wir Ihre Gegenwart in dieser kleinen Stadt erleben dürfen ... ».
In Mossul hatten die Kämpfer des Islamischen Staates (IS) ihre Hochburg errichtet. Während der Belagerung verließen mindestens 500 christliche Familien die Stadt. Nach den militärischen Interventionen, die dem islamischen Staat ein Ende bereiteten, sind nur rund siebzig zurückgekehrt. Im Herzen der Altstadt, die immer noch mit Trümmern und ausgebombten Gebäuden übersät ist, bekräftigte der Papst die Überzeugung, „dass die Geschwisterlichkeit stärker ist als der Brudermord“ und die Hoffnung, die auch jene nicht zunichte machen können „die den Namen Gottes verkehren, indem sie Wege der Zerstörung beschreiten“.Auf dem Hosh al-Bieaa-Platz, der umgeben ist, von vier Kirchen, die zur Zeit der dschihadistischen Besetzung entweiht und zerstört wurden, las der Papst ein Gebet für die Kriegsopfer.
„Wenn Gott der Gott des Lebens ist – und das ist er –, dann ist es uns nicht erlaubt, die Brüder und Schwestern in seinem Namen zu töten. Wenn Gott der Gott des Friedens ist – und das ist er –, dann ist es uns nicht erlaubt, in seinem Namen Krieg zu führen. Wenn Gott der Gott der Liebe ist – und das ist er –, dann dürfen wir die Brüder und Schwestern nicht hassen“, so der Papst in seinen einführenden Worten. In dem Gebet, das sich als Bitte um Vergebung verstand, erinnerte der Papst an den Propheten Jona, der von Gott gesandt wurde, um den Bewohnern der Stadt Ninive (dem heutigen Mossul) die Bekehrung zu predigen: „Wenn wir dir, Herr, nun die vielen Opfer des Hasses unter den Menschen anvertrauen, bitten auch wir dich um Vergebung und erflehen die Gnade der Umkehr“, so der Papst, und betete dafür, dass „diese Stadt und dieses Land wiederaufzubauen und die vom Schmerz zerrissenen Herzen zu heilen“ möglich sein werde und betete auch für alle, „die ihren Brüdern und Schwestern ein Leid zugefügt haben, dass sie, von deiner Barmherzigkeit berührt, Reue empfinden“. In seiner kurzen Ansprache vor dem Gebet erinnerte Papst Franziskus auch daran, dass „die wahre Identität dieser Stadt im harmonischen Zusammenleben von Menschen verschiedener Herkunft und Kulturen besteht“, weshalb er hoffe, „dass die christliche Gemeinschaft nach Mossul zurückkehren möge, um die vitale Rolle einzunehmen, die ihr im Sanierungs- und Erneuerungsprozess zukommt“.
In Krakosch, das er mit dem Hubschrauber von Mosul aus erreichte, wurde Papst Franziskus von einer jubelnden Menge aus den anderen Dörfern der Ninive-Ebene begrüßt, die ihn zum Angelus-Gebet erwartete, das in der syrisch-katholischen Kirche der Unbefleckten Empfängnis betete, die während der dschihadistischen Besetzung in eine militärische Garnison umgewandelt worden war. Heute ist das Heiligtum zu seinem früheren Glanz zurückgekehrt, und im Januar (vgl. Fides 15/1/2021) wurde auch die Marienstatue erneut auf dem Glockenturm angebracht, die seitdem hoch über der Stadt zu sehen ist. "Wir heißen Sie willkommen, wie einst Ninive Jona begrüßte, der kam, um die Einwohner von ihren Sünden zu bekehren", begrüßte der syrisch-katholische Patriarch Ignace Youssef III. Younan Papst Franziskus. „Unser Treffen hier zeigt, dass der Terrorismus und der Tod niemals das letzte Wort haben. Das letzte Wort hat Gott und sein Sohn, der Sieger über Sünde und Tod“, so der Papst in seiner Ansprache vor dem Angelusgebet.Dabei erinnerte der Papst die Anwesenden an „die Beispiele eurer Väter und Mütter im Glauben, die Gott an diesem Ort angebetet und verherrlicht haben. Sie haben mit fester Hoffnung auf ihrem irdischen Weg durchgehalten, da sie ihr Vertrauen auf Gott setzten, der uns nie enttäuscht und uns mit seiner Gnade aufrichtet“.
Entgegen der Prophezeiungen all derer, die das bevorstehende Aussterben der christlichen Gemeinschaften im Irak und im gesamten Nahen Osten vorhersagen, ermutigte der Petrusnachfolger die Christen der Ninive-Ebene mit Worten des Glaubens: „Ihr seid nicht allein“, so der Papst „Die gesamte Kirche ist euch im Gebet und mit der konkreten Nächstenliebe nahe“. Die Segensgaben Gottes auf dieser Erde, so der Papst weitern seien vor allem „die lebendigen Früchte des Glaubens“. Deshalb bestärkt der Papst die Getauften in dieser Region nicht mit allein mit der Aussicht auf meterielle Hilfe aus dem Ausland sondern mit der Aufforderung „Vergesst nicht, wer ihr seid und wo ihr herkommt!“. „Sicher gibt es Momente“, so der Papst weiter, „in denen der Glaube ins Wanken geraten mag, wenn es scheint, als würde Gott nicht hinsehen und nicht handeln. Diese Erfahrung habt ihr in den dunkelsten Tagen des Krieges gemacht. Und es trifft auch auf die jetzigen Tage der weltweiten Gesundheitskrise und der großen Unsicherheit zu. In diesen Momenten denkt daran, dass Jesus an eurer Seite ist“ und Vom Himmel wachen die Heiligen über euch: Wenden wir uns an sie und werden wir nicht müde, sie um ihre Fürbitte anzuflehen“.
In Erbil, der Hauptstadt der Autonomen Kurdistan feierte der Papst am späten Nachmittag im dortigen Franso-Hariri-Stadion einen letzten öffentlichen Gottesdienst, an dem auch Vertreter regionaler politischer Institutionen teilnahmen, angegangen bei Präsident Nechirvan Barzani. „Jesus“, so der Papst in seiner Predigt „hat auf dem Kalvarienberg dem Vater die Wunden dargebracht, durch die wir alle geheilt worden sind. Wie viele eurer Brüder und Schwestern, Freunde und Mitbürger hier im Irak tragen die Wunden des Krieges und der Gewalt, sichtbare und unsichtbare Wunden! Die Versuchung besteht darin, auf diese und andere schmerzliche Tatsachen mit einer menschlichen Kraft, mit einer menschlichen Weisheit zu antworten. Jesus hingegen zeigt uns den Weg Gottes, den Weg, den er beschritten hat und auf den er uns gerufen hat, ihm nachzufolgen“. Allein, so der Papst weiter, „sind wir dazu nicht fähig, wir brauchen Jesus. Er hat die Macht, unsere Übel zu besiegen, unsere Krankheiten zu heilen, den Tempel unseres Herzens wiederherzustellen“. „Jesus reinigt uns nicht nur von unseren Sünden, sondern er lässt uns an seiner Kraft und Weisheit selbst teilhaben“, bekräftigt Papst Franziskus, „Mit der Kraft des Heiligen Geistes sendet er uns aus, nicht um Proselytismus zu betreiben, sondern als seine missionarischen Jünger, als Männer und Frauen, die gerufen sind zu bezeugen, dass das Evangelium die Macht hat, das Leben zu verändern“. Die Kirche im Irak, so der Papst abschließend, „hat mit der Gnade Gottes viel getan und tut es weiterhin, um diese wunderbare Weisheit des Kreuzes zu verkünden, indem sie das Erbarmen und die Vergebung Christi verbreitet, besonders gegenüber den Bedürftigsten. Selbst unter großer Armut und Schwierigkeit haben viele von euch den Armen und Leidenden großherzig konkrete Hilfe und Solidarität angeboten. Dies ist einer der Gründe, die mich dazu veranlasst haben, als Pilger zu euch zu kommen, um euch zu danken und euch im Glauben und im Zeugnis zu stärken. Heute kann ich sehen und mit Händen greifen, dass die Kirche im Irak lebendig ist, dass Christus in diesem seinem heiligen gläubigen Volk lebt und am Werk ist“.
In seinen Abschiedsworten fasste der Papst seine innige Dankbarkeit für die Dinge zusammen, die er während seines Besuchs gesehen und gehört hatte, zusammen und formulierte gleichzeitig eine an die Christen im Irak und alle ihrer Mitbürger: „Nun rückt der Augenblick meiner Rückreise nach Rom näher. Aber der Irak wird immer bei mir bleiben, in meinem Herzen. Ich bitte euch alle, Brüder und Schwestern, gemeinsam vereint für eine Zukunft in Frieden und Wohlstand zu arbeiten, wo niemand zurückgelassen und niemand diskriminiert wird.“
(GV) (Fides 7/3/2021)


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